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Geschichten und Rollenspiele < Virtual Popstar
So ein kleines Projekt von mir
Einhornpanda
Internationaler Star



Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, ob das Thema hier reingehört oder doch eher in den Kunstbereich...? Oder in beides? Weiß doch auch nicht.
Ich hab schon seit Jahren ein Schreibprojekt für mich selbst. Es soll eine größere, umfassende Geschichte werden, die aber nur für mich persönlich gedacht ist. Allerdings bin ich ein Mensch, der nie zufrieden mit etwas ist, was er selbst gemacht hat, deshalb habe ich mir überlegt, dass ich einfach mal das erste Kapitel oder was auch immer genau das sein soll, hier reinstelle. Vielleicht hat ja jemand Lust es sich durchzulesen, zu sagen wie er es findet, was ihm gefällt, was nicht. In der Regel kann ich mit Kritik umgehen und freue mich auch über Ideen oder Verbesserungsvorschläge, aber seid bitte trotzdem nicht zu böse. Please. Das Projekt geht auch eher so ins Fantasy Genre, also wundert euch nicht über die eventuell komisch klingenden Namen und über komisch klingende Wörter. Sprecht es in eurem Köpfen einfach so aus, wie ihr denkt, dass es am besten klingt.


Kapitel 1 oder so.

Es war eine kalte und finstere Nacht. Der Vollmond und die Sterne wurden von grauen Wolken verdeckt und es war fast zu spüren, dass ein dunkle Macht den Weg zum königlichen Schloss suchte. Alles war still, nur das Schreien eines Babys hallte durch die dunklen Gänge. In einem dieser Gänge wurde eine große Türe geöffnet und ein Mann in goldenem Gewand trat zu den Wachen hinaus.
"Oran hat eine neue Prinzessin. Oran hat eine Kronprinzessin. Geht und verkündet die Botschaft im Lande." Die Wachen salutierten und verließen ihre Posten.
"Ist sie nicht wunderschön?"
Im Königsgemach hielt die Königin ihre weinende Prinzessin im Arm. Liebevoll strich sie ihr über die Stirn und drückte sie sanft.
"Das ist sie. Das ist sie wirklich. Caillou, komm. Heiße deine Schwester in unserer Familie Willkommen!"
Caillou war ein kleiner Prinz, welcher mit seinen pechschwarzen Haaren und giftgrünen Augen seinem Vater glich. Hastig kletterte er auf das mit Schnörkeln verzierte Bett der Eltern. Die weißen Gewänder an den Seiten des Bettes umhüllte die Familie wie eine schützende Wand.
"Langsam mein Junge, pass auf die Kleine auf", lachte der Vater und legte seine Hände auf die Schultern seines Prinzen.
"Aber warum weint sie? Ist sie traurig?"
Der kleine Prinz, der die Welt noch mit großen Kinderaugen erkundete, sorgte sich um das neugeborene Wesen, das nun seine Schwester sein sollte.
Der König lachte erneut und erklärte dem kleinen Prinz:
"Nein, sie meint damit, dass sie am Leben ist und es ihr gut geht. Alle Babys weinen, die neu auf die Welt gekommen sind. Auch du hast geweint."
"Aber sie kann doch auch einfach sagen, dass sie da ist und es ihr gut geht."
"Sie kann noch nicht sprechen. Sie muss es erst lernen."
"Achso."

Außerhalb der schützenden Gemäuer, hochoben auf einer Turmspitze des Schlosses, saß ein schwarzer Rabe. Er kreischte als er seine Flügel weit spannte. Und seine Augen funkelten, bereit für den Abflug. Sein Weg führte ihn im Sturzflug an den Schlossmauern entlang nach unten, durch den dicht bewucherten Zauberwald bis die Bäume kahler und die Erde lebloser wurde. Er flog zu den Schlossmauern Lebarus. Dort waren die Mauern grauer und verfallener als das Königsschloss in Oran. Dort, wo erst vor einigen Minuten die Kronprinzessin geboren wurde. Der Rabe bahnte sich seinen Weg durch die finsteren Gemäuer, hoch auf den Turm seines Meisters.
"Ah, mein Liebling ist wieder da. Sprich zu mir."
Mit ausgestrecktem Arm empfing er seinen Diener der Nacht. Seine schwarze Rüstung leuchtete in der Dunkelheit, die ihn umgab. Seine langen, goldenen Haare fielen fast sanft seine Rüstung entlang, sodass seine roten Augen das pure Böse in ihm unterstreichen mussten. Mit einem Fingerschnippen wandte er einen Zauber an, der seinen Raben zum Sprechen brachte.
"Die Prinzessin... krah... ist geboren worden!"
Nachdenklich zwirbelte Cas seinen Bart.
"Eine Prinzessin. Das bedeutet, dass sie die Krone erben wird. Das bedeutet, dass sie das heilige Feuer in sich trägt. Wachen!"
Eine dunkle Tür wurde aufgestoßen und zwei büffelartige Wesen traten herein. Sie strahlten mit ihrem Wesen eine unbändige Kraft aus. Ihre Körper waren voll Fell bedeckt, sie gingen auf zwei Hufen und ihre Größe reichte für zwei ausgewachsene Männer. Man nannte sie Semtauen und sie präsentierten in einer Armee die Kraft ihres Gebieters.
"Königin Levindia und König Asmharot sind soeben Eltern einer reizenden kleinen Prinzessin geworden. Bringt sie mir, lebend. Und bringt Oran zu Fall!"
Seine Stimme glitt wie ein eisiger Wind durch die Nacht und bei seinen letzten Worten hatten sie einen donnernden Unterton. Das Königreich Oran sollte noch diese Nacht fallen.

Weit entfernt von Lebaru, von den königlichen Schlossmauern, vom Zauberwald, ahnten nur die Ältesten die Gefahr. Die Hüter dieser Welt. Es war eine Welt mit vielen Ländern, vielen Kulturen, vielen verschiedenen und einzigartigen Wesen und mit vielen Gefahren. In einem Gemäuer, jenseits von Raum und Zeit, hatten sie sich versammelt.
Ein Wesen, so weiß wie der Schnee, mächtiger und monströser als die Semtauen, schritt behutsam über den gläsernen Boden. Seine Stimme donnerte fast die bunten Fensterscheiben nieder.
"Wir müssen etwas unternehmen! Die Botschaft verbreitet sich bereits in ganz Casta! Die Kronpinzessin wurde geboren!"
Eine junge Frau, ihr Haar war blau wie der Himmel und glitt an ihrem goldenen Gewand entlang, blieb ruhig und bestimmt auf ihrem Trhon sitzen.
"Wir können nichts tun. Cas Armee ist mächtiger als unsere Truppen."
Das weiße Geschöpf donnerte mit seiner geballten Faust auf den steinernen Tisch, um den sie alle versammelt waren.
"Das ist nicht wahr! Schon immer wurden wir ausgebildet! Jeder, ganz gleich aus welchem Volk! Wenn wir alle zusammen halten, können wir die Königsfamilie schützen!"
"Bitte Thalus. Donner nicht so auf dem Gestein herum. Es hat auch Gefühle."
Fast leblos bat die Stimme einer steinernen Figur darum.
"Prinzessin Iylia. Die Königsfamilie sind Ihre Freunde. Ihre Familie. Und die Kronprinzessin trägt vielleicht das heilige Feuer in sich. Wollen Sie, dass das Gleichgewicht Tiundes aus den fugen gerät?"
Das zarte Wesen in blau erhob sich von ihrem diamantenen Trhon.
"Mein lieber Mudge. Tiunde ist bereits aus dem Gleichgewicht geraten. Cas hat seine Armee aufgestellt und Dörfer angegriffen.Nichtsdestotrotz..."
Sie stütze sich mit einer Handfläche auf den steinernen Tisch und warf ihren selbstbewussen und liebevollen Blick in die Runde
"... ihr alle glaubt an die Krieger und Kriegerinnen Castas. Und an Oran. Ich hoffe, ihr werdet Recht behalten. So sollen unsere Truppen losziehen und heute Nacht das heilige Königreich und die Königsfamilie verteidigen."

Wenige Augenblicke später donnerten hunderte von Pferden durch die Nacht. Auf ihnen die stolzen Soldaten und Soldatinnen Castas, bereit, das heilige Königreich vor dem Bösen zu schützen. Sie schwärmten alle vom dem stolzen Irul aus, dort wo sie ausgebildet worden waren. Im königlichen Schloss selbst traf die Botschaft der Gefahr durch einen weißen Falken ein. Schwebend glitt er die Schlossmauern hinauf, zum Balkon, der vor dem Königsgemach trhonte und ließ sich auf das goldene Geländer nieder. Der Priester erblickte ihn zuerst und entnahm ihm die Schriftrolle aus dem spitzen Schnabel.
"Euer Majestät, eine Armee Semtauen ist auf den Weg hierher!"
Die Königin zuckte mit ihrer Tochter im Arm zusammen und drückte sie fest an sich.
"Die Soldaten Castas ebenfalls! Sie kommen, um das Schloss zu verteidigen und die Prinzessin zu schützen!"
"Sie glauben, dass sie das Cas Than in sich trägt", sagte Amaroth bestimmt.
Er wandte sich an seinen Sohn.
"Caillou, hör mir gut zu. Du musst Mama und deine Schwester beschützen. Geht mit der Wache hinunter in den Keller, dort ist es am sichersten. Niemand darf den Raum verlassen und alles muss gut veriegelt sein, hast du verstanden?"
"Ja, habe ich", der kleine Prinz nickte ohne zu zögern, kletterte vom Bett und zog seine Mutter am Ärmel.
"Komm Mama, wir gehen mit der Wache."
Die Wache, die auserwählt wurde, während und nach der Geburt der kleinen Prinzessin, die Familie zu schützen, deutete den Weg zur Tür in die Gänge. Königin Levindia verlor keine Zeit, drückte ihre Tochter weiterhin liebevoll gegen ihre Brust und folgte ihrem Sohn und dem Ritter in silberner Rüstung. Der König wandte sich an seinen Priester.
"Taison, ist es dir möglich ein Schutzschild um das Schloss herum zu errichten?"
Der alte Mann strich sich über seinen weißen Bart und klopfte überlegend mit seinem Zepter auf den knarrigen Holzboden.
"Ich weiß nicht, ob meine Magie dafür noch ausreicht, aber ich werde es versuchen. Gebt mir ein wenig Zeit."
Er trat hinaus auf den königlichen Balkon und erhob sein Zepter zu den Wolken. Ein starker Wind kam auf, schloss den Priester in einem Sturmmuster in sich ein. Taison rief fremde Worte in die Nacht. Der König befahl währenddessen einer Wache den Notstand im Schloss auszurufen. Dies geschah auf dem Glockenturm. Der Soldat verlor keine Zeit und stürzte die steinigen Stufen hinauf. Es war kein heller, fröhlicher Glockenschlag. Er war laut, tief und hallte einen warnenden Donner in die Nacht. Im selben Augenblick verengten sich die grauen Wolken am Himmel und schwarze Regentropfen prasselten hinunter. Das schöne Schloss war in tiefer Dunkelheit getaucht. Jeder in den Schlossmauern spürte die Gefahr, doch Niemand getraute sich, sie auszusprechen.
Unten in den Kellern wiegte sich die Königfamilie in Sicherheit. Die Mutter, die von der Geburt noch ganz geschwächt war, atmete schwer nach den vielen Treppen. Eine Zofe breitete auf dem kalten, steinigen Boden mehrere saubere Decken und Kissen aus, damit sich die Königin mit ihrem Neugeborenes darauf niederlassen konnte.
"Meine Königin, haben sie schon einen Namen für den kleinen Engel?", versuchte sie von der Gefahr abzulenken.
Die Mutter schaute ihre Prinzessin liebevoll an. In ihrem Blick spiegelte sich all ihre Mutterliebe und die innige Verbindung zu ihrer Tochter wieder.
"Mellicent", flüsterte sie.
"Mellicent soll sie heißen."
"Ein schöner Name, Mama!"
Caillou kniete sich zu seiner Mama nieder und stützte sich mit seinen kleinen Patschehänden über seine Schwester.
"Hallo kleine Mellicent!"
Plötzlich erschütterte das Schloss. Man spürte es bis hinunter in den Keller. Die Königsfamilie, die Zofe und die Wachen hörten angespannt. Doch so schnell das Rumpeln begonnen hatte, so schnell hörte es wieder auf. Plötzlich war es ganz still.
Oben im Trhonsaal hatte der König einige seiner besten Soldaten versammelt und sprach zu ihnen.
"Soldaten! Cas Armee ist auf dem Weg hierher, ebenso die Krieger und Kriegerinnen von Casta! Doch sie werden unsere Unterstützung brauchen! Heute Nacht kämpfen wir für das Königreich Oran, für unsere Heimat, für die Prinzessin!"
Einer der Soldaten salutierte und sprach gerichtet zum König.
"Aber euer Majestät, wäre es nicht sicherer, wenn Sie und Ihre Familie sich in Sicherheit bringen?"
"Ich schätze eure Sorge, doch meine Familie ist in die Keller hinab gestiegen und als König ist es meine Pflicht, meine Ritter im Kampf zur Seite zu stehen. Die Königin ist noch zu geschwächt, doch seid euch versichert, sie wäre ebenfalls an unserer Seite."
"Majestät..."
Aus der Richtung des königlichen Gemachs, trat der erschöpfte Priester in den Trhonsaal. Er schützte sich an seinem Zepter ab.
"Ich konnte ein Schutzschild errichten, doch hat es viele meiner Kräfte geraubt und die Semtauen sind bereits dabei, mit all ihrer Macht den Schild zu durchbrechen."
Von weit her hallte das laute Brüllen der Büffelgeschöpfe durch die Hallen. Draußen vor den Schlossmauern traten sie mit ihren Hufen auf den Schild ein und stießen mit ihren scharfen Speeren dagegen. Das Königsschloss lag in einem Tal, umgeben von weiten Hügeln. Hochoben tauchten nach und nach Reihen der Soldaten Castas auf ihren Pferden empor auf. Angeführt von Prinzessin Iylia, die bereit war, ihr Leben für ihre Freunde zulassen. Sie stieß einen Kriegesschrei aus.
Unten in den Kellergewölben waren alle ruhig und lauschten den Kämpfgeräuschen, die sich ihren Weg durch die Gänge bahnten. Der kleine Prinz kuschelte sich ängstlich an seine Mutter. Prinzessin Mellicent schlief friedlich in ihren Armen. Das kleine Wesen ahnte nichts von der Gefahr, die sich um ihr herum auftat.
"Mama, ich hab Angst."
Königin Levindia strich ihrem Sohn beruhigend durch sein schwarzes Haar.
"Uns wird nichts passieren. Du wirst sehen. Dein Papa und unsere tapferen Soldaten beschützen uns."
Es gab einen lauten, hellen Krach. Am Himmel blitze und donnerte es und ein helles Licht durchfuhr die Gänge und Räume des Schlosses. Der Schutzschild war durchbrochen. Hunderte Semtauen bahnten sich ihren Weg in das große Gemäuer. Aus den Wolken brach der schwarze Rabe und suchte seinen Weg vom grauen Anführer der Semtauen. Er begrüßte den Boten seines Meisters mit einem ausgestrecktem Fellarm.
"Sag dem Meister, dass wir in das Schloss eingedrungen sind, aber wir von Soldaten aufgehalten werden," schnaufte das große Büffelvieh und der Rabe stieß sich mit seinen Flügeln wieder empor.

Die Botschaft erreichte Cas schnell.
"Eine Armee. Sie ahnten, dass wir kommen würden. Ich muss die Dinge selbst in die Hand nehmen und die Prinzessin finden."
Seine Sohlen hallten auf dem Steinboden, als er mit stolzen Gang auf eine kleine, hölzerne Truhe zu ging und sie öffnete. Es befand sich ein Stück Stoff darin. Nicht größer als seine Handfläche, rosa und mit Blumenmuster bestickt. Es sah aus, wie von einem wunderschönen Kleid.
"Das ist alles, was ich von Levindia habe. Das muss reichen, um sie ausfindig zu machen."
Cas wandte einen Zauber an, der mithilfe des Stoffes ein klares Bild von der Königin in seinen Augen zeichnete. Mit diesem Zauber war er in der Lage, sich zumindest in die Nähe ihres Aufenthaltortes zu teleportieren.
"Levindia Sivintias!"

Die Königin hörte Schritte. Die Soldaten griffen an ihre Schwerter, bereit die Familie zu schützen, doch als sich die Tür öffnete, ließen sie ihre Griffe lockerer und eilten ihrem König zur Hilfe. Er stützte sich am Türgriff ab, denn er war schwer verwundet. Von seinem Bauch aus floss am rechten Bein viel Blut hinab. Man hörte die großen Tropfen, wie sie den Steinboden erreichten. Im selben Moment, in denen die zwei Soldaten ihm zur Hilfe kamen, brach er in sich zusammen. Levindia stieß einen Schrei aus.
"Amaroth!"
Sie gab ihre kleine Prinzessin schnell an die Zofe weiter. Diese unbedachte Tat, sollte später die Prinzessin retten.
Levindia vergaß all ihre Erschöpfung und Ängste und stürzte zu ihrem König, der am Boden lag. Ein Soldat riss ein großen Stück Stoff von seinem Ärmel und verband, so gut es ging, die Wunde des Königs.
"Wir müssen die Blutung stoppen, sonst stirbt er!"
Niemand bemerkte, dass in der Zwischenzeit eine weitere Person den Raum betrat. Sie war in einen schwarzen Umhang verhüllt und versteckte sich in einer dunklen Ecke. Es war Cas, gewillt die Prinzessin an sich zu nehmen, doch die Zofe hielt sie in ihren schützenden Armen. Wäre er außerhalb der Schlossmauern, wäre es ihm ein Leichtes seine starken Fähigkeiten einzusetzen, doch das Schloss umgab eine positive Energie. Cas zog seine Energie aus Hass und Wut. Seine Quelle hatte in dieser Umgebung wenig Kraft.
Die Königin hielt ihren Amaroth in den Armen, weinte und flehte, dass er weiter leben sollte. Das seine Familie in brauchte. Die Zofe hielt den kleinen Prinzen bei sich und zog ihn in ihre Arme. Er sollte seinen Vater nicht sehen. Doch Caillou war klein, aber schlau. Er verstand schon, was um ihn herum geschah. Ihm fielen die Worte seines Vaters ein. Dass er seine Mutter und seine Schwester beschützen sollte. Es machte ihn traurig und wütend, dass er zu klein war, um etwas zu tun. Wütend. Die Quelle Cas Kraft. In seinem Versteck spürte er das Erzürnen des Kleinen und wandte einen leichten, nicht starken Zauber an, um dies zu verstärken. Caillou weinte bitterlich, denn seine Mutter hatte ihm gelehrt, das Wut kein gutes Gefühl ist und das Böse stärkt. Er weinte, denn er konnte nichts dagegen tun. Er spürte, wie die Wut in ihm wuchs. Die Wut auf sich selbst.
Die Gefühle des Kleinen gaben Cas wieder Kraft. Mit einem dunklen Lachen, im Umhang gehüllt, kam er aus seinem Versteck hervor.
"Euer Majestät, es ist mir eine Freude euch in einer solch verzwickten Situation beizustehen."
"Wer seid Ihr, was wollt Ihr?"
Levindia erhob sich königlich und sprach zu dem Fremden, der sich nun seiner schützenden Hülle entledigte.
"Eine Schande, dass ihr euren alten Freund nicht widererkennt, Levindia! Ich will eure Tochter! UND IHR WERDET SIE MIR GEBEN!"
Seine Worte hallten und donnerten erschreckend durch den Raum. Er lachte laut auf und streckte seine Hände empor. Blitze unterstreichten seine ausdrucksvolle Kraft. Er richtete sie gegen die Soldaten, die bereits ihre Schwerter gezogen haben. Sie ging sofort hernieder.
"Dein Sohn schenkt mir außerordentlich Kraft, meine liebste Levindia! Ich danke ihm dafür!"
Fassungslos und traumatisch erblickte Caillou den Zauberer. War das das Böse, vor dem Mutter ihn immer schützen wollte? Vor dem sie ihn gewarnt hatte? Und er gab ihm Kraft?
Cas richtete seine Handfläche gegen den Kleinen und zielte mit seiner Kraft auf ihn. Doch Levindias Mutterliebe war zu stark. Sie warf sich im letzten Moment zwischen den elektrizitierten Blitz und ihren Sohn.
"Caillou! Nein!"
Doch ihre Kraft kam gegen den Zorn Cas nicht an. Die Königin war für ihren Sohn gefallen. Der kleine Prinz sah alles. Er wollte weinen, doch er konnte nicht. Er wollte seiner Mutter helfen. Sie bewegte sich nicht. Sie lag dort, nur wenige Meter von ihm entfernt. Er fühlte sich an die Steine unter seinen Füßen gefesselt, vor Angst gelähmt. Mit lauten Schritten kam er auf ihn zu.
"Da hat sich deine Mutter für dich geopfert, obwohl du es nicht einmal würdig bist. Wie erbärmlich."
Caillou ahnte, dass der böse Zauberer noch einmal einen Blitz auf ihn richten wollte, doch stattdessen richtete er ihn gegen die Zofe und die kleine Prinzessin. Doch die Zofe erkannte seine Absichten, drückte die Prinzessin schützend gegen ihre Brust und kehrte Cas den Rücken. Die geladene Kraft wurde nicht an die Prinzessin weitergeleitet. Ohnehin war es nicht Cas Absicht sie zu töten, sondern ihr die Kräfte zu rauben. Er brauchte sie lebend.
Die Zofe lag am Boden, Prinzessin Mellicent lag am Boden und weinte herzzereißend. Der böse Zauberer steuerte auf sie zu, griff schon nach ihr, da durchfuhr ihn von den Füßen herauf ein Schmerz. Der kleine Caillou, dem er keine weitere Aufmerksamkeit mehr geschenkt hatte, trat ihm auf den Fuß. Ein leichter Angriff, ein einfacher Angriff. Doch mehr konnte er nicht. Er nahm seine Schwester in den Arm, rannte durch die Tür, die steinernen Treppen hinauf, so schnell er konnte. Cas war im dicht auf den Fersen. Caillou hatte das Ziel, seine Schwester in Sicherheit zu bringen. Vater hatte gesagt, er solle sie beschützen. Er konnte Mutter nicht beschützen, aber sie wird er in Sicherheit bringen. Er erinnerte sich, dass Königin Levindia ihm einen Raum im Schloss gezeigt hatte. Eine goldene Tür führte hinein und sie verbarg viele Portale zu allen Ländern. Wenn er es nur schaffte, durch ein Portal zu gehen. Vielleicht war sie dann in Sicherheit. Doch er wusste nicht wo dieser Raum lag. Sein Zuhause war so riesig und er so klein. Er rannte einfach, in der Hoffnung ihn zu finden. Mellicent weinte in seinen Armen.
"Ganz ruhig", schnaufte er.
"Ich bringe dich in Sicherheit, kleine Schwester!"
"Bleib stehen, du kleines törichtes Balg!"
Gezielt und schnellen Schrittes lief der dunkle Magier dem kleinen Prinzen hinterher und richtete immer wieder geladene Blitze auf ihn. Die Wände, Böden, Gegenstände trafen, aber nicht den Jungen. Als Caillou schnell um eine Ecke bog, lief er dem Priester in die Arme.
"Mein lieber Junge, komm mit mir", sprach er beruhigend aber sicher auf die Gefahr hinweisend auf den Jungen ein. Sie verschwanden hinter der nächsten Tür, ehe Cas ihre Stelle erreichte und sie erblickte. Taison nahm den Königssohn bei der Hand und führte ihn eine steinernde Trippe hinunter.
"Geht es der Prinzessin gut?"
"Sie weint doch ganz bitterlich."
"Aber ist sie verletzt?"
"Nein. Aber Mama und Papa."
"Ich werde mich um deine Eltern kümmern, aber zuerst müsst ihr beide in Sicherheit gebracht werden."
Sie erreichten das Ende der Treppe und der Priester deutete auf eine Türe. Auf eine goldene Türe. Der Raum der Portale!
"Schnell, geh und gehe durch ein Portal!"
"Aber durch welches?"
"Das ist unwichtig. Diese Portal führen alle in sicherere Reiche. Nun gehe endlich und suche Hilfe! Ich bleibe hier und halte ihn auf."
Mutig richtete Taison sein Zepter auf und stellte sich vor die goldene Türe, die sich hinter ihm Schloss.
Caillou hatte es mit Taisons Hilfe geschafft. Dieser Raum erstaunte ihn wie beim ersten Mal wieder. Er war für ihn groß. Größer als das Schloss und überall waren verschiedene Türen. Sie hatten verschiedene Muster, verschiedene Farben, verschiedene Griffe. Manche waren am Boden, manche hingen in der Luft und zu manchen führten Wege hinauf zu anderen Treppen. Der kleine Prinz ermahnte sich, nicht zu lange alles zu bestaunen. Er wählte eine Türe, dessen Farben ihm gefielen. Sie war azurblau mit lilalen Schnörkeln am Rand. Caillou musste sich auf Zehenspitzen stellen, um den goldenen Knauf zu drehen. Sie öffnete sich und ein dunkellilaner Strudel verfärbte sich zu einem bewegenden Bild. Dort waren viele glückliche Menschen zusehen. Sie lachten, aßen zusammen und gingen in große Gebäuden hinein. Er sah Wiesen mit bunten Blumen und grünen Bäumen. Ihm gefiel, was er sah.
"Da gehen wir hin, hörst du. Die sehen alle nett aus. Sicher werden sie uns helfen."
Doch als er zum ersten Schritt ansetzte, wurde der goldene Eingang aufgestoßen. Der Priester stürzte hinein zu Boden und Cas richtete seine Blitze auf ihn.
"Geh junger Prinz! GEH!", schrie Taison verzweifelt.
"Bringe dich in Sicherheit!"
Cas erblickte, dass Caillou seine Beute im Arm trug. Der Kleine folgte seinen Blicken und legte seine Schwester schnell in den widergekerhten Strudel.
"Ich komme gleich nach, versprochen!"
Imselben Moment richtete Cas seine ganze Energie auf den kleinen Prinzesin, aber Taison war schnell. Er bündelte seine letzte verbliebende Kraft und zielte auf Caillou.
"Sivintias!"
Der kleine Prinz verschwand.

Cas hatte den Kampf verloren, doch durch ihn fiel das Königreich Oran und das Schicksal der letzten Königsfamilie wurde besiegelt.
Prinz Caillou wurde nach Irul teleportiert, wo ein General sich ihm annahm. Königin Levindia verstarb bei der Rettung ihres Sohnes. König Amaroth verblutete, denn seine Hilfe wurde vom dunklen Zauberer getötet. Prinzessin Mellicent überlebte und wurde von einer jungen Frau auf der Erde gefunden, die nichts davon ahnte, dass in ihr tatsächlich das heilige Feuer schlummerte.
Anonym
Queen of Queens



Ich habe bisher nur den ersten Absatz gelesen, aber der klingt wirklich gut!
Ich würde dich bitten mir das noch mal per Mail zu schicken, würde dir die Tage dann ein umfassenderes Feedback schicken, falls du magst ^-^
Einhornpanda
Internationaler Star



Mucen Schrieb:
Ich habe bisher nur den ersten Absatz gelesen, aber der klingt wirklich gut!
Ich würde dich bitten mir das noch mal per Mail zu schicken, würde dir die Tage dann ein umfassenderes Feedback schicken, falls du magst ^-^

Ja gerne, freue mich über Feedback. ^^
JinMi
Straßenmusiker



Hallo Einhornpanda ,
ich habe mir dein sogenanntes "Kapitel 1 oder so." vollständig durchgelesen und muss sagen, dass ich ziemlich von deiner Schreibkunst fasziniert bin. Die Geschichte ist wirklich sehr spannend und detailreich geschrieben und als Leser bekommt man auch direkt ein Gefühl für die Story bzw. kann man sich es sehr gut vorstellen und wird mitgerissen (auf eine positive Art & Weise). Du kannst wirklich gut schreiben und hast auch eine blühende Fantasie, was dir mit Sicherheit auch bewusst ist, doch natürlich, wie bei jeder Geschichte, gibt es Kritikpunkte.
Die Idee an sich ist wirklich ausgezeichnet, doch meiner Meinung nach zu sehr an Disneys Filme angelehnt. Es hat einen Mix aus The Hunchback of Notre Dame, Sleeping Beauty und ein wenig auch aus Ashes of Love. Bitte verstehe es nicht falsch. In jeder Geschichte tauchen irgendwann mal gleiche oder ähnliche Szenen auf, doch hier in dieser Geschichte ist es mir besonders aufgefallen. Vielleicht auch nur, da ich sehr viele Geschichten lese und auch schon öfter "Feedback" gegeben habe und mir dadurch auch diese typischen "Disney Momente" geläufig sind. Es ist keine Schande diese Inhalte in deiner Geschichte zu haben, denn es ist trotzdem etwas ganz eigenes und großartiges, was du geschaffen hast. Nur wollte ich das loswerden, falls später, wenn du es vielleicht veröffentlichst, so welche Kommentare auftreten. 
Alles in allem aber trotzdem eine wunderbare Geschichte! ^-^
LG Mi Jin
Einhornpanda
Internationaler Star



JinMi Schrieb:
Hallo Einhornpanda ,
ich habe mir dein sogenanntes "Kapitel 1 oder so." vollständig durchgelesen und muss sagen, dass ich ziemlich von deiner Schreibkunst fasziniert bin. Die Geschichte ist wirklich sehr spannend und detailreich geschrieben und als Leser bekommt man auch direkt ein Gefühl für die Story bzw. kann man sich es sehr gut vorstellen und wird mitgerissen (auf eine positive Art & Weise). Du kannst wirklich gut schreiben und hast auch eine blühende Fantasie, was dir mit Sicherheit auch bewusst ist, doch natürlich, wie bei jeder Geschichte, gibt es Kritikpunkte.
Die Idee an sich ist wirklich ausgezeichnet, doch meiner Meinung nach zu sehr an Disneys Filme angelehnt. Es hat einen Mix aus The Hunchback of Notre Dame, Sleeping Beauty und ein wenig auch aus Ashes of Love. Bitte verstehe es nicht falsch. In jeder Geschichte tauchen irgendwann mal gleiche oder ähnliche Szenen auf, doch hier in dieser Geschichte ist es mir besonders aufgefallen. Vielleicht auch nur, da ich sehr viele Geschichten lese und auch schon öfter "Feedback" gegeben habe und mir dadurch auch diese typischen "Disney Momente" geläufig sind. Es ist keine Schande diese Inhalte in deiner Geschichte zu haben, denn es ist trotzdem etwas ganz eigenes und großartiges, was du geschaffen hast. Nur wollte ich das loswerden, falls später, wenn du es vielleicht veröffentlichst, so welche Kommentare auftreten. 
Alles in allem aber trotzdem eine wunderbare Geschichte! ^-^
LG Mi Jin

Dankeschön, es freut mich natürlich, wenn die Geschichte gut ankommt. Es wundert mich tatsächlich, dass es dich an typische Disney Momente erinnert, denn die Idee für die Geschichte kam mir schon als kleines Kind und wurde eher von Kinderserien wie damals Winx Club und die wilden Kerle (von den wilden Kerlen merkt man jetzt wahrscheinlich noch nichts) inspiriert. xD Widerrum wundert es mich dann aber doch nicht, weil es halt wirklich irgendwo einem Klischee entspricht. Eine Prinzessin, die geboren wird und wahrscheinlich auf der Erde aufwächst. Ich denke, dass es aber auch die Worte der Charaktere sind, die ins Klischee hinein rutschen. Also so, wie ich sie sprechen lasse hört man das ja auch oft in Filmen. So wie du sagst, oft in Disneyfilmen. :d
Einhornpanda
Internationaler Star



Habe eben das zweite Kapitel beendet und stelle es einfach mal rein. Vielleicht findet sich ja noch jemand, den es interessiert und der gerne eine Kritik schreiben möchte. :) Freue mich immer über Verbesserungsvorschläge und ehrliche Meinungen.

Kapitel 2 - erdenschönes Leben

Als ich noch ein kleines Mädchen war, ist meine Großmutter oft mit mir auf einen Spielplatz gegangen. Ich liebte es dort zu schaukeln. Dann fühlte ich mich frei, frei wie ein Vogel. Als würde ich fliegen. Damals schon liebte ich das Fliegen. Doch mit der Zeit wurde ich älter und irgendwann erinnerte ich mich nicht mehr an das Gefühl, frei zu sein. Erst als meine Großmutter verstarb, kamen mir all die schönen Erinnerungen mit ihr wieder in den Sinn. Ich träumte in der Nacht oft davon zu schaukeln, mit ihr zu lachen und Lieder zu singen. Die Zeit mit ihr war meine kostbarste Zeit gewesen. Sie fehlte mir unendlich als ich meinen 16. Geburtstag feierte.
"Mell! Aufstehen! Es ist schon Mittag!"
Ich grummelte und zog mir meine Decke über den Kopf als meine Mutter es wagte, die schwarzen Vorhänge an meinem Fenster beiseite zu schieben und die Sonne sich ihren Weg in mein Zimmer bahnte.
"Ich mag aber nicht."
"Aber heute ist dein Geburtstag."
Sie versuchte die Decke beseite zu legen und mir einen Kuss auf die Stirn zu geben. Doch ich hatte meine geliebte Decke fest im Griff und entkam ihrem Angriff.
"Ist mir doch egal, wenn ich an meinem Geburtstag nichtmal ausschlafen kann."
"Ausschlafen nennst du das? Wann bist du denn bitte ausgeschlafen?"
Entrüstet über meine Aussage stützte sie ihre Hände in die Seiten. Ich lugte vorsichtig unter meiner Bettdecke hervor.
"Heute Abend bin ich bestimmt ausgeschlafen", grinste ich sie breit an.
Mama konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und machte Anstalten das Zimmer wieder zu verlassen.
"Nun, unten warten Geschenke und ein Geburtstagskuchen auf dich. Wenn die Prinzessin sich soweit fühlt, kann sie ja die Treppen hinunter steigen und ihre Gäste feierlich begrüßen."
Sie schloss die Tür und ich war alleine mit der Sonne, die gefühlt fast mein Zimmer in Brand steckte. Eine Zeit lang hatte ich mir eingeredet, dass es in meinem Zimmer immer nur zur Sommerzeit so warm war, da ich ein Dachzimmer besaß und unser Haus nicht gedämmt war. Doch ich musste mir eingestehen, dass, egal wo ich mich befand, wenn die Sonne schien, es mir unendlich warm war. Deshalb hatte ich mir rabenschwarze Gardinen für meine Fenster gewünscht. Seitdem ich sie zuziehen konnte, fühlte ich mich sicherer und vorallem kühler. Ich musste mir eingestehen, dass ich nun mein schützendes Bett verlassen musste, um die Vorhänge wieder zuzuziehen. Also streckte und dehnte ich mich, purzelte aus dem und tapste schnell zum Fenster. Als die Gardinen wieder zu waren, fühlte ich mich schon viel besser und bereit für den Tag. Heute war ich 16 Jahre alt. Zumindest glaubte ich, meine Freunde und meine Familie das. Denn heute vor 16 Jahren war ich adoptiert worden und als dies geschehen war, war ich noch ein Baby, fast ein Neugeborenes. Deshalb können mein geglaubter und mein eigentlicher Geburtstag nicht so weit auseinander liegen. Meine Mutter fand mich an einem Bordstein liegend, eingehüllt in einer weißen Decke. Es war tiefste Nacht und ich soll bitterlich geschrien haben. Mama nahm mich mit und alarmierte das Jugendamt. Wer auch immer mich als kleines Baby an einem Straßenrand ausgesetzt hat, muss mich nicht sonderlich geliebt haben, deshalb habe ich auch nie irgendwelche Anstalten gemacht, meine biologischen Eltern ausfindig zu machen. Ich liebte meine Mutter, sie hatte mich großgezogen und mir Liebe geschenkt. Oft hat sie mich gefragt, ob ich es nicht doch herausfinden möchte und dafür war ich ihr sehr dankbar. Denn welche Adoptivmutter möchte ihrer geliebten Tochter helfen, ihre biologischen Eltern zu finden? Nur sehr wenige. Das einzige, was ich vermutlich von meinen biologischen Eltern habe, ist ein großes Muttermal an meinem rechten Unterarm. Es sieht fast aus wie ein Tattoo und reicht tatsächlich über den ganzen Unterarm. Es sind Schnörkel, verschiedene Muster, die ineinander laufen. Manchmal betrachte ich es und bilde mir ein, dass ich deshalb etwas Besonderes bin oder sein könnte.
Nachdem ich die Vorhänge zu gezogen hatte, öffnete ich leise meine Zimmertür und schlich ins gegenüberliegende Bad. Ganz leise, denn unser Flur war offen zum unteren Flurbereich, der nur mit einem Eingangsbogen zum Esszimmer grenzte. Ein Geländer hat mich als Baby daran gehindert, in den freien Tod zu krabbeln. Vor dem Spiegel im Badezimmer betrachtete ich mich. Ich sah so ganz anders aus, als meine Mutter. Was mich natürlich nicht wunderte, aber sie war hübsch. Und ich wusste nie so genau, ob ich das auch war. Meine Haare waren dunkelblond, fast goldblond, reichten mir bis knapp über die Schultern und in meinen Augen wiegte sich ein sanftes Grün. Manchmal verzweifelte ich an meinen Haaren, denn sie waren so dick und unbezähmbar, dass meine Haarbürste oft in ihnen verschluckt wurde und ich fast gewillt war, sie radikal abzurasieren. Aber sie gaben meinem runden Gesicht eine angenehme Form. Mama hingegen hatte warmes, braunes Haar und graue Augen. Sie fühlten sich fast eiskalt an, wenn ich wusste, dass ich Ärger bekam. Aber ihr Haar war bezähmbar und reichte ihr in einer liegenden Pracht bis zu ihren Hüften. Manchmal wünschte ich, ich sähe so aus wie sie.
Nach einer längeren Badsitzung schlich ich zurück in mein Zimmer, um mir zu überlegen, was ich zu meinem heutigen Tag anziehen sollte. Meine Wahl viel auf zwei Kleider, zwischen denen ich mich nun entscheiden musste. Das eine war ein trägerloses, schlichtes, rosanes Kleid, dass mir bis zu den Knien reichte. Das andere Kleid, war ebenfalls schlicht, aber mit dünnen Trägern und himmelblau. Ich liebte beide Farben. Meine Sorge bestand darin, dass man die Träger meines BHs sah. Und ich musste einen tragen, denn meine Oberweite war recht füllig. Nicht, dass ich damit ein ehrliches Problem hatte. Nur an Sommertragen, an denen die Wärme auf meiner Haut noch mehr brannte, als sonst, konnte es recht problematisch werden. Meine weiblichen Freunde wissen, wovon ich rede. Dabei sollte ich mir gar keine Sorgen um die Blicke auf meine Träger machen, denn es gab keine. Ich hatte die Angewohnheit, mir Gedanken über ganz unnötige Dinge zu machen. Sitzen meine Haare? Falle ich mit meinen Schuhen auf? Betonen diese Klamotten meine Figur zu sehr? Sicherlich gibt es noch andere Mädchen, die sich über solche überfälligen Dinge Gedanken machen.
Während ich mir über meine Gedanken bewusst wurde, entschied ich mich für das schöne hellblaue Kleid, denn es hatte Träger, die sich mit meinen zusätzlichen Träger vereinen konnten. Dazu zog ich weiße, knöchelhohe Socken an und verließ dann mein Zimmer. Als ich die knarrigen, alten Holzstufen hinab stieg, wehten mir schon die Worte und Rufe meiner Familie entgegen.
"Da ist sie! Mell, komm her, mein Geburtstagskind!"
Meine Tante, eine schrullige Dame, ganz anders als Mama, kam auf mich zu und knutschte mir mein Gesicht ab. Sie trug ihren bekannten Dutt, der sie viel älter wirken ließ, als sie eigentlich war. Sie war knapp über dreißig, doch trug sie einen langen, enganliegenden Rock und eine Bluse darüber. Sie vermittelt das Bild, das man vor Augen hat, wenn man sich eine ältere Dame mit Handtäschchen und Stöckelschuhen vorstellte. Gruselig. Wenn man bedenkt, dass sie nur wenige Jahre jünger war als meine Mutter.
Mein Onkel, der Ehemann, erhob sich langsam und schwer von seinem Stuhl. Er war recht füllig und erschien wie ein großer, dicker Bär. Seine knuffigen Wangen und sein warmer Blick verrieten seine liebevolle Art. Er drückte mich fest.
"Mensch, bist du groß geworden", lachte er.
"Ja, aber wenn du mich weiter so drückst, werde ich nicht mehr größer", meinte ich nach Luft ringend. Mein Onkel machte seinen Griff lockerer, um ihn dann ganz zu lösen.
"Es ist Zeit, die Geburtstagskerzen auszupusten."
Meine Mutter schnappte sich ein Feuerzeug und zündete alle sechszehn Kerzen auf meiner bunten Geburtstagstorte an. Es waren nicht viele Leute da, genau genommen hatte ich schon fast alle aufgezählt, die anwesend waren. Es gab noch unseren Nachbarn, er war schon recht alt und immer wie ein liebevoller Großvater zu mir gewesen. Er gehörte einfach zur Familie. Meine Familie ist nicht sehr groß, schrullig, doch eine Bessere habe ich mir nie gewünscht. Ich holte kräftig Luft, um die Kerzen wieder auszupusten. Vorher wünschte ich mir natürlich noch etwas, wie es sich an einem Geburtstag gehört. Ich wünschte mir, dass ich niemals die Vorstellung vergaß, dass meine Großmutter an meinem besonderen Tag bei mir war.
Nach der kleinen, aber feinen Geburtstagfeier, musste ich mit meiner Mutter nocheinmal in die Stadt fahren. Wir lebten abseits der Zivillisation, in einem kleinen Dorf. Hier gab es Kühe und Schafe, Hühner und Gänse. Es war schön. Ruhig und idyllisch, aber wenn wir so wie heute Einkäufe tätigen mussten, nicht gerade von Vorteil. Es war die letzte Sommerferienwoche und ich brauchte neue Schulunterlagen. In der Stadt, sie war nicht besonders groß, aber was man brauchte, gab es dort und sie war immerhin größer als unser Dorf, gab es ein Schreibwarengeschäft. Es gehörte einem schrulligen, alten Mann und wenn ich ein nackiger Amor mit Pfeil und Bogen wäre, hätte ich ihn und meine Tante wahrscheinlich schon längst mit unzählingen Liebespfeilen beschossen. Seine grauen Haare sahen aus wie ein gewolltes Vogelnest und gaben seinem Gesicht eine lange Form. Auf seiner Nase trug er eine runde Brille, die viel zu groß war. Immer wieder verutschte sie, sodass er dazu neigte, sie mit seinem Zeigefinger wieder auf ihrer Stelle zu positionieren. Meistens trug er ein altes Holzfällerhemd, dass seiner schlanken Figur überhaupt nicht schmeichelte und eine alte Schlaghose, die er sicher noch aus den 70er Jahren besaß.
Als ich die glasige Ladentür öffnete, bimmelte über mir ein kleines Glöckchen. Jedes Mal, wenn ich den Laden betrat, hatte ich das Gefühl, in einer überdurchschnittlichen großen Rumpelkammer zu stehen. Sein Klamottenstil war genauso unordentlich wie sein Ladensystem, aber er war ein freundlicher Geselle und seit Jahren besuchten Mütter mit ihren Schulkindern, Studenten und Co. seinen Laden. Ich denke, seine einfache Freundlichkeit machte die ewige Suche nach dem geeigneten Ordner wieder wett. Am Ende des Ladens stand eine holzige alte Theke mit einer alten Kasse darauf. Direkt dahinter führte eine immer geöffnete Tür ins Lager. Wenn man etwas wissen wollte oder nur ein kurzes Pläuschen halten wollte, musste man nach hinten rufen, denn er wurde immer von seinen unzähligen Kartons verschluckt.
"Franz?" Ja, so hieß er tatsächlich.
Als sich bei meinem ersten Rufen nichts tat, setzt ich nocheinmal an, aber lauter.
"FRANZ?" Ich lauschte. Kisten fielen um, man hörte Schritte und ein husten.
"Ja? Wer möchte etwas von mir?" Langsam aber sicher erschien er Türrahmen, lehnte sich dann auf die alte Theke und postionierte seine Brille neu.
"Ach, das Geburtstagskind. Naja, du magst ja nicht so einen Trubel.", sagte er ganz ironisch und lachte. Er nahm rechts von sich von einem kleinen Ausstellungspodest ein schwarzes, nichtssagendes Schächtelchen und stellte es mir vor die Nase.
"Du kannst es öffnen, wenn du magst. Kannst es aber auch sein lassen, wenn du magst."
"Franz! Du musst mir doch nichts schenken.", lächelte ich verlegen.
"Sprach die kleine Prinzessin!"
Ich nahm vorsichtig den Deckel von der Schachtel und erblickte ein wunderschönes Bettelarmband. Ich nahm es heraus und betrachtete es ausführlich. Es hingen kleine Schatztruhen daran. Schlüssen, die aussahen, als gehörten sie zu einer, die in einen verzauberten Raum führte und kleine Diademe mit noch kleineren Steinchen verziert. Ich fand, es war das schönste Geschenk, dass ich je bekommen hatte. Ich zog es eifrig an und brachte es mit viel Mühe zu.
"Gefällt es dir?", fragte mich der Wuschelkopf neugierig, immernoch ganz ruhig auf die Theke geschützt.
"Ja, es ist wunderschön! Ich liebe es!"
"Na dann habe ich es mal wieder getroffen." Franz lachte.
Er machte jedes Jahr jedem an seinem Geburtstag eine kleine Freude. Er kannte tatsächlich jeden in der Stadt und vergaß nie etwas. Keinen Namen, keinen Nachnamen, kein Gesicht zum Namen, keinen Geburtstag. Es war mir schon immer ein Rätsel gewesen, wie er sich all das merken konnte und wie er es schaffte, jedem eine Freude zu machen, der seinen kleinen Laden betrat. Ich weiß nicht, wie ich das Gefühl in seiner Gegenwart beschreiben sollte. Es hatte irgendwie etwas Magisches. Etwas Verzaubertes. Ich war einfach gerne hier.
Meine Mutter, die noch einen kurzen Abstecher bei dem Gemüse-Bio-Laden gegenüber gemacht hatte, erschien mit einem Bimmeln über dem Kopf. Sie sah nicht so aus, aber sie neigte dazu, auf gesundes Essen acht zu nehmen. Und mit gesundem Essen meine ich keine ausgewogene Ernährung. Nein, sie isst vegetarisch und redet sich ein, dass nur Bioprodukte gut und gesund sind. Leider ist bio nicht immer gleich bio. Aber was weiß ich denn schon als ungesunde Fleischesserin?
"Was sucht denn die junge Dame?"
Meine Mutter kam hinter mich, schwer bepackt mit zwei Stofftüten, denn natürlich verkauft kein guter Bioladen Plastiktüten für 10 Cent. Sie stellte die Tüten links und rechts neben sich ab und atmete erstmal tief durch.
"Schwerer als es aussieht. Meine Tochter hat eine Liste."
"Ich dachte, du hast sie?"
Mama schaute mich erschrocken an.
"War nur ein Spaß. Ich hab sie in meiner Jackentasche. Irgendwo."
Ich durchsuchte die Weiten meiner Jackentaschen, denn sowohl die linke Jackentasche, als auch die rechte Jackentasche waren beide eingerissen und wenn ich in eine hinein griff, konnte ich einmal rundherum durch das Innere meiner hellen Sommerjacke greifen. Irgendwo hinten, knapp über meinem flachen Popo konnte ich ein Stück Papier erhaschen.
Meine Mutter verdrehte innerlich die Augen und fragte sich, warum ich mir keine neue Jacke kaufte. Ich spürte es.
"Nein, ich kaufe mir keine neue Jacke, Mama", sagte ich deshalb bestimmend zu ihr.
"Mein Kind, könntest du bitte aufhören, meine Gedanken zu lesen?"
Hippelig faltete ich den kleinen, weißen Zettel auseinander, der mit Mamas unlesbarer Schrift beschrieben war. Franz rückte seine Brille zu recht und verziehte das Gesicht.
"Ohje. Ich dachte, hübsche Frauen haben hübsche Handschriften?"
"Das ist nur ein Klischee, Franz!", lachte meine Mutter laut.
Während meine Mutter ihre schweren Stofftaschen vernachlässigte und Franz dabei half, ihre eigene Schrift zu entziffern, schaute ich mich im Laden um. Bei Franz konnte man immer etwas Neues entdecken. Selbst, wenn man den Tag zuvor erst dort war. Wie ich schon sagte, es war wie verzaubert. Sehr magisch. Als ich mich durch die engstehenden Regale schlängelte und alles betastete, anschaute und durchsuchte, beobachtete ich die Leute heimlich, die am Ladenfenster vorbei liefen. Einer dieser Menschen, es war ein junger Mann, fiel mir ins Auge und ließ mich nicht mehr los. Ich weiß nicht was es war, aber ich konnte meine Blicke nicht mehr von ihm abwenden. Er stand einfach nur am Stadtbrunnen angelehnt da mit dem Blick auf das Display seines Smartphones. Aber wie er so da stand, zog mich seine Ausstrahlung in den Bann. Er hatte hellblondes Haar, aber nicht zu hell. Es erinnerte mich irgendwie an eine warme Honigfarbe. Seine Haare waren gerade solang, dass er sie hinten zu einem kleinen, kurzen Zopf binden konnte. Trotzdem lösten sich ein paar einzelne Strähnen und eine fiel ihm direkt ins Gesicht. Als er kurz aufsah machte ich hastig einen Schritt nach rechts, hinter eins der vollbepackten Regale und fiel dabei fast hinein. Total albern, wie ein kleines, verliebtes Mädchen, dass eben ihrem Schwarm einen Liebesbrief zugesteckt hatte. Als er aufsah, leuchteten seine blauen Augen hell. Zumindest kam es mir so vor. Vielleicht blickte er auch nur direkt in die Sonne. Er kratzt sich an seinem honigfarbenen Bart als er seinen Blick wieder auf das Display richtete. Mein Herz pochte wild als ich mich zurück zu Franz und meiner Mutter begab.
"Ist alles in Ordnung, mein Schatz?"
Mama strich mir eine blonde Strähne hinters Ohr, aber meine Haare waren zu dick, als dass sie dort blieb. Sie fiel mir wieder zurück, wieder fast in mein  Gesicht. Ich nickte nur leise und sah nochmal kurz zurück zum Fenster, doch von hier aus konnte ich ihn nicht mehr sehen.
Franz und Mama hatten inzwischen wohl alles auf dem Zettel entziffern können, denn er packte bereits einige Stifte, Mappen, Blätter und was man halt sonst so für ein neues Schuljahr brauchte, in eine große Tüte. Ein paar Bücher passten nicht mehr hinein und meine Mutter drückte sie mir in die Arme. Sie waren nicht schwer, aber bei der Wärme wie heute, spürte ich jetzt schon im kühlen Laden, wie sie mir gleich an meiner Brust klebten. Dabei fragte ich mich, welchen Sinn es hatte eine leichte Sommerjacke zu tragen, wenn ich schon bei dem kleinsten Sonnenstrahlen verglühte. Bei dem Gedanken muss mein Blick sehr komisch ausgesehen haben, denn Mama grinste, als sie mich ansah und konnte sich ein Lachen schwer verkneifen. Ich zwang mich schnell wieder normal zuschauen. Franz hämmerte auf seiner alten Kasse rum.
"Verflixt! Das olle Ding will schon wieder nicht."
Er bückte sich unter den Thresen, wobei seine Brille fast von der Nase fiel. Es gruschelte, donnerte, weil er sich beim hochbücken den Kopf anstieß.
"Oh Gott, Franz. Geht es dir gut?"
Er lachte und hielt sich den Kopf.
"Jaja, geht schon. Passiert mir öfters."
Der Kulli in seinen Händen machte einmal "klick" und er setzte zum Schreiben an.
"So... dann wollen wir mal sehen..."
Mama beugte sich zu mir hin.
"Mell, kannst du nochmal eben rüber gehen und Zucchinis holen? Die habe ich für das Abendessen vergessen."
Ich verzog so sehr das Gesicht, dass es mir schmerzte. Zucchinis? An meinem Geburtstag? Ist ja abartig.
"Auch an ihrem Geburtstag muss die Prinzessin gesund essen."
"Gesund ist aber nicht lecker", protestierte ich.
Meine Mutter ließ keine weiteren Widerworte zu und ignorierte einfach meinen Protest. Widerwillig schritt ich mit den Büchern in meinen Armen zur Türe und wollte gerade den Griff hinunter drücken, als ich mitten in der Bewegung inne hielt. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz stolperte. Durch die Glastüre, durch die großen Ladenfenster sah ich den blonden Mann stehen. Er sah mich an. Ich sah ihn an. Seine blauen Augen ließen mir einen kalten, aber angenehmen Schauer über den Rücken fahren. Diese schönen Augen... Es war, als würde eine Ewigkeit vergehen, bis er sich endlich umdrehte und den Bioladen verschwand. In den Bioladen. In den Bioladen? Nicht in den Bioladen.
Ich wollte unbedingt in den Laden hinüber und ihn ansprechen. Aber ich wollte auch unbedingt nicht den Türgriff hinunter drücken und mich auf der Stelle hinter dem nächsten Regal verstecken.Was sollte ich bloß tun? Warum musste Mama ausgrechnet heute Zucchinis haben wollen? Warum musste sie sie vergessen? Und WARUM musste ich jetzt dort hinüber gehen? Es war vermutlich ein sehr interessantes Bild, wie ein junges, blondes Mädchen regunglos an einer Tür stand, die rechte Hand immernoch auf dem Türgriff liegend und einen Bioladen anstarrte.
"Also gut, Mell. Du kannst das. Es ist nur ein Mann. Er ist nur ein Mensch."
Ich weiß nicht genau, ob ich das laut oder leise zu mir sagte. Aufjedenfall sagte ich es, aber es beruhigte mich nicht. Und die Tatsache, dass es mich nicht beruhigte, beunruhigte mich nur noch mehr. Bitte lieber Gott, mach, dass er verschwindet. Mach, dass er sich in Luft auflöst. Irgendwas, aber mach was. Ist es übertrieben, dass ich innerlich zu Gott sprach, obwohl ich ziemlich anzweifelte, dass er existierte? Ja, ist es. Heilige Mutter Gottes, drück jetzt diesen Türgriff runter! Und dann tat ich es. Ganz langsam setzte ich einen Schritt vor den anderen, wohlwissend, dass vor mir eine kleine, feine, steinerne Treppe lag, die ich auf der Stelle hinuntergepurzelt wäre, würde ich mich in solch einer prekären Situation nicht konzentrieren. Ich hielt meine neuen Schulbücher fest im Arm und steuerte die grasgrün gestrichene Tür des Ladens an. Ich war nur noch wenige Schritte davon entfernt, als die Tür hastig aufgerissen wurde und jemand direkt in mich heinlief. Ich landete mit meinem Popo auf den heißen Steinen am Boden. Meine Bücher lagen zerstreut vor meinen Füßen, manche aufgeklappt, manche geschlossen. Ich verziehte das Gesicht, denn der Aufprall war ziemlich hart gewesen und mir fuhr der Schmerz den Rücken entlang. Als ich auf eine ausgestreckte Hand sah und diese über einen leicht muskolösen Arm zum Gesicht hin betrachtete, blieb mir fast der Atem stehen. Natürlich war ausgerechnet er in mich hineingelaufen. Und natürlich hielt ausgerechnet er mir nun die Hand hin, um mir aufzuhelfen. Er lächelte mich an. Es war ein warmes, freundliches Lächeln.
"Entschuldige, ich hab dich nicht gesehen. Geht's dir gut? Hast du dich verletzt?"
Ich blieb auf der Stelle sitzen und sah ihn einfach nur an. Ich rührte nichtmal eine Hand, um sein Angebot, mir hochzuhelfen, entgegen zu nehmen. Als ich nichts tat, fing er an meine Bücher einzusammeln. Dann erst schaffte ich es, mich in Bewegung zu setzen. Schnell griff ich ebenfalls nach einem der Bücher. Wieder natürlich musste es das Buch sein, dass er sich eben auch nehmen wollte. Ich berührte mit meinen Fingerspitzen leicht seinen Handrücken und wich zurück. Wir sahen beide auf, er lächelte erneut und richtete sich auf. Das Buch ließ er liegen, damit ich es mir nehmen konnte. Schnell richtete ich mich ebenfalls auf und strich mir eine dicke Haarsträhne hinters Ohr, welche sich sofort ihren Platz im Gesicht zurück ergatterte. Das tat ich immer, wenn ich nervös war. Entweder das oder ich fing an eine Haarsträhne zu zwirbeln. Mir passierte es auch gelegentlich, dass ich im Gesicht rot an lief wie eine reife Tomate. Ich betete, dass das jetzt nicht vorkam.
"Hier." Er reichte mir meine Bücher und ich nahm sie wackelig an. Eins fiel mir fast wieder runter.
"Warst du nicht das Mädchen, das eben im Laden dort war?", fragte er und deutete auf Franz' Schreibwarengeschäft. Oh Gott! Er hat mich dort gesehen! Peinlich!
Ich räusperte mich und hustete kurz, um meine Stimme wieder zu finden.
"Ähm... ja schon. Glaub ich."
"Glaubst du?" Sein Grinsen breitete sich fast über sein rundes Gesicht aus. Es war fast so rund wie der Mond. So rund wie meins. Aber nur fast. Seine Wangen waren nicht so knuffig wie meine.
Er streckte mir seine Hand erneut entgegen.
"Ich bin Matze."
Ich versuchte die Bücher mit einer Hand festzuhalten, was mir in dieser Situation relativ schwer fiel und schüttelte ihm nervös die Hand.
"Mellicent", sagte ich leise, kaum hörbar. Aber er verstand es trotzdem. Er wiederholte meinen Namen sogar.
"Mellicent... ein schöner Name. Tur mir leid, dass ich dich umgerannt habe."
"Schon gut. Ich... also. Meine Mutter braucht Zucchinis."
Als sich die grüne Ladentüre mit einem leisen Bimmeln hinter mir schloss, blieb ich erstmal stehen und hielt inne. Ich hatte das Gefühl, dass mir mein Herz jeden Augenblick aus dem Brustkorb springen würde. Es hämmerte wie gegen eine Wand. Als sei es in einem Gefängnis und möchte unbedingt ausbrechen. Meine Knie waren zittrig, weich wie Butter. Er hatte mit mir gesprochen! Gut, er hatte mich zu Boden geworfen und mir würde mein Allerwertester noch in vielen Wochen schmerzen, aber er war freundlich und hilfsbereit gewesen. Ich wünschte, ich hätte mit ihm reden können. Ich wünschte, ich hätte nicht sofort die Flucht erschlagen. Doch in der Gegenwart von Jungs, von Männern, pochte mein Herz immer ganz wild. Wenn ich mich hingezogen fühlte oder mich sekündlich verliebte, pochte es nur noch mehr.
"Kann ich dir helfen?"
Eine junge Frau, sicher nicht älter als dreißig, kam mit einem freundlichen, offenen Lächeln auf mich zu. Ihre hellen Haare waren zu einem leichten Zopf geflochten. Einige Strähnchen lösten sich und gaben der Frisur etwas Wildes. Ihr Lächeln war das einzige Make-Up, das sie trug und ein leichtes, sommerliches Trägertop mit einer weiten Hose versteckten ihre schlanke Figur und ihre zierliche Oberweite.
Ich sah sie erst verwirrt an und suchte nach Worten.
"Ähm... ja. Ich... brauche Zucchinis."
"Wieviele denn?"
"Zwei? Glaube ich..."
Mir fiel ein, dass mir meine Mutter keinen Cent zum Bezahlen mitgegeben hat. Ich durchstöberte erneut die Weiten meiner Jeansjacke und fand mein rosa Portmoinee. Die Verkäuferin gab mir zwei frische Zucchinis in die Hand, die ich auf meinen Büchern positionierte und hoffte, dass sie mir nicht herunterfielen und bezahlte sie. Bevor ich den Laden wieder verließ, versicherte ich mich durch ein kleines Bogenfenster an der steinigen Wand, dass der blonde Schönling verschwunden war. Hastig wollte ich die alte Straße überqueren, zurück zum Schreibenwarengeschäft, als ich meine Mutter ein Stückchen entfernt an ihrer alten Ente sehen stand. Sie winkte mir zu und deutet mir, dass ich zu ihr kommen sollte. Es war mir immer ein bisschen peinlich, wenn meine Mutter stolz an ihrem Wagen stand. Nicht nur, dass er alt war. Er sah wirklich aus wie eine Ente. Quietschgelb. Eigentlich besaß Mama zwei Autos. Aber am liebsten tuckerte sie mit der alten Karre durch die Gegend. Ich öffnete mit einer Hand und einem Bein die Beifahrertür, da sie doch recht groß und schwer war. Bevor ich einstieg, warf ich die Bücher und die Zucchinis einfach auf die Rücksitze und mit einem hörbaren Knall fiel die Tür wieder zu.
Am Abend lag mir das Essen schwer im Magen und ich verkroch mich in mein Zimmer. Ich lag auf dem Rücken und starrte an meine Sternendecke. Als ich noch klein war und wir hier eingezogen waren, hatte ich mir unbedingt eine Decke mit leuchtenden Sternen gewünscht. Meine Mutter hatte damals alles Geld zusammen gekratzt, das sie finden konnte, um mir diesen Wunsch zu erfüllen. So war es schon immer. Wir waren nicht reich, auch nicht arm. Trotzdem hatte Mama mich adoptiert und mir ein schönes Leben geboten. Sie hat mir beigebracht, dass man sich auch mit wenig Geld Träume erfüllen kann und glücklich leben kann. Sie hat mir immer gesagt, als sie mich gefunden hat, hat sie sich einfach in mich verliebt. Ich war klein, unschuldig und sie konnte nie verstehen, warum ich dort auf der Straße gelegen hatte. Warum man mich ausgesetzt hatte.
Während ich an meinen eigenen Sternenhimmel schaute, dachte ich, wie schön der Tag heute begonnen hatte und wie aufgregend er geendet hat. Ich dachte an meinen Geburtstagskuchen, dass ich wieder ein Jahr älter geworden war. An meinen Onkel, an meine schrullige Tante. Dann dachte ich ihn. An den Mann, der mich umgeworfen hatte. Wie war sein Name? Matze... ich schloss die Augen und sah ihn bildlich vor mir. Seine Augen, seine Haare, seine Hände. Seine Lippen... während ich über den Tag und über Matze nachdachte, öffnete ich nicht mehr meine Augen und schlief irgendwann seelenruhig ein.
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