Erzählungen von Untoten – d. h. verstorbenen Menschen, deren seelenlose Körper nach dem Tod wiederauferstehen – existieren seit Tausenden von Jahren und lassen sich in zahlreichen Kulturen antreffen. Am Ende tragen sie alle zum Bild der trägen, nach Blut lechzenden Schauergestalten bei, die wir heute aus der westlichen Popkultur kennen. Eine wesentliche Inspiration für den frühen hollywoodesquen Zombie war allerdings die Geschichte der haitianischen „zonbis“, die der Gruselfigur auch ihren Namen gaben.
Das Besondere an diesen "zonbis"?
Für viele Haitianer sind sie bis heute nicht nur ein Fantasiegespinst, sondern Realität.
Immer wieder hört man auf Haiti von totgeglaubten, bereits begrabene Menschen, die – zum Schrecken aller Beteiligten – nach einer Weile wieder vor den Haustüren ihrer Familien stehen. Der wohl bekannteste und bestdokumentierteste Fall dieser Art, ist der des Clairvius Narcisse. Der damals 40-jährige Mann wurde 1962, nachdem er vorher u. a. über Fieber, Atembeschwerden und einem Kribbelgefühl am ganzen Leib klagte, in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Port-au-Prince offiziell für tot erklärt und kurz darauf beerdigt. 1980 kehrte Clairvius allerdings wieder heim. Doch wie ist das möglich? Was ist während dieser 18 Jahre der Abwesenheit mit ihm geschehen?
Für viele Einheimische auf Haiti, die den Voodoo-Glauben ihrer afrikanischen Vorfahren übernommen haben, sind solche Begebenheiten einfach zu erklären: Menschen wie Clairvius Narcisse sind nach ihrem Tod offensichtlich der schwarzen Magie zum Opfer gefallen und wurden zu zonbis bzw. Zombies. Dunkle Voodoo-Priester oder sogenannte „bokors“ erweckten sie wieder zum Leben, um sie für ihre Sünden zu bestrafen und sie zu ihren willenlosen Sklaven zu machen.
Auch Clairvius Narcisse selbst behauptete, ein Zombie gewesen zu sein.
Kurz nach seiner Bestattung, die er eigenen Angaben nach miterlebt hat, grub ihn ein bokor aus, der ihm die Sinne vernebelte und die Seele raubte. So fand sich Clairvius irgendwann auf einer Zuckerplantage wieder, auf der er gemeinsam mit anderen widerstandslosen Zombies zu harter, körperlicher Arbeit verdonnert wurde. Nach etwa zwei Jahren verstarb ihr bokor jedoch, woraufhin Clairvius die Flucht ergriff und langsam sein volles Bewusstsein zurückerlangte. Zu seiner Familie zurückkehren wollte er aber nicht, da er vermutete, sein verhasster Bruder habe seine Seele an den bokor verkauft. Erst als dieser 1980 den Tod fand, gab sich Clairvius seiner Schwester zu erkennen.
Aufgrund dessen, dass Clairvius Narcisses Krankenhausaufenthalt, Tod und Beisetzung im Gegensatz zu Berichten anderen ehemaligen Zombies, belegt werden konnte, wurde das haitianische Phänomen in den 80er-Jahren auch für die Wissenschaft interessant. Um der Sache auf den Grund zu gehen, begab sich daher u. a. der Anthropologe und Ethnobotaniker Wade Davis nach Haiti. Dort angekommen schloss er bald Freundschaft mit einem vermeintlichen Voodoo-Priester, der ihn in das ein oder andere Geheimnis einweihte.
Laut Davis wird den Opfern vor ihrem angeblichen Tod ein Gemisch auf der Basis von Tetrodotoxin – einem Nervengift, das aus Kugelfischen und anderen toxischen Meerestieren gewonnen wird – verabreicht. Dies geschieht z. B., indem die Giftmischung in Form von Pulver unauffällig auf der Kleidung der Opfer verteilt wird. Bei Hautkontakt löst das Gift einen starken Juckreiz aus. Kratzt man sich daraufhin an den betroffenen Stellen wund, verhilft man dem Gemisch in den Körper einzudringen. Innerhalb kurzer Zeit nach der Aufnahme der Giftmischung sollen sich die ersten Symptome bemerkbar machen. Dazu gehören mitunter ein Kribbel- und Taubheitsgefühl am ganzen Körper sowie Atembeschwerden, die im weiteren Verlauf zu einer vollständigen Lähmung der Skelett- und Atemmuskulatur und schließlich zum Tod führen können. Bei einer bestimmten Dosierung verfallen die Opfer aber lediglich in einen komatösen Zustand, der den Körper nahezu tot erscheinen lässt. Man spricht hier auch von einem „Scheintod“. Außerdem werden die Scheintoten, nachdem sie schlussendlich aus ihren Gräbern ausgebuddelt werden, mithilfe der halluzinogenen Wirkung der Stechpflanze fortwährend in einen „zombieartigen“ Zustand versetzt. Auf diese Weise sind sie wehrlos und können für jedwede Zwecke missbraucht werden. So oder so ähnlich soll es auch Clairvius Narcisse ergangen sein. Als die Person, die ihm regelmäßig die Drogen verabreichte, allerdings verstarb, ließ die halluzinogene Wirkung nach und er wurde wieder er selbst.
Beweise für Davis’ Theorie gibt es nicht. Proben des Pulver-Gifts, die ihm sein befreundeter Voodoo-Priester für eine Untersuchung aushändigte, waren nicht aufschlussreich. Zwar wurden vereinzelnd Spuren des besagten Kugelfischgifts darin gefunden, jedoch zu wenig, um die angenommene Wirkung bei einem Menschen auslösen zu können.
Somit bleiben die Geschichten um die haitianischen Zombies ein Mythos.
Aber was meint ihr, was hinter den Geschehnissen auf Haiti steckt? Sind es einfach nur Menschen, die aus verschiedensten Gründen ihren Tod vorgetäuscht haben? Sind es Opfer skrupelloser Plantagenbesitzer, die alles tun würden, um an billige Arbeitskräfte zu kommen? Oder hat die Sache doch etwas mit Voodoo und dunkler Magie zu tun?