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Geschichten und Rollenspiele < Virtual Popstar Erste | Zurück | Seite:
[PRS] WITH YOU I LOVE
Anonym
Straßenmusiker



Lydia

Mühsam riss sie sich aus seinem festen Griff los. Er war so intensiv gewesen, sprach so fordernd auf sie ein, dass es sie fast beängstigte. Ihr Mund war trocken, der Blick gen Boden gerichtet. Wo sollte sie nur anfangen? Wie sollte sie nur anfangen? 
"Caleb... ich..." Aus dem Zimmer, in dem Trish vor einigen Minuten verschwunden war, kam lautes männliches Schreien. Ihr Kopf war ein einziger Knoten. Die Tür sprang auf und eine wütende Brünette rauschte wortlos an den beiden vorbei nach draußen. Stille. Alles überkam Lydia so urplötzlich, ihre Knie gaben nach, doch hinter ihr stand zu ihrem Vorteil ein Stuhl, sodass sie sich darauf niederlassen konnte. Leere. Nur dieses nervöse Rauschen in ihren Ohren. Zittrige, schwitzige Hände. Verschnellerte Atmung. Und immer noch der gleiche zerquälte Blick. Sie ballte Fäuste.
"Nachdem... nachdem du weggefahren warst hab' ich Juan nicht wieder gefunden. War wie vom Erdboden verschluckt." Stets blickte sie nicht auf, es war nicht zu überhören, wie nervös sie war, denn es war, als wäre ihre Kehle zugeschnürt. "Er tauchte erst am nächsten Morgen wieder auf, völlig verkatert... und... und wir haben geredet..." Jede Faser ihres Körpers schien angespannt. Das war definitiv auch Caleb zu verdanken, denn er war nicht so unterstützend, wie sie es erhofft hatte. In ihrer Vorstellung hatte er sie in den Arm genommen und sie beschwichtigt, ihr versichert, sie nicht unter Druck zu setzen. Jedoch war das genau das was er tat. Dennoch musste sie es sagen. Dann war er eben nicht so wie in ihrer Vorstellung. 
Sie merkte erst viel zu spät, dass sie still geworden war, als Caleb vor ihr niederkniete. Nervös spielte sie mit ihren Fingern. "Er... ich..." Kein vollständiger Satz kam über ihre Lippen, so viel war passiert. Sie musste sich schnell fangen, sonst würde das ganze böse enden. 
In ihrem Unterbewusstsein vernahm sie das dumpfe Schlagen aus Juans Raum, der vermutlich seinen Boxsack malträtierte. Das rhythmische Klopfen steigerte ihre Nervosität immens. Bitte, hilf mir. Irgendwer. Aber nichts geschah. Ihre Gedanken kreisten wie verrückt, sie vernahm so viel auf einmal und doch nichts, es war, als hätte jemand den Stecker gezogen, den Stöpsel aus einem warmen Bad und nun war sie da, fröstelnd, alleine, verwundbar. Das Fass drohte überzulaufen, alle Nerven waren bis auf's Äußerste überspa-
"Juan hat mir seine Liebe gestanden." 
So hatte sie es einfach herausgeplappert. Ohne Vorwarnung, ohne darüber nachgedacht zu haben. Verdammt. "A-aber ich liebe ihn nicht und das hab' ich ihm auch gesagt! Ich meine... klar ich liebe ihn so, als Bruder, als besten Freund. Aber nicht so... ach, ich hab' doch eh keine Ahnung, wie sich romantische Liebe anfühlt." Ihre Ellbogen hatte sie auf ihren Oberschenkeln abgestützt, die Stirn lag in ihren Handflächen. "Es ist nur... wenn du mich küsst, ist das anders als bei irgendwem sonst. Meine Hände werden schwitzig und ich hab' so ein komisches Gefühl im Bauch, als müsste ich kotzen... ich... ich kann es nicht mal beschreiben." Kurze Pause. "Gott, Caleb... irgendwas passiert mit mir und ich weiß nicht was es ist! Und es macht mir solche Angst. Wieso kribbelt's überall, wenn du bei mir bist? Wieso denk ich pausenlos an dich? Wieso waren diese zwei Wochen die schlimmsten überhaupt für mich?!" Ihre Stimme wurde immer kratziger. Sie fühlte sich wortwörtlich elend. All diese neuen Umstellungen verunsicherten sie so sehr. Doch sie brachte es noch immer nicht über's Herz, aufzusehen, vor allem nicht nach dieser kleinen Offenbarung. Sie sprach nie gerne über Gefühle und hoffte einfach, dass Caleb nicht in schallendes Gelächter ausbrechen würde.
Anonym
Popstar



[Caleb]

Was sich in den darauffolgenden Sekunden zugetragen hatte, übertraf seine Vorstellungen in völlig neuen Dimensionen, doch ein unangenehmes Gefühl hatte ihn bereits vorgewarnt. Er hörte ihrer kraftlosen Stimme zu, wartete in den vielen Pausen überraschenderweise geduldig ab, ignorierte ablenkende Hintergrundgeräusche, minimierte seine Körpergröße, um ihr mehr Stabilität zu geben, mehr Sicherheit, mit ihren Schilderungen, die sie allem Anschein nach so lange in sich zurückgehalten hatte, fortzufahren. Diesen riesigen Brocken, dieser Ballast aus Kummer und negativen Gedanken musste sie von ihrem Herzen abwerfen, es vor seinen Augen ausschütten — das war Calebs Ansicht zu diesem Dilemma, und es war nicht gerade wenig, was er von ihr abverlangte. Für ihn schien es jedoch der einzig richtige Ansatz gewesen zu sein, mit diesem Problem umzugehen und das Gleiche von ihm erwarten zu dürfen. Sollte es zu der Gelegenheit kommen, dass Caleb an der Reihe war, Bruchstücke von scharfen, blutverschmierten Glasscherben seines Mosaiks aus intimen, zum Teil verwischten Bildern der Vergangenheit freizulegen, würde er Lydia mit keinem einzigen Detail verschonen, brutale, herzzerreißende Wahrheiten würde sie erfahren, die Caleb zu dem gemacht haben, der heute vor ihr kniete.
Schrecklicherweise verschonte sie ihn genauso wenig, denn ihre Worte schnitten ihm grässlich durch seine Gedanken, schürften all sein geheiltes Gewebe auf, vervollständigten das vorhergesehene, irrationale Bildnis Juans. All die Spekulationen über ihn, all die heimlichen Analysen seines Erscheinungsbildes, die ausgetauschten Nachrichten mit Lydia zu diesem Thema, seine Befürchtungen. Juan hatte ihr seine Liebe gestanden. Die Bestätigung einer Tragödie, dessen Ausmaß allen noch unbekannt war.  Caleb blinzelte, registrierte halbherzig ihre lieb gemeinten Geständnisse, aber es hatte ihn getroffen. Ihm funkte jemand Unerwünschtes dazwischen, nahm dem Paar das beflügelnde Erlebnis der ersten Liebeserklärung, die noch verborgen in der gemeinsamen Zukunft lag. Es ließ ihn nicht los, sein Blick schweifte glanzlos durch die Gegend, während eine bemühte Lydia sein Herz zurückzuerobern versuchte. Aus seiner hockenden Position machte er keinen zerwühlten Eindruck, doch innerlich malte Caleb sich auf jede erdenkliche Weise aus, was Juan ihr gesagt haben könnte: ­›Ich liebe dich, Lydia. Ich liebe dich so sehr, wie dein Macker es nie tun wird. Ich liebe dich länger. Ich liebe dich überall. Ich liebe dich—‹
Das Gefühl war nicht zu beschreiben. Es war keine Eifersucht, die er in diesem Moment empfand, kein verletzter Stolz, welcher sich vermutlich durch beleidigtes Abtreten geäußert hätte. Vielmehr war es Enttäuschung, die er in seiner Magengrube spürte. Eine erbärmliche Enttäuschung, dass sie es zuerst aus Juans vernunftwidrigem Mund hören musste, wie seine klägliche Stimme ihre Wahrnehmung zu manipulieren versuchte. Unfassbar. Caleb war nicht mehr wiederzuerkennen.
Stille kehrte wieder ein, am Ende blieben ihm vereinzelte Fetzen in seinem Kopf hängen. ›Kotzen‹ hatte er gehört, ein Reflex, was sicherlich bei dem Gedanken an Juan in ihm ausgelöst wurde. Es war sowas von lächerlich gewesen, dass er nicht umhinkam, als verzerrt in sich hineinzulächeln, was nicht schön anzusehen war. Dann suchte er ihren Blick von unten, legte seine Hand auf ihr erholtes Knie, fand keinen richtigen Anfang. Ihm fehlten die Worte, und jede erdenkliche Reaktion wäre in Chaos ausgeartet, würde er nicht haargenau auf seine Wortwahl achten. Es kostete ihn eine Unmenge an starken Nerven.
»Lydia...«, entglitt es ihm über die Lippen, ihr Name wurde durch ein anschließendes Seufzen erstickt. Wo nur anfangen? »Das... wow«, stieß er nun hervor, schüttelte in aller Ungläubigkeit den Kopf, »Ich glaube das nicht. Ich habe es gewusst, und kann es trotzdem nicht glauben. Die ganze Zeit habe ich mich gefühlt, als hätte ich mich zwischen etwas gestellt, etwas, das vorher schon da gewesen ist. Und gerade ist es so, als hätte ich eure heile Welt zerstört, die Stimmung zwischen uns ist seit einigen Minuten so seltsam, und ich habe es verdammt nochmal gewusst, dass er so ist.« Caleb musste seinen Verdacht mehrere Male betonen, um Lydia zu verdeutlichen, worin er sich mehr als sicher gewesen war. »Ich habe mich wirklich gefragt, ob du mir etwas verheimlichst, egal, wie klein die Sache ist. Ich habe seine störenden Anrufe in Kauf genommen— Scheiße, ich ließ mich sogar von diesem Bastard schlagen, ich habe dich damit so oft es ging in Ruhe gelassen, habe dieses verdächtige Gefühl immer ignoriert. Und ich weiß jetzt, wie viel er dir bedeutet, mir ist das jetzt klar«, seine Gestikulation war unruhig, verlieh seinen Worten den nötigen Ausdruck, »doch sag' mir jetzt, Lydia, was du an meiner Stelle machen würdest! ›Ach, schon gut, baby, das macht mir nichts aus‹? Wir haben uns auf etwas eingelassen, Lydia. Wir verändern uns. Ich nehme das hier total ernst, und trotzdem sehe ich dich weinen, wusste nie, ob du dich freust oder unglücklich bist.«
Das schwerfällige Seufzen war wieder zu hören, unaufhaltsam sprudelten die Worte aus ihm heraus. Ob er damit alles schlimmer machte oder sie ein stückweit doch zur Besinnung brachte, würde sich bald herausstellen. Ihm brannte noch eine Sache auf der Zunge: »Wenn ich du wäre, würde ich jetzt entscheiden, was dir einfacher fällt. Ich bin hier, in Kanada, bei dir, für dich. Juan ist dein bester Freund. Eigentlich kannst du beides haben, aber ich kann dir auch ein bester Freund sein. Du kannst ein paar Jahre gegen zwei Wochen eintauschen, oder eben nicht. Juan und ich, das funktioniert nicht. Du wirst nicht zwei Männer gleichzeitig lieben können.« Übertrieben? Unzumutbar? Ein Ultimatum? 
Anonym
Straßenmusiker



Lydia

Verdammt, verdammt, verdammt! Was wurde das da gerade?! Lydia verstand nicht einmal, was Caleb mit seinen Worten überhaupt erreichen wollte. Wollte er, dass sie sich schlecht fühlt? Dass sie sich zwischen Juan und Caleb entscheiden musste? Ihr entwich ein Seufzen. 
"Caleb...du..." Nervös musste sie lachen, stand auf und verschränkte die Arme. "Was soll das jetzt? Glaubst du echt, ich entscheide mich jetzt zwischen einem von euch beiden?" Gekränkt stieß sie die Luft aus, trat einen Schritt von ihm weg. Offenbar war er wirklich nicht der, für den sie ihn hielt. "Du verstehst mich offenbar nicht. Juan ist für mich wie ein Bruder. Würdest du dich zwischen deinem Bruder und mir entscheiden wollen? Mal ganz davon abgesehen, dass der Druck es nicht viel besser macht." Ihre Stimme wurde immer energischer. "Glaubst du, das ist leicht für mich? Scheiße, ich hab' mich noch nie auf sowas eingelassen, ich kann doch auch nichts dafür!" 
Sie fühlte sich allemal ungerecht behandelt. Da gestand sie ihm etwas und er reagierte so? Schweren Herzens musste sie zugeben, dass er sie eben doch nicht kannte, denn dann hätte er gewusst, wie schwierig solche Themen für sie waren. Energisch schüttelte sie den Kopf. "Vielleicht ist es ja meine Schuld! Vielleicht bin ich es, die alles antreibt. Aber weißt du wieso? Weil mir das wichtig ist, weil du mir wichtig bist."
Auf seinem Gesicht war keine Reaktion zu erkennen. Ihr Gesichtsausdruck spiegelte seinen bloß wieder. Die Situation war schon wieder so verdammt verdreht! "Caleb. Juan hat versprochen, dich in Ruhe zu lassen. Ich habe ihm erklärt, dass die Situation für mich schwierig ist und er hat es verstanden. Ich hab' ihm gesagt, dass ich bei dir sein möchte. Bedeutet dir das denn gar nichts? Bedeutet es dir überhaupt irgendwas? Weißt du, ich habe einfach das Gefühl, dass mir das ganze näher geht als dir. Verstehst du überhaupt, wie schwer es mir fällt, über meine Gefühle zu reden? Eine Beziehung einzugehen? Warum? Genau deswegen. Weil ich Angst habe vor Momenten wie diesen." 
Offenbar waren Beziehungen doch nicht so sehr Herzchen und Blümchen wie in den Romantikkomödien, die sie wegen Trish immer sehen musste. Was war es dann? 
Ein Seufzen flüchtete über ihre Lippen, als sie enttäuscht ihren Blick aus dem Fenster warf. "Und schon wieder... Ich... Gott, ich will nicht dass es so ist! Bin ich dir zu kompliziert?" Hoffnungslos richtete sich ihr Blick wieder auf ihn. Ihre Wut war Bedauern gewichen. Immer wurde die Stimmung zerstört, durch irgendwas. Doch dieses Irgendwas gab ihr das Gefühl, dass sie der Auslöser dafür war. Wäre dem so, würde sie es sich nie verzeihen.
Anonym
Popstar



[Caleb]

Regungslos stand er an Ort und Stelle, bündelte seine gesamte Aufmerksamkeit auf die winzigen Nuancen, die in Lydias Stimme steckten und diese bei jedem Gefühlsumbruch veränderten, um in Caleb genau die Emotionen hervorzurufen, die ihn die Ernsthaftigkeit ihrer Worte erkennen ließen. Bei Gott, dass sie sich ihm unentwegt öffnete und ihm eine Sache nach der anderen gestand, bedeutete ihm viel mehr, als sie sich vorstellen konnte. Dass er bereits eine wichtige Rolle in ihrem Leben darstellte, nahm er nicht als eine Selbstverständlichkeit an. Er wollte Lydia nicht dabei zuhören, wie sie sich unnötigerweise mit Selbstvorwürfen quälte, seine benutzten Argumente nun argwillig gegen ihn verwendete. Er suchte den Frieden, brauchte die Balance zwischen den beiden gegensätzlichen Polen. So stark sie ihn an sich zog, so stark stieß sie ihn im selben Moment wieder ab. 
Gefasst und ruhig fuhr er sich mit seiner Hand über das Kinn, beobachtete indes ihren wild gewordenen Körper. Nicht, dass ihre körperliche Aktivität zunahm, sondern ihre Ausstrahlung immer unkontrollierter von ihren Gedanken gesteuert wurde. Weniger Wärmeabgabe, mehr Kälte. Etwas, was Caleb an Lydia nicht gerne sah. Aus dem Grund musste er die Führung des Gesprächs übernehmen, um die Stimmung nicht ein für alle Mal zu verderben. Zwar bewies er darin nicht unbedingt seine Stärke, doch er durfte den bestehenden Tatsachen nicht mehr Gewicht zuteilen, durfte Juan nicht mehr Bedeutung zumessen, als er sie schon zu Genüge besaß. Das Chaos in seinem Kopf war hektisch und lästig, doch er musste die Überwindung, die gefordert wurde, um der übergreifenden Situation ohne persönliches Werturteil zu begegnen, akzeptieren. An den Gefühlen ihres kolumbianischen Mitbewohners würde sich in Zukunft nichts ändern, Calebs Gefühle für Lydia hingegen wandelten sich kontinuierlich, drohten in naher Zukunft noch gewaltiger und wichtiger zu werden. Juans Geständnis war nicht einfach für den hochgewachsenen Blonden einzuordnen, es machte ihn skeptisch und das besagte Versprechen, dass Ersterer sich nicht mehr einmischen würde, war noch unglaubwürdiger. Gerade zu Anfang war das Vertrauen füreinander ausschlaggebend für die Stärke ihrer emotionalen Bindung, und Caleb hatte es sich längst in Lake Louise zur Pflicht gemacht, seine liebevolle, aber unsichere Lydia mit all ihrem vielfältigen Repertoire wertzuschätzen. Er verehrte sie jeden Tag, war sich stets bewusst, dass beide etwas in sich trugen, womit der andere jeweils noch nicht umgehen konnte. In dieser Beziehung dazuzulernen gab ihm einen größeren Anreiz, die Geschichte niemals beenden zu wollen, Lydia so lange es ging an seiner Seite zu sehen — beim Einschlafen, beim Aufwachen, in jeder Lebenslage. Das waren Gedanken, die ihm durch den Kopf kreisten, als er vor wenigen Tagen in Seattle in seinem Apartment lebte, sich die Zähne putzte, den Kaffee aufsetzte, den Kühlschrank einräumte. 
Er konnte ihr einfach nichts vorwerfen. So, wie er zuvor nicht wissen konnte, dass sie nicht ohne Umstände über ihre Gefühle sprach, so wenig konnte sie wissen, warum er alle Aspekte einer funktionierenden Liebesbeziehung vergessen hatte. Warum er ebenfalls kein unproblematischer Liebhaber sein würde. Nichts davon hätte Lydia in diesem Augenblick erfahren, es wäre eine überragende Masse an Empfindungen gewesen. Also musste Caleb sich mit beiden Handflächen den Nasenrücken halten, die Augen schließen und sobald ihr Satz zu Ende gesprochen wurde, nahtlos daran anknüpfen. Ach, Lydia. Wenn du nur wüsstest—
»Wenn du nur wüsstest, wie mir das irgendwas bedeutet.« Der Blick öffnete sich, musterte die Details in ihrem wenige Schritte entfernten Gesicht. Geschätzt drei Meter räumliche Distanz lag zwischen ihnen, sie stand viel zu weit vom ihm entfernt. Seine Hände ließ er achtlos fallen, formte einen neuen Gesichtsausdruck. »Darf es denn nicht kompliziert sein, Lydia? Ich habe dich zwei Wochen nicht gesehen, wir haben uns nur Nachrichten geschickt. Heute war ein absoluter Spitzentag für mich, als ich dich wieder gesehen habe. Ich... brauchte einfach die Nähe zu dir«, seine Hände demonstrierten bei den Worten nun bildhaft, wie sehr er sie brauchte, »und ich stehe hier mit dir und muss mir so viele Gedanken über ihn machen?« Wahllos zielte sein ausgestreckter Arm kurz in eine beliebige Richtung, in welcher er Juans Zimmer vermutete, blickte in Lydias wässrige Augen, wusste nicht, wie er sie besänftigen konnte. Es schmerzte in seiner Brust.
»Bevor du etwas sagst...«, fing er langsam an, näherte sich ihr mit zwei Schritten an, startete seinen Besänftigungsversuch. Seine Arme legten sich unaufgefordert um sie, hielten ihren kleinen Körper fest, umschlossen ihn mit Wärme. »Möchtest du, dass ich dich so in den Arm nehme?«, fragte er leise. Er hoffte ununterbrochen, dass es ihr half, dass sie es wollte, dass er ihr zeigen durfte, dass diese nervigen Zwischenspiele leider dazugehörten und er Lydia nach wie vor brauchte.
Anonym
Straßenmusiker



Lydia

Es war eine Achterbahn der Gefühle und sie nahm die Blondine so sehr mit. Aber zum Glück reagierte Caleb endlich so, wie Lydia es sich erhofft hatte. Verständnisvoll. Hilfsbereit. Seine großen, warmen Arme legten sich um sie und endlich fühlte sie sich wieder geborgen. Ein leises Seufzen ertönte gegen seine Brust, als sie nur schwach nickte um seine Frage zu beantworten. 
Einen Moment lang sagte keiner etwas. Jeder genoss die Umarmung still für sich selbst, bis sie es war, die das Wort ergriff. "Es tut mir leid...", nuschelte sie und vergrub ihr Gesicht noch mehr in seiner Brust. "Manchmal bin ich eben...naja...kompliziert..." Aus beiden Kehlen klang ein leises, geteiltes Kichern, drüber, wie idiotisch sie sich doch beide verhielten und es trotzdem miteinander aushielten. Sehr gut sogar. 
Tief zog die junge Frau den männlichen Geruch seines Hemdes ein; es war ein angenehmer Duft, der einfach nach Caleb roch und den sie so sehr liebte. Langsam hob sie den Kopf, brachte ihre Lippen seinen näher und drückte ihm einen Entschuldigungskuss auf. "Bitte... du kannst Juan gar nicht als Konkurrenz ansehen. Du musst dir wirklich keine Gedanken um ihn machen. Aus der Friend-Zone kommt man ohnehin schlecht raus." Dieser Satz hatte einen merkwürdigen Beigeschmack, aber sie musste zugeben, dass es irgendwo doch stimmte, schließlich war der Kolumbianer nicht mehr als ein sehr guter Freund für sie. Es gab also keinen Grund, sich dafür schlecht zu fühlen, oder? 
Aber sie konnte gar nicht weiter darüber grübeln, denn das wunderschöne Grün seiner Augen vernahm sie wie so oft ein. Beide sahen sich lange an, genossen die Nähe, die Stille, schienen alles verdauen zu wollen, jeden Vorwurf den sie sich gerade gegenseitig an den Kopf geworfen hatten, jedes Problem, jedes noch so pikante Wörtchen. Es war wirklich komisch. Teilweise wirklich zum Lachen, wie schwierig sie es sich machten, wobei es eigentlich so einfach war. "Ich möchte, dass du mich so umarmst, wenn es mir schlecht geht. Wenn es mir gut geht. Immer wenn du bei mir bist. Ich möchte neben dir einschlafen und neben dir aufwachen, mit dir essen und Abenteuer erleben, deine Freunde und deine Familie kennenlernen. Ich will das volle Programm. Du musst nur das Tempo angeben, denn ich kann es nicht." Unsicher bildete sich der Hauch eines Lächelns auf ihrem Gesicht, einfach um ihm das Gesagte etwas leichter zu machen. Nicht nur sie, auch er schien besänftigt. Es hatte schlichtweg keinen Zweck, sich zu streiten, denn am Ende würden sie sowieso wieder zusammen finden. Zum Glück, denn Lydia wollte sich nicht mehr vorstellen, ohne Caleb zu sein.
Anonym
Popstar



[Caleb]

Erleichterung rutschte lawinenartig an seinen Nervenbahnen hinab, zerdrückte den Aufruhr in seinem Inneren. Stärker schmiegte er ihren Körper an sich, um nichts zwischen die beiden zu lassen, sie gehörten nur einander. Immer wieder bestätigte ihm eine leise Stimme in seinem Kopf, dass Lydia ein Geschenk war, ein ungeklärtes Mysterium, welches er mit Freude jeden Tag aufs Neue aufdecken wollte. Etwas gab ihm das Gefühl, dass nur er die Schlüssel und Codes besaß, die sämtliche Pforten zu ihrer kleinen Welt öffnen konnten. Dort suchte er auf ewig einen Platz, einen warmen Ort in ihrem Herzen. Nach jedem einzelnen Kuss gierte er nach mehr, nach jedem zaghaften Lächeln hatte er ihr Gesicht in die Hände nehmen und einen tausendfachen Satz neuer Küsse darauf verteilen wollen. Er teilte mit Lydia alle ihrer ausgesprochenen Wünsche, ließ sich vom Schwall der Ideen mitreißen. Kein Mann auf dieser Erde sollte je die Gelegenheit bekommen, die Dinge mit ihr zu erleben. Caleb nahm den bedingungslosen Schutz seiner Lydia sehr ernst, und nie würde ihm einfallen, die Aufgabe einem anderen zu überlassen. Sie war sein persönlicher Schatz aus Lake Louise, ein seltener Fund mit unbeschreiblich hohem Wert. Dass er unter bestimmten Umständen seine Gefühle nicht im Griff hatte und sie in unpassenden Momenten aus ihm ausbrachen, zeigte ihm, inwieweit sie bereits in seinem Besitz war. Konkurrenz machte ihm niemand, und Probleme genauso wenig. Früher oder später würde das die gesamte Bevölkerung Kanadas begreifen.
Diese Frau war begehrenswert und schmerzhaft zugleich. Das schimmernde Blau ihrer Augen wog ihn in einen friedlichen Zustand, ließ ihn seine Zweifel augenblicklich bereuen. Ab sofort vertraute Caleb auf das versicherte Versprechen des Lateinamerikaners, jegliche Skepsis warf er über Bord. Eine Abweichung – und die einst vernünftige Zurückhaltung des erwachsenen, gerissenen Finanzgenies wäre für allemal Geschichte gewesen. In Lydias Nähe würde Caleb ihn niemals wieder unbeobachtet lassen.
Die Konzentration bündelte sich erneut auf den schönsten Anblick im lichtdurchfluteten Raum. Caleb lächelte breit auf die Vorstellung der unzähligen Möglichkeiten, wie die Zeit miteinander sinnvoll auszuschöpfen war. Eine davon wurde mit einem anschließenden Kuss besiegelt, worauf Caleb den Kopf erstaunt schütteln musste. »In meinem Kopf hat sich alles angestaut. Ich konnte es kaum erwarten, dich wieder zu sehen, zu berühren, deine Stimme zu hören. In Seattle habe ich mich so unglaublich gelangweilt, und dass ich heute wieder bei dir bin überfordert mich.« Voller trauriger Wahrheit entsprachen seine Worte, dokumentierten den inneren Kampf gegen seine Gefühle, der über mehrere Tage für Unruhe in ihm sorgte. »Das von gerade eben: vergiss es einfach. Mein Ego wird es noch lernen«, und damit brachte er seine Lippen reumütig zurück zu ihrem Gesicht, legte sie achtsam auf die ihre, bewies ihr rückstandslos, dass er sich seiner Schuld bewusst war. Aber er selbst wollte es vergessen, wollte sich nur mit Gedanken an Lydia ausstopfen, sich durch ihr engelsgleiches Lachen ausfüllen lassen. Wollte Lydia wiederum auf Wolken schweben sehen, bis ihm dann blitzartig ein Gedanke kam, bevor er sich schnell von ihren Lippen löste: »Zur Wiedergutmachung solltest du dir unbedingt die Geschenke ansehen, die unten im Auto liegen.« 
Anonym
Straßenmusiker



Lydia

Jede Nervenfaser ihres Körpers war auf diesen wundervollen Mann vor ihr gerichtet. Sie war verdammt kompliziert, energisch, stur... Die Liste ging endlos weiter. Und trotzdem war er hier, küsste sie, berührte sie. Hielt alle Strapazen ihres alltäglichen Lebens aus. Womit hatte sie das nur verdient?
Sobald sich beide Münder voneinander entfernt hatten, entfloh ihr ein Seufzen der Erleichterung, der Sehnsucht. Sie wusste es nicht genau, aber es tat auch nichts zur Sache, denn jegliche Aufmerksamkeit richtete sich sofort wieder auf das Wunder vor ihr. "Caleb, du hättest mir wirklich nichts mitbringen sollen. Wie unfair ist das denn? Jetzt muss ich dir auch was holen", schmollte sie, während ihre filigranen Finger an seinem Hemdkragen rumzupften um ihn wieder in Schuss zu setzen. Zufrieden über ihr Werk und das unverkennbare Schmunzeln auf dem Kunstwerk, was sich sein Gesicht nannte, entfernte sie sich von ihm und griff nach ihrem angebissenen Stück Pizza. "Ich kann ja mal ein Auge auf diese Geschenke werfen, von denen du sprichst." Mit Pizza im Mund nuschelte sie nur zu sehr, aber es war ihr egal, ebenso wie das Mehl auf ihrer Nase und ihrer Wange. Der Moment war perfekt, abgesehen von dem kleinen Streit. Es hatte angefangen zu gewittern und der Regen prasselte gemütlich gegen die großen Fensterscheiben des Apartments. Durch das offene Fenster konnte man Vögel zwitschern und den Nachbarn Gitarre üben hören. Das schwummrige Licht der nahenden Dämmerung setzte Calebs Fugen und Kanten perfekt in Szene und ein zweites Mal in kurzer Zeit fragte sie sich, womit sie das nur verdient hatte. 
Nach dem kurzen Abdriften in ihre Gedanken fiel Lydia auf, dass das Pizzastück in ihrem Magen verschwunden war. Als sie sich durch einen kurzen Blick über die Schulter vergewisserte, wie stark es regnete, griff sie schelmisch grinsend nach einer männlichen Hand und zog ihr Anhängsel bestimmt durch die Tür, das Treppenhaus hinunter, bis sie mitten im Geschehen waren. Überall rannten Menschen verzweifelt auf der Suche nach Unterschlupf mit Zeitungen und Taschen über dem Kopf durch die Wohngegend, doch Lydia war gnadenlos und lachte einfach nur, als sie sah, wie Caleb die Strähnen ins Gesicht hingen. Nach wenigen Minuten waren sie beide bereits bis auf die Knochen nass. "Was ist, Adonis? Wo sind diese Geschenke hm?"
Anonym
Popstar



[Caleb]

Ruhe kehrte ein, mit Ausnahme des plötzlich auftreffenden Regens und diverser schmatzender Laute. Nach dem kurzen Zwischenspiel beobachtete er Lydia für wenige Augenblicke, versuchte noch einmal die Bedeutung dieses Wiedersehens zu begreifen. Caleb hatte wieder jemanden in seinem Leben, welcher ihn pures Glück spüren ließ, ihm beibrachte, die Balance zwischen Selbstvergessenheit und Menschlichkeit zu halten. In ihm wurden tief vergrabene Besonderheiten seines Charakters hervorgebracht, sie gehörten genauso zu ihm wie die Wärme zur Sonne, das Geheimnis zum Ozean, das Strahlen zur Lydia. 
Die Unterschiede in ihren Wesen bildeten zusammen eine neue Einheit, was dem Paar Stärke und Unantastbarkeit verlieh. So fühlte sich Caleb auch, stärker und unverwundbar, buchstäblich zum Bäume Ausreißen. Doch da sich das Gespräch immer mehr von der ungemütlichen Auseinandersetzung entfernte und sich der interessanten Seite seines Besuchs zuwandte, steckte er seinen neu gewonnenen Frohsinn in jede seiner Reaktionen auf jedes spontane Handeln Lydias, so wie zu dem Zeitpunkt, als sie viel zu schnell das lauschige, trockene Nest ihres Apartments verließen, um sich wenige Sekunden später schutzlos dem bösen, kalten Regen auszuliefern. Caleb konnte nicht anders, als zu lachen und sich über seine nassen Haare, nassen Klamotten, sich über alles Nasse zu beschweren, während das kleine Zittern seinen Körper durchzog. Denn der Wind machte überhaupt keine Rast, vielmehr raste er durch die Straßen, über den asphaltierten Vorhof, vorbei an den parkenden Autos. Lange würden sie es hier draußen nicht aushalten, sodass der große, völlig durchnässte Amerikaner kurzen Prozess mit Kanadas Schokoladenseite vom Wetter mache musste. Zusammen rannten sie hin bis zu seinem, vor lauter Regentropfen glitzernden Mustangs, wichen in einer nicht ganz so eleganten Weise Pfützen aus, erreichten schließlich das sichere Innere des Wagens, nachdem vier weiße Lichter beim Aufschließen aufleuchteten. 
Förmlich platschend landeten sie auf der ledernen Rückbank, raubten jedes noch so kleine Überbleibsel an Wärme aus den Ecken, hielten sich fest an den Händen. Irgendwo doch herrlich romantisch, es erinnerte Caleb an einen hochgefeierten Highschool-Teeanger-Film aus den Neunzigern. Bloß, dass die Temperaturen sich meist um mindestens 50 Grad Fahrenheit unterschieden und unartige Teenager, inmitten eines sonnigen Weizenfeldes, ihre wilden Fantasien austauschten - nicht bei Minusgraden auf einem kleinen, staubigen Parkplatz.
Ihren Handrücken küssend überspielte er sein Lachen, vergeblich. »Ich sehe es, du wirst der Grund meines plötzlichen Todes sein«, scherzte Caleb, malte sich das Desaster in seinen Gedanken aus, als er ihre Hand losließ, um sogleich nach den Präsenten auf dem Beifahrersitz zu fischen. Er bemerkte, wie Lydias Haltung sich vor Neugier spannte, doch beide blieben sie cool und souverän. Unübersehbar war das erste Geschenk, ein wunderschöner, mittelgroßer Strauß weißer Tulpen. Die Reinheit dieser Blumen, diese Zärtlichkeit ähnelte dieser wunderschönen, zärtlichen Frau zu seiner Rechten. 
Liebevoll übergab er ihn zu seiner Entlastung an Lydia, denn Geschenk Nummer zwei wartete bereits auf seine Verkündung. Eine rechteckige, schmale, mysteriöse Schachtel, in der sich alles Mögliche verstecken konnte. »Blumen gehören nun mal dazu. Ich hoffe aber, dass uns hierbei keine geheim gehaltene Höhenangst in die Quere kommt«, sagte er beim Schütteln der Schachtel, beobachtete grinsend Lydias stets veränderten Gesichtsausdruck. Die Schachtel wurde ihm rabiat aus der Hand gerissen, leise, weibliche Flüche amüsierten Calebs Ohren, da erblickten gleichzeitig zwei Augenpaare eine Einladung fürs Sky 360 - ein Abendessen auf fast zweihundert Metern Höhe im Fernsehturm von Calgary. 
Heimlich berührte das nasse Ende einer langen, blonden Haarsträhne das filigrane Papier der Einladung, alles erschien im Innenraum des Mustangs viel lauter, der Regen, jedes Rascheln, jeder Atemzug. Eigentlich ging es Caleb nicht darum, in Form von materiellen Dingen Lydia seine Aufmerksamkeit zu zeigen. Das unverschämt teuere Essen im Chateau gehörte leider noch dazu, aber im Vordergrund stand jetzt die Zeit, jede einzelne Sekunde, die er mit Lydia teilen durfte. Hier im Auto, im Bett, im Schnee, im Café, unter der Erde, auf zweihundert Metern Höhe, vollkommen irrelevant. Hauptsache in jedem Fall war, dass sie genauso empfand. 
Anonym
Straßenmusiker



Lydia

Im Inneren des Mustangs war es für kurze Zeit völlig still bis die Geräusche Lydia wieder erreichten. Es war wirklich so, als würde für einen kurzen Moment die Zeit stehen bleiben. Der Regen war das Erste, was sie wieder wahrnahm. Rabiat plätscherte er auf das fast schutzlos wirkende Dach ein, durchnässte alles, was sich ihm in die Quere stellte. Dann vernahm sie das durch leises Kichern unterbrochene, schwere Atmen, ihrerseits und seinerseits. Als nächstes nahm sie die Wärme seiner Hand war, den Druck den die seine auf ihre ausübte. Tropfen kullerten aus ihrer blonden Mähne auf die durchnässte Jeans. Beide ließen den Kopf gegen die Lehne sinken und nahmen einen tiefen Atemzug um sich von dem kleinen Sprint zu erholen. Aus ihrer Kehle wich ein ehrliches, verspieltes Lachen als sie sah, wie dreckig ihre ehemals weißen Converse aussahen. Von Calebs Schuhen wollte sie erst gar nicht reden, zumal sie befürchtete, dass die Säuberung der Lederschuhe wohl mehr kosten würde, als sie in einem Monat verdiente. Sobald Caleb nach vorne griff, schob sie ihre Schuldgefühle beiseite, doch auch beim Mustern seiner teuer aussehenden Jacke musste sie sich auf die Zunge beißen, um sich nicht zu entschuldigen. 
Der Charme des wundervoll braun gebrannten Mannes vor ihr ließ sie dann aber alles vergessen. Ein breites Grinsen erleuchtete ihre Augen, als sie den Blumenstrauß erblickte. Sie spürte sogar das Blut in ihre Wangen steigen, als sie den Strauß begutachtete und ihr Bilder in den Kopf stiegen. Bilder von Caleb, wie er extra für sie seine wertvolle Zeit nutzte um einen Blumenstrauß zu kaufen. Wie er ihn aussuchte, mit seinen scharfen Augen, die genau wussten, was einer Frau gefiel. Dieser Blumenstrauß war besonders. Warum? Es waren keine Rosen, sondern ihre Lieblingsblumen. Nie hatte sie ihm ansatzweise verraten dass sie Tulpen liebte, aber es in Lake Louise einfach zu kalt für sie war. Und es war der erste Blumenstrauß, den sie von einem Mann erhalten hatte. All diese Gedanken und Bilder schossen ihr auf einmal durch den Kopf, sodass das Schütteln der Schachtel sie ein wenig aus der Bahn zog. Blitzartig schoss ihr Kopf nach oben, ihre Augen blickten in seine, die durch Lachfältchen umrahmt wurden, dann zu dem Schächtelchen, was so verboten geheim aussah, dass sie es ihm eifrig aus der Hand zog und es öffnete. Darin lag ein gefaltetes Stück Papier. Vergeblich versuchte Lydia, ihre nassen Hände an ihrer nassen Jeans abzutrocknen, um keine Spuren auf dem Blatt zu hinterlassen, aber dann entschloss sie sich wie so oft, drauf zu scheißen. Bei dem Gedanken musste sie lachen, doch das Lachen verflog als sie las, was Caleb ihr da geschenkt hatte. Nun begriff sie auch, weswegen er von Höhenangst gesprochen hatte.
"Caleb, du..." Ihr Blick wanderte langsam zu ihm. "Du bist doch bescheuert oder?" Sie legte das Papier, die Schachtel und die Blumen beiseite und fiel ihm förmlich um den Hals. Schnell spürte sie seine vertrauten Arme um ihre Taille, wurde in diesen wunderbaren Duft seines Parfums eingehüllt, spürte wie fest er sie an sich drückte. Jeder Blinde konnte sehen, dass zwischen diesen beiden Menschen etwas ganz besonderes entstand. Etwas seltenes, was sich langsam heranschlich um erkannt zu werden, sich aber im Moment noch im Schatten des Geschehens befand.
Voller Vorfreude bedeckte die junge Frau Calebs Gesicht mit Küssen, seine Nase, seine Wangen, seine Stirn, seine Lippen. Sie freute sich fast mehr über die Blumen, als über das Essen, doch die Gefühle überkamen sie mit einem Mal, sodass sie grinsend ihre Stirn gegen seine legte und die Augen schloss. Caleb, oh Caleb. Was machst du nur mit mir?
Dann überkam sie jedoch die Realität. "Ich habe furchtbare Höhenangst." Sie durchbrach vorsichtig und die Augen öffnend die Stille und blickte ihm ins Gesicht, dieses wunderschöne Gesicht, woran sie sich ihr Leben lang nicht sattsehen können würde. "Außerdem habe ich nur das schwarze Kleid von vor zwei Wochen. Ich hab keine Ahnung wie man sich da anzieht." Sie griff erneut nach dem Stück Papier, las sich den Text ein ums andere Mal durch, nun unsicher und sich klein fühlend. War sie denn überhaupt gemacht für einen so wichtigen Menschen wie ihm? Schließlich hatte er Geld, und wie es schien, nicht allzu wenig davon. Und sie war bloß eine kleine Studentin. Solche Selbstzweifel hatte sie lange nicht mehr gehabt. Eigentlich war sie eine relativ selbstbewusste Frau, doch jetzt fühlte sie sich komisch. Was war das? Wieso dachte sie jetzt an all die heißen Supermodels, die so viel besser zu ihm passen würden? Das waren nicht ihre Gedanken, oder?
"Caleb, bist du dir sicher, dass ich dafür gemacht bin?", fragte sie leise und blickte auf, verwirrt über sich selbst. Konnte sie überhaupt schicke Kleider tragen, in teuren Autos durch die Gegend fahren und so unfassbar teure Geschenke annehmen? Wie konnte sie ihm das überhaupt alles zurückgeben? 
Anonym
Popstar



[Caleb]

Ganz den Erwartungen entsprechend entzückte sie Caleb wieder einmal mit ihrer zuckersüßen Art. Sie verabreichte ihm eine Überdosis davon, machte ihn schwach, wie schon so oft. Sie war ehrlich, sie war echt. Sie war Lydia in ihrer reinsten Form, musste sich hinter keiner Maske verstecken, wozu sie angesichts des engen, dunstigen Raumes, der spiegelnden, schilfgrünen Augen, die jede Fiber ihrer Haut mit nur einem Blick zerlegten, gar nicht erst in der Lage war. Nichts als Verehrung für diese Frau blieb in ihm übrig, die Größe des Gefühls machte jedes Problem ungeschehen. Es schwoll in ihm an, sandte Wärme an die Stellen innerhalb seines Körperkonstruktes, welche er vorsätzlich für Lydia pflegte, von bösartigen Gefühlseinbußen abschirmte, unzugänglich machte. Heilige Stätten, die seit seiner letzten und einzigen, tief gehenden Beziehung zuletzt vor Jahren das Licht erblickten. Dank Lydia spürte er es wieder, warmes Licht um ihn herum. Erhellten menschliche, durchaus männliche Wesensmerkmale in Caleb. Ein klitzekleiner Moment, welcher sich in kleinsten Millisekunden zugetragen hatte - in einer Blutströmung.
Das kleinste Trotzen, der kleinste Vorwurf jedoch ernährten Caleb mit neuer Tatkraft, weckten seinen Einfallsreichtum. Wenn das, in anderen Worten, eine Herausforderung für Lydia darstellte, platzierte sie hiermit eine neue Position auf seiner To-Do-Liste, die es mit höchster Priorität zu erledigen galt, denn es gab noch unzählige Dinge auf dieser Welt, die sie erleben musste. Erlebnisse teilte sie von nun an mit Caleb.
In Ungläubigkeit runzelte er die Stirn. »Was ist das eigentlich für eine Frage? Du bist umwerfend. Du bist heiß, viel zu niedlich manchmal und du hast eine so selbstbewusste Ausstrahlung, darf ich ›sexy‹ Ausstrahlung sagen?« Ein angriffslustiges Grinsen schlich sich ins Bild. »Und ich versteh' nicht, wie man ›dafür gemacht‹ sein soll«, zittierte er ihre Worte, verstand wirklich nicht. Allein, dass ihr eine Frage dieser Art aufkam, stand in völligem Widerspruch zu dem, was Caleb in ihr gesehen hatte. Ihre Präsenz in dem winzigen Café, in welchem er literweise Kaffee trinken konnte, nur um ihr bei der Arbeit zuzusehen. Ihre Stimme, die jedem dahergelaufenen Waschlappen - einschließlich Caleb - den nötigen Respekt einflößte, zur selben Zeit aber eine Gänsehaut bescherte. Ihre langen Beine, die sich zu einem derart graziösen Gang formten, dem Caleb winselnd auf allen Vieren hinterherkriechen würde. Lydia machte Männer und Frauen eifersüchtig, machte Caleb süchtig, ließ ihn nach ihr eifern. 
»Du bist gemacht für diese Welt, Lydia. Sie gehört dir, sie gehört auch mir, und du gehörst mir...«, wurde es immer leiser und leiser, bis aus der sehr kurzen, eher beiläufigen Motivationsrede ein langer, nicht ganz so beiläufiger Kuss wurde, denn es knisterte gewaltiger als in den dicken Gewitterwolken am dunkelgrauen Himmel.
Himmel, dieser Mann war so hilflos verknallt, dass es die Glückliche, auf welche er es abgesehen hatte, hoffentlich nie in peinliche Situationen bringen würde. Er fühlte sich jung, teilweise nicht real. Und in jungen Jahren war man bekanntermaßen für Peinlichkeiten berühmt. Das Stichwort für Calebs erwachsene, ausgereifte Gehirnzellen, alle Funktionsschalter wieder umzulegen und dieses küssende, ineinander verschmelzende Etwas voneinander zu lösen. Kalt war es im Mustang schon lange nicht mehr, nach diesem kurzen Vorspiel erst recht nicht. 
Anonym
Straßenmusiker



Lydia

Es war zum Schreien. Vor ein paar Wochen hätte Lydia es nie für möglich gehalten, jemals einen Mann öfter als einmal und an einem anderen Ort als seinem Bett zu sehen. Jetzt? Gott, jetzt sah alles anders aus. Ihre Knie wurden weich wenn sie Calebs Stimme hörte, in seine Augen blickte, seine Haut auf ihrer spürte... So verlor sie sich ein ums andere Mal in ihrer kleinen Traumwelt wenn er sie küsste, sah vor ihrem inneren Auge Bilder, die sie nie zu sehen geglaubt hatte. Tatsächlich waren es Bilder von ihr in einem langen weißen Kleid, Bilder von ihm in einem wundervollen, teuren Anzug, Bilder von ihr wie sie mit kugelrundem Bauch auf einem riesigen Sofa irgendwo in Seattle saß und Eiscreme in sich reinstopfte, weil sie für zwei essen musste. Wie lange kannte sie Caleb schon? Seit einem Monat? Wie kam es dann, dass ihr schon solche Bilder im Kopf erschienen und sie sich ein ums andere Mal erwischte, wie sie seine Hände anstarrte und überlegte, ob ihm ein silberner oder goldener Ring besser stehen würde.
All diese Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf als Caleb ihre Lippen für sich beanspruchte. Jeder Selbstzweifel schien verloren, ihre Arme schmiegten sich wie von selbst um seinen Nacken, ermöglichten es ihr, ihn näher zu sich zu ziehen, in die Magie der Situation zu fallen, durch seine Haare zu fahren... Sie wusste dass das, was die beiden hatten lange keine kleine Spielerei mehr war. Das war ernst. Zumindest von ihrer Seite. Und um sich selbst zu besänftigten, bildete sie sich ein, dass es von ihm aus ebenso aussah. Sie würde es so oder so nicht verkraften, irgendetwas anderes von ihm zu hören. Die bedingungslose Verehrung, die er sie immer wieder zu spüren ließ, öffnete den Käfig, den sie so feinsäuberlich für die Schmetterlinge in ihrem Bauch gebaut hatte. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb sie ihn wieder zurück an ihre Lippen zog, nachdem er den Kuss unterbrochen hatte. Viel mehr noch: sie setzte sich rittlings auf seinen Schoß, legte ihre im Vergleich zu seinen kleinen Hände auf seine Wangen, seufzte gegen seine Lippen und intensivierte den Kuss gar noch mehr. Alles war ausgeblendet. Der Regen, der fast schon bösartig auf das Dach des Mustangs knallte. Der Donner. Jeder Blitz. Das einzige, worauf sie ihre Aufmerksamkeit gebündelt hatte, war Caleb. 
Vielleicht wollte sie es sich noch nicht eingestehen, vielleicht wusste sie es jedoch auch wirklich einfach nicht. Doch das, wamset ihr geschah, war viel mehr, als nur eine kleine Romanze. Denn sie begann allmählich, all ihre Ängste abzuwerfen, sich ihm emotional hinzugeben, ungeschützt, ja völlig auszuliefern. War das, wie sich Liebe anfühlte? 
Der Gedanke ließ ihr Herz kurz springen und schlagartig löste sie ihre Lippen von seinem und blickte ihm in die Augen. Was dachte sie da? Liebe? Oh fuck! 
Sie begann zu grinsen, ja sogar zu lachen über sich selbst. So lange hatte sie Angst gehabt, sich zu verlieben. So lange hatte sie abgeblockt. Doch weswegen? Es fühlte sich doch viel besser an, als alles was sie vorher erlebt hatte. "Caleb", fing sie langsam an, legte ihre Stirn an seine und schloss die Augen. "Oh Gott, du hast ja gar keine Ahnung..." Ein zarter Kuss. "...wie sehr..." Hände, die über seine Wangen streichelten, weitere Küsse. "...ich dabei bin..." Ein langer Augenkontakt, glasige Augen. "...mich in dich zu verlieben."
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