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Die Stille der Unendlichkeit |
Huhu ihr Lieben! Momentan schreibe ich an einem kleinen Projekt, hier findet ihr das erste Kapitel davon. Enjoy reading! ♥ -Klappentext- "Weißt du was dein Problem ist? Du versuchst mit deinem Leben ihres zu retten. Doch dabei wirst du nur Beide verlieren." Zea hat nur einen Wunsch: Ihre Schwester lächeln zu sehen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt sie alles auf: Ihre Freunde, ihre Freizeit, ihre Jugend. Zeas Schwester Maya leidet an der unheilbaren Krankheit NCL, eine Krankheit deren Ende der Tod ist. Und doch verliert sich Zea vollkommen in der Hoffnung, Maya ein schönes Leben schenken zu können. Bis zu dem Tag, an dem Zea einen Jungen kennenlernt, der ihr eine Welt zeigt, die sie längst vergessen hatte... Eine Geschichte über den Tod und das Leben, über Verzweiflung und Hoffnung, über Wut und Liebe. Eine Geschichte über alles und gar nichts. Zeas Geschichte. -Eins- Als ich die Augen öffnete, erwartete mich pure Dunkelheit, die sich auch nach mehrmaligem Blinzeln nicht vertreiben ließ. Blind tastete ich nach meinen Vorhängen. Doch auch, als ich diese fand und zur Seite zog, drang kaum Licht in mein Zimmer. Draußen tanzten die Bäume im Wind und der Regen prasselte aufs Fenster, als wolle er es durchbrechen. Ich seufzte und ließ mich rücklings aufs Bett fallen. Auch ohne das ich mein Gesicht berührte, wusste ich, dass meine Wangen nass vor Tränen waren. Es war nicht das erste Mal, dass mich dieser Traum aus meinem Schlaf riss. Seit es einmal angefangen hatte, hörte es nicht mehr auf. Leise stand ich auf und schlich zu ihrem Bett. Maya lag scheinbar friedlich da, nur ihr rasselnder Atem war zu hören. Und doch beruhigte mich dieses Geräusch, denn es bedeutete, dass Maya noch lebte. Sie war nicht tot. Nicht wie in meinem Traum. Ich traute mich nicht das Licht anzumachen, denn ich wollte sie nicht wecken. Also legte ich meine Hand auf die Stelle, wo ich ihre engelsgleichen Locken vermutete, und strich sanft darüber. Minuten vergingen, während ich am Bett meiner Schwester stand und ihr beim Schlafen zusah. Schließlich drehte ich mich um, und ging zurück in mein eigenes Bett. Weitere Augenblicke verstrichen, während ich dem Unwetter draußen zusah. Egal, wie spät es war, ich würde in dieser Nacht nicht mehr genug Schlaf kriegen. Aber das tat ich nie. -Zwei- -Drei- Während ich Maya zurückschob, widmete ich Levins frecher Bemerkung mehr Gedanken, als sie es überhaupt wert war. Nun gut, man bekam nicht jeden Tag hinterher gerufen, dass man sich nicht verlieben sollte. Wen meinte er überhaupt damit? Doch nicht etwa sich selbst? Wieso sollte ich mich bitteschön in ihn verlieben? Wieso sollte ich mich überhaupt in den nächsten Jahren verlieben? Ich schüttelte den Kopf, um das Gedankenkarussell zu stoppen. Ich kannte ihn nicht, ich mochte ihn nicht, und jetzt sollte ich mich wirklich wichtigeren Dingen zuwenden. Ein Blick auf Maya zeigte mir, dass sie eingeschlafen war, also ging ich schweigend weiter. Bei Ma angekommen beschlossen wir nach Hause zu gehen. Wir waren nicht lange im Park gewesen, aber ein Blick in den Himmel entlarvte die dunklen, Regen versprechenden, Wolken. Tatsächlich, kaum fiel die Haustür hinter uns ins Schloss, fing es auch schon an wie aus Strömen zu gießen. »Puh, das war knapp«, sagte meine Mutter und lächelte. Gemeinsam brachten wir Maya zu Bett, bevor wir dann in die Küche gingen. Ma fing an das Mittagessen vorzubereiten, während wir uns unterhielten. »Hast du irgendwas für die Ferien geplant?«, fragte sie mich. Ich zuckte mit den Schultern, auch wenn sie dies, da sie mit dem Rücken zu mir stand, nicht sehen konnte. »Nein, eigentlich nicht. Wieso?« »Ich frage nur. Du warst lange nicht mehr weg.« »Ist schon in Ordnung.« Nun drehte sich meine Mutter doch zu mir um. »Zea, du kannst nicht immer hier drinnen rumhocken. Sonst endest du noch wie ich.« Sie lachte, doch ich sah trotzdem ihren sorgenvollen Blick. »Wirklich Ma, mir geht’s gut. Ich werde Lea anrufen, okay?« Kurz durchzuckte mich das schlechte Gewissen, angesichts dieser Lüge, die mir so leicht über die Lippen gekommen war. Dabei wollte ich lediglich meine Mutter beruhigen. Zum Glück gab sie sich mit dieser Antwort zufrieden, und widmete sich wieder dem Gemüse. Ich für meinen Teil verzog mich für einige Minuten in mein Zimmer, bevor ich mich leise zu Maya schlich. Es klang komisch, aber meiner Schwester beim Schlafen zuzusehen, wirkte besser als es je ein Antidepressivum könnte. Ihre sanften Gesichtszüge ließen mich schwer und leicht zugleich fühlen. Schwer, weil ich mich fragte, wieso ein solch unschuldiges Geschöpf so viel Leid ertragen musste. Gab es nicht genügend Menschen, die solch grausame Krankheiten mehr verdient hatten? Warum musste es meine wundervolle kleine Prinzessin sein? Und leicht, weil ich hoffte, das sie wenigstens im Schlaf Erlösung fand. Das ihre Träume ihr einen Weg aus diesem ungerechten Körper boten. Ein leises Seufzen entfuhr mir. Ich hatte es immer als unerträglich gekünstelt empfunden, wenn in Filmen die bekannten drei Wörter fielen. Und doch sprach aus mir nur die Wahrheit, wenn ich sagte, dass ich Maya mit aller Hingabe liebe. * »…so begann die Freundschaft zwischen der kleinen Momo und den Leuten der näheren Umgebung.« Ich legte das Lesezeichen in die entsprechende Stelle und klappte das Buch zu. »Das war’s für heute Maya.« Meine Schwester saß, an mich gelehnt da und mit Kissen gestützt, und lächelte leicht. Ich hauchte ihr gerade einen Kuss auf ihren Scheitel, als die Tür aufging. »Hier seid ihr also.« Papa stand im Türrahmen. »Hallo Papa«, sagte ich und winkte. »Hallo ihr Süßen.« Er kam auf uns zu, umarmte erst mich und hob dann Maya hoch. Als er sie kitzelt, konnte er ihr sogar ein kleines Lachen entlocken. Dann sah er mich mit gespielter Entrüstung an. »Habt ihr etwa schon ohne mich weitergelesen?« Ich musste ein Grinsen unterdrücken. »Wie kommst du denn da drauf?« »Lass mich mal überlegen... vielleicht, weil sich das Lesezeichen 0,5 cm weiter unten befindet?« Nun mussten wir beide lachen. Plötzlich kam mir etwas in den Sinn. »Werdet ihr Maya wieder auf die Schule schicken?« Maya war nur sechs Monate auf die Blinden- und Behindertenschule in der Nähe gegangen, dann hatte sich ihr Zustand so rapide verschlechtert, dass sie dazu in den letzten Wochen nicht mehr in der Lage gewesen war. Momentan ging es ihr wieder besser, nur das Sprechen schien sie endgültig verlernt zu haben, doch ich wusste nicht, ob die Schulpflicht immer noch galt. War das nicht eine Ironie? Selbst wenn man wahrscheinlich nie seinen Abschluss machen wird, muss man trotzdem in die Schule. Mein Vater zuckte ein wenig ratlos mit den Schultern. »Mal sehen was die Ärzte sagen.« »Wann ist der nächste Termin?« »Am Donnerstag, also in fünf Tagen.« »Und die Physiotherapeuten?« »Kommt übermorgen.« »Und das nächste Treffen?« »Zea, ich bin kein wandelnder Kalender, frag deine Mutter.« Wir lachten beide abermals. Danach drehte sich mein Vater mitsamt Maya um und verließ das Zimmer. Ich wollte ihnen schon folgen, als ein Klingeln mich innehalten ließ. War das nicht mein Handy? Verwundert holte ich es aus meiner Tasche raus, wo es schon den ganzen Tag gelegen hatte und sah, dass mich tatsächlich jemand anrief. Eine unbekannte Nummer. »Hallo?«, hob ich zögerlich ab. »Hey Zea.« Es vergingen einige Sekunden, bis ich die Stimme am anderen Ende der Leitung erkannte. »Levin?!« »Wer den sonst?« »Woher hast du meine Nummer?«, fragte ich ihn verwirrt. Ich hörte sein Lachen. »Ich sitze hinter dir in Geschichte«, erklärte er. »Zufällig sind noch andere Schüler ebenfalls im Geschichtskurs, und ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht alle deswegen meine Nummer besitzen.« Ich verdrehte die Augen, auch wenn er das nicht sehen konnte. »Na gut, ich hab Lea gefragt.« Okay, das hatte ich nicht erwartet. Wobei, eigentlich war es doch logisch. Wer sollte ihm sonst meine Nummer geben? Ziemlich unerwartet, aber logisch. »Du kennst Lea?« »Unsere Eltern sind befreundet«, antwortete er. »Und was willst du?«, fragte ich harscher als gewollt. »Wir werden die Ferien gemeinsam verbringen.« Ich konnte das Grinsen in seiner Stimme selbst übers Telefon hören. »Bitte, was? Nein!« Er ignorierte meinen Einwurf und fuhr fort: »Ich erkläre es dir besser persönlich. Ich steh vor eurem Haus.« »Was?!« »Ich klingel jetzt. Bis gleich.« Ehe ich reagieren konnte, hatte er schon aufgelegt. Dafür ertönte unten die Haustürklingel. Das war doch ein schlechter Scherz? Schnell wechselte ich meinen Pyjama gegen ein schlichtes Shirt und eine Jeans. Danach lief ich in den Flur, und tatsächlich, da stand er. »Levin«, brachte ich überrascht, und immer noch ziemlich verwirrt, hervor. »Ah, du kennst den jungen Mann?« Meine Mutter, die ihm aufgemacht hatte, blickte erst mich an und dann wieder Levin. »Tut mir leid für die Störung. Ich wollte mich nur erkundigen wie es Zea geht, sie ging leider nicht ans Telefon«, sagte Levin nun in bester Schwiegersohn-Imitation. Fassungslos über diese Lüge, konnte ich nichts anderes tun, als ihn weiter stumm anzustarren. »Na, wenn das so ist, dann komm doch rein. Wir wollen gleich essen, willst du auch was? Ach übrigens, ich heiße Julia«, plapperte meine Mutter fröhlich drauf los. Meine Güte, sie benahm sich wirklich, als stünde vor ihr mein zukünftiger Ehemann. »Ähm, wir müssen nur was gemeinsam für den Kurs machen«, sagte ich schnell, endlich wieder in der Lage zu sprechen. »Komm Levin.« Ich zog ihn in mein Zimmer, bevor das Ganze noch eskalierte. Ich schloss die Tür, bevor ich ihn mit verschränkten Armen ansah. »Was soll das?« fragte ich ihn. Er setzte sich auf den Boden und lehnte sich gegen mein Bett. »Schön hast du es hier.« »Was willst du?«, wiederholte ich hartnäckig. »Hab ich doch schon gesagt. Ich werde die Ferien mit dir verbringen.« »Ich kenne dich noch nicht mal!« »Wir können uns ja kennenlernen. Wie du weißt, ist Levin mein Name, ich bin frische 18 Jahre alt und ab heute dein neuer Ferienkumpel.« Frustriert fing ich an, durch mein Zimmer zu laufen. So kam ich nicht weiter. »Da du es offenbar nicht für nötig hältst, mich überhaupt zu fragen, ob ich dein Ferienkumpel sein will, kannst du mir wenigstens erklären: Wieso ausgerechnet ich?« Levin lächelte. »Ich dachte schon, du fragst nie. Nun, ich gehöre nicht zu den Menschen, die an Schicksal glauben. Aber wenn mir morgens ein Mädchen vor die Füße geworfen wird, dann verstehe auch ich diesen Wink.« Der Junge war echt unglaublich. »Dann verstehst du hoffentlich auch den Wink, wenn ich dir sage, dass du dich nun bitte aus meinem Zimmer hinausbegeben sollst. Für immer.« »Ach komm schon.« Levin zog eine Schnutte. »Hast du keine Lust auf ein wenig Spaß?« »Nein.« »Ein kleines Abenteuer?« »Nein.« »Willst du nicht erzählen können, was du so Tolles in den Ferien gemacht hast?« »Nein.« »Nun, ich sehe, du bist sehr pessimistisch veranlagt.« »Bin ich nicht!« Seufzend fuhr ich mir durch die Haare. »Hast du keine Freunde, die du nerven kannst?«, fragte ich ihn, nicht ohne dabei die Augen zu verdrehen. »Nein«, antwortet er mich imitierend. »Sind alle verreist«, fügt er dann noch hinzu. Ich seufzte noch einmal. »Jetzt hör mir mal zu. Ich finde es ja echt... nett von dir, dass du mit mir die Ferien verbringen willst, aber ich habe leider überhaupt keine Zeit.« »Sag nicht, du fliegst weg?« Sollte ich ihn anlügen? Ich konnte ihm schlecht sagen, dass ich meine Ferien nur mit meiner Familie verbringen wollte. »Ah, zum Glück nicht.« Levin grinste mich an und stand dann auf. »Man muss nicht minutenlang überlegen, wenn man weiß, ob man verreist oder nicht.«Ich schwieg und tat so, als hätte ich auf dem Boden gerade etwas äußerst Interessantes entdeckt. Staub oder so.»Bitte Zea.« Ich hörte, wie er näher kam, und sah, wie sich seine Socken in meinen Blickwinkel schoben. »Denk wenigstens drüber nach.« Er kam noch näher, stand nun genau vor mir. Gezwungenermaßen blickte ich wieder auf, und wollte schon zur Antwort ansetzen, als die Zimmertür mit Schwung aufgerissen wurde. »Ma!«, rief ich empört, nachdem ich hastig zwei Meter nach hinten gesprungen war. »Oh, störe ich etwa? Das Essen ist fertig.« Meine Mutter lächelte uns unschuldig an. »Ich komme sofort«, antwortete ich. »Oh, bleibt dein Freund etwa nicht?« Ich schluckte die Erwiderung, dass er nicht mein Freund war, herunter und sagte trocken: »Nein, er wollte gerade gehen.« Zum Glück spannte Levin meine Geduld nicht länger auf die Folter, sondern nickte einfach nur zustimmend. »Ich bringe ihn nur zur Haustür, fangt schon mal an.« »Na gut, besuch uns gerne nochmal«, sagte Ma an Levin gewandt und verschwand dann. »Komm«, murmelte ich und ging voraus. Als er dann schließlich seine Schuhe angezogen hatte und draußen auf der Matte stand, sah er mich nochmal an. »Sag mir dann morgen Bescheid, okay? Ich ruf dich an.« Ich nickte einfach nur. Hauptsache er ging jetzt. »Bis morgen, Zea.« Mit diesen Worten verschwand er in der Abenddämmerung. Erschöpft schloss ich die Tür und lehnte mich einen Moment an sie. Ich konnte schon die Flut an Fragen erahnen, die mich im Esszimmer erwartete. Auf die meisten würde ich wahrscheinlich noch nicht mal selbst eine Antwort wissen. Levin war so… anders. Nicht das ich viele Erfahrungen mit Jungs gehabt hätte, aber trotzdem schien er nicht wie die anderen Jungs in der Schule zu sein. Trotzdem hatte ich kein Interesse daran, etwas mit ihm zu unternehmen. Ich konnte mich prima selbst um meine Freizeitbeschäftigungen kümmern. Kopfschüttelnd ging ich ins Esszimmer, auch wenn selbst das Levin nicht aus meinen Gedanken vertrieb. - Vier - Es war das Klingen meines Handys, das mich aus dem Schlaf riss. Halb liegend, halb aufgestützt suchte ich mit einer Hand danach. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war, als ich abhob. »Ja?« »Einen wunderschönen guten Morgen!«, trällerte Levins Stimme mir entgegen. Ich gab einen lauten Seufzer von mir und ließ meinen Kopf auf das Kissen sinken. »Also, hast du es dir überlegt? Ich hab schon eine Idee, was wir heute machen könnten. Okay, eigentlich habe ich ganz viele Ideen, aber irgendwo müssen wir ja anfangen.« Ich hörte ihm schweigend zu. »Hallo? Bist du noch dran?« »Ja«, antwortete ich und gähnte. »Müde, hm?« »Ein wenig.« »Schlecht geschlafen?« Kurz schoss es mir durch den Kopf, wie er reagieren würde, wenn ich ihm von meinem Traum erzählen würde. »Nein, war schon in Ordnung«, entgegnete ich schließlich. »Das ist gut. Also, was meinst du?« »Levin, du hast mich gerade aufgeweckt. Selbst wenn ich zustimmen wollte, hättest du es jetzt vermasselt.« »Zea, es ist zwölf.« »Wie bitte?!« Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett, verhedderte mich dabei in meiner Bettdecke und fiel mit einem lauten Knall auf den Boden. Ich gab einen jaulenden Ton von mir und rieb mir meine schmerzende Nase. Danach blickte ich mich nach meinem Handy um, dass bei dem Sturz in die andere Ecke meines Zimmers geschleudert wurde. Langsam robbte ich dort hin und hielt das Handy an mein Ohr.« »...Hallo? Zea, alles in Ordnung? Hallooo?«, ertönte gleich darauf hin wieder Levins Stimme. »Ich lebe noch«, seufzte ich, »hab bloß den Boden geküsst.« Levin lachte lauthals los. »Gut, dann will ich nicht dabei stören. Treib es nicht zu weit, ich hol dich um vier ab.« »Ich hab nicht...«, setzte ich an, wurde dann aber vom Tuten meines Handys unterbrochen. Der Junge hatte es wirklich mit ordentlichen Verabschiedungen. Nun rappelte ich mich endlich auf, und warf einen Blick auf die Uhr. Tatsächlich, schon Zwölf. Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, dass ich nach dem Albtraum wieder eingeschlafen war. Nachdem ich mich im Badezimmer gewaschen hatte, machte ich mich auf die Suche nach meiner Mutter und Maya. Schließlich fand ich sie auf dem Ehebett meiner Eltern, wo sie gemeinsam mit Bauklötzen spielten. »Morgen Ma, morgen Kleine«, gähnte ich mehr, als dass ich es sagte. »Guten Morgen mein Schatz. Genug geschlafen?« Ma lachte und klopfte neben sich auf das Bett. »Komm, setzt dich.« Ich ging zu ihr und ließ mich aufs Bett sinken. »Levin kommt um vier«, sagte ich. Warte, was? Warum hatte ich das meiner Mutter erzählt? Natürlich sah mich diese sofort aufmerksam an. Gestern hatte sie enttäuscht bemerken müssen, dass ich tatsächlich nicht allzu viel über diesen Jungen erzählen konnte. »Ihr wollt aber nicht weg oder?« Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wieso?« »Weil ich eigentlich um halb vier los müsste. Ich wollte noch mit einem Paar die letzten Einzelheiten besprechen, bevor ich den Auftrag endgültig abschließe.« Manchmal vergaß ich schon fast, dass meine Mutter auch arbeitete. Lag wohl daran, dass sie es momentan hauptsächlich zu Hause tat. »Dann sage ich ihm halt ab, ist nicht schlimm«, antwortete ich. Sonderlich drüber enttäuscht war ich nun wirklich nicht. »Nein, nein«, entgegnete Ma sofort. »Ihr könnt euch auch gerne hier vergnügen.« Dann schwieg sie kurz, um gleich danach hinzuzufügen: »Ihr habt das Thema aber in Biologie behandelt, oder?« Ich starrte sie an. Sie meinte doch nicht...? Oh Gott, bitte nicht. »Ma, da läuft echt nichts... also, nichts in dieser Richtung. Überhaupt nicht, wirklich!« versuchte ich meine Mutter zu überzeugen. Verdammt, sie dachte doch nicht wirklich, ich würde mit Levin schlafen?! »Na gut, wenn du meinst«, flötete meine Mutter und zwinkerte mir zu. Ich hingegen machte mich eilig daran, in die Küche zu flüchten. * Die Stunden vergingen, während ich mich die Alltagsroutine im Bann hielt. Frühstücken, duschen, aufräumen. Nichts Neues, nichts Spezielles. »Ich mach mich auf dem Weg, ruf mich an wenn was ist!«, rief mir meine Mutter zu. Ich streckte meinen Kopf in den Flur, damit sie nicht mehr das Haus zusammenbrüllte. »Ist gut. Bis später«, antwortete ich. Ma erwiderte die Verabschiedung und schon schloss sich die Tür hinter ihr. Ich ging zu Maya, die im Wohnzimmer auf ihrer Kuscheldecke lag. Ma hatte sie dort hingelegt, damit ich sie nicht erst aus dem Rollstuhl hieven musste. Sanft setze ich sie auf, so dass sie mit ihrem Rücken gegen meine Brust gelehnt war. Ich nahm mir eine Haarbürste, die ich vorher ebenfalls auf den Boden platziert hatte und fing an vorsichtig Mayas Haar zu kämen. Es sah genau so aus, wie das unserer Mutter: Ein goldenes Blond, mit Locken ohne Ende. Ganz ruhig entwirrte ich die einzelnen Strähnen, um Maya nicht weh zu tun. Dabei erzählte ich. Das machte ich oft, Maya etwas zu erzählen. Sie verlor ihr Augenlicht vor einem Dreivierteljahr komplett, und so müssen wir ihr alle helfen, diese Welt zu verstehen. Ihre anderen Sinne sind nicht ausgeprägt genug, um alleine weiter zu machen. Sie brauchte uns, brauchte mich, um zu wissen was um sie herum geschieht. Wie könnten wir ihr je diese Hilfe verweigern? Während ich weiter leise mit Maya sprach, fing ich an, kleine Klammern in ihren Haaren zu platzieren. Ich drehte sie ein wenig zu mir, um an den vorderen Strähnen weiter zu arbeiten. Lange dichte Wimpern säumten ihre Augen, eine Nebenwirkung des Gen-Defekts. Egal was je passieren würde, Maya war das schönste Mädchen auf dieser Erde. Als die Haustür erklang, hörte ich auf zu reden und legte Maya wieder sanft auf ihre Decke. Danach stand ich auf und ging zur Tür. Schon bevor ich sie öffnete, wusste ich, wer davor stand. »Levin«, sagte ich. »Zea«, antwortet er. Unwohl stand ich vor ihm. Sollte ich ihn gleich abwimmeln oder doch erst hinein lassen? »Können wir los?«, fragte er mich. »Äh, geht nicht. Muss auf Maya aufpassen«, antwortete ich erleichtert. Jetzt würde er gehen, oder? »Kein Problem, wir können auch sicher drinnen was machen. Kann ich rein?« Perplex nickte ich. Der Junge war hartnäckig. »Sie ist im Wohnzimmer«, murmelte ich. Gemeinsam gingen wir dort hin. Levin legte sich sofort neben Maya. »Hallo du«, begrüßte er sie sogleich. »Sie wird nicht reagieren«, informierte ich ihn. Er zuckte mit den Schultern. »Egal. Sie versteht mich doch trotzdem, oder?« Ich blickte von Maya zu Levin und wieder zurück. »Kann sein.« So plötzlich, wie er sich hingelegt hatte, stand er auch wieder auf. »Lass uns kochen.« »Kochen?«, wiederholte ich dümmlich. »Naja, eigentlich wollte ich etwas anderes machen, aber Kochen macht bestimmt auch Spaß. Wo soll ich Maya hintragen? In den Rollstuhl da?« Wieder nickte ich einfach. Ich weiß nicht wieso, aber es schien, als würde ich in Levins Anwesenheit kurzweilig vergessen, wie man spricht. Ich schob Maya in die Küche, während Levin uns folgte. In der Küche stellte ich den Rollstuhl so hin, dass sie uns gut hören konnte. »Was wollen wir kochen?«, fragte mich Levin. »Keine Ahnung«, antwortete ich, endlich meine Stimme wieder gefunden. Auch wenn sie in meinen Ohren viel zu hoch und piepsig klang. »Pizza? Ich kann nicht sonderlich gut kochen«, fuhr ich dann fort. »Hmm...«, murmelte Levin. »Na gut, Pizza geht immer«, entschied er dann. Gemeinsam bereiteten wir alles vor, er knetete den Teig und ich schnitt das Gemüse klein. Von der Theke aus konnte ich ihn unbemerkt beobachten. Ich wusste nicht wieso, aber Levin verwirrte mich. Vielleicht weil er so direkt und offen war. Und... fröhlich? Ja, er war definitiv fröhlich. Selbst jetzt summte er vor sich hin, und lächelte. Ich verstehe immer noch nicht, warum er seine Zeit mit mir verbringen wollte. Ich hatte noch nicht mal bemerkt, dass er mit mir in einem Kurs saß. »Sag mal Levin, du sitzt wirklich hinter mir in Geschichte?«, fragte ich ihn. Mir waren zwar meine Mitschüler weitergehend unbekannt, aber müsste er mir nicht wenigstens vage vertraut vorkommen? »Ja. Also, genau genommen, saß ich nur einmal hinter dir«, antwortete er mir, ohne sich umzudrehen. »Und die restlichen Male?« »War ich nicht im Kurs.« Erstaunt blickte ich seinen Rücken an. Er sah nun wirklich nicht wie jemand aus, der die Schule schwänzte. »Ich hab den Kurs gewechselt«, klärte er mich sogleich auf. »Das geht?« »In der Schule herrscht mehr Korruption, als in der Politik.« Nun drehte er sich doch zu mir um und zwinkerte mir zu. »Du hast Mehl auf deinem Shirt«, stammelte ich, um dann die Dämlichkeit meiner Aussage zu begreifen. Diese meeresblauen Augen brachten einen aber auch wirklich durcheinander. Sie bildeten einen wundervollen Kontrast zu seinen braunen Haaren, die nur ein wenig heller waren als meine... Energisch schüttelte ich den Kopf, um diese unnötigen Gedanken zu vertreiben. Es war egal, ob seine Haare nun braun oder rot-grün gestreift waren. Vollkommen egal. Zum Glück widmete sich Levin wieder den Teig zu, und sah somit nicht mein wildes Kopfgefuchtel. »Lass uns »20 Fragen« spielen. Jeder darf den anderen genau 20 Fragen stellen«, sagte Levin plötzlich und drehte sich nun endgültig zu mir rum. »Spielt man so etwas nicht im Kindergarten?« »Auf ewig jung«, lachte Levin und klopfte sich gegen das Herz. Ich verdrehte die Augen. »Muss das wirklich sein?« »Natürlich. Komm schon, dass macht Spaß!«, versuchte Levin mich zu überzeugen. »Na gut«, murmelte ich, »fang an.« »Was machst du gerne?« Ich zuckte mit den Schultern, das war einfach. »Ich kümmere mich um Maya. Also, ich spiele mit ihr.« Levin sah mich skeptisch an. »Und sonst? Du hast doch sicher auch noch andere Hobbys.« Ich seufzte. »Ich hab mal gezeichnet.« »Du hast?« »Ich habe aufgehört.« »Wieso?« »Keine Ahnung. Keine Zeit.« »Keine Zeit für kleine Zeichnungen?« »Keine Zeit, die ich nicht mit Maya verbringen könnte. Irgendwann werde ich genug Zeit zum Zeichnen haben, aber nicht mehr welche, die ich mit meiner kleinen Schwester verbringen kann.« In dem Moment, wo ich realisierte, was ich gesagt hatte, entfuhr Levin ein lautes: »Was?!« »Ich bring Maya ins Bett, sie muss schlafen. Es wäre vielleicht besser, wenn du jetzt gehst«, abrupt drehte ich mich um, und schob Maya raus, den Blick stur auf den Boden gerichtet. Ich ließ mir extra viel Zeit dabei, Maya zum Schlafen bereit zu machen. Aber irgendwann ließ es sich nicht mehr länger hinaus zögern, und ich musste das Schlafzimmer meiner Eltern verlassen. Ich biss mir auf die Lippe und blickte auf den Boden. Ich hatte keine Ahnung, was mir lieber war: Wenn er tatsächlich gegangen war, oder wenn er noch dort stand. Was sollte ich denn nun machen? Wie hätte ich ihn verraten können, dass Maya irgendwann sterben wird? Nun gut, ich hatte es nicht direkt gesagt, aber er hatte es trotzdem verstanden. Allein sein Blick... Schließlich nahm ich meinen Mut zusammen und ging in die Küche. Sie war leer. Und aufgeräumt. Das Gemüse befand sich ordentlich in verschlossenen Plastikdosen, die Platten waren alle sauber und den Teig fand ich einen Moment später im Kühlschrank. Seufzend ließ ich mich auf einen Stuhl fallen, und blickte mich nochmal in der Küche um. Die Uhr zeigte halb sechs, Levin war über eine Stunde hier gewesen. War das viel? Oder wenig? Ich legte meine Stirn auf die Tischplatte, als mir etwas ins Auge fiel. Ein klein gefalteter Zettel. Neugierig öffnete ich ihn. »Backen wir morgen die Pizza weiter? Levin« stand dort in säuberlicher Schrift. Gegen meinen Willen breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus und ich wusste wahrscheinlich zum hundertsten Mal nicht, was ich über diesen Jungen denken sollte. * Ich lag in meinem Bett und konnte nicht einschlafen. Mehrmals hatte ich mich umgedreht, hatte es mit und ohne Decke versucht. Zu sehr flogen meine Gedanken kreuz und quer, ohne dass ich ihnen einen Sinn entnehmen konnte. Hatte ich es nun vermasselt? Hatte er nun keine Lust auf mich? Obwohl, er hat doch geschrieben, dass wir morgen weiter backen. Und wenn er morgen doch nicht kommt? Oder wenn er etwas über Maya erfahren möchte? Was sollte ich dann bloß antworten? Ach Gott, ich schämte mich so. Ich hatte ihn doch eigentlich gar nicht rausschmeißen wollen, ich war bloß in Panik geraten, und... Seufzend presste ich meinen Kopf aufs Kissen. Das war ja nicht zum Aushalten. Wie spät es wohl war? Ich nahm mir mein Handy, machte es kurz an. Fünf Minuten vor Mitternacht. Meine Eltern schlafen schon, bestimmt. Ma war erst verwirrt gewesen, wegen der Pizza-Sachen in der Küche, aber als ich ihr erklärt hatte, dass Levin mit mir kochen wollte - wobei backen es eher treffen würde - hatte sie nur gelächelt. Ein Lächeln, in dem mal wieder zu viel Hoffnung lag. Waren alle Mütter so? Selbst wenn es Mayas Krankheit nicht gäbe, würde ich mich doch nicht gleich in den ersten Jungen verlieben, der mir über den Weg läuft. Obwohl, eigentlich taten sie das doch immer, die ganzen Klischee-Weiber in der fiktiven Welt. Erster Tag Junge, zweiter Tag Liebe und am dritten sind sie schwanger. Nein, danke, nicht mit mir. Papa nahm die ganze Sache gelassener. Er hatte ein paar Mal genickt und sonst nur vor sich hin gebrummelt. Der fand die Vorstellung mich in ein paar Tagen verheiratet zu sehen, wahrscheinlich nicht annähernd so toll wie Ma. Also, nicht dass das überhaupt passieren würde. »Ach halt die Klappe, Gehirn«, murmelte ich ins Kissen und drehte mich um, weil es dann doch ein wenig stickig wurde. Schnell fasste ich einen Entschluss. Ich nahm mir mein Handy, öffnete meine Anrufliste. Levins Nummer stand ganz oben, also speicherte ich sie ab und schickte ihm eine Nachricht. Ich schloss die Nachricht und lächelte. »Bis morgen, ich bin mit der nächsten Frage dran.«
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