Masilein Schrieb:Chevre Schrieb:Masilein Schrieb:
wir reden in meiner Familie tatsächlich viel über den Tod und auch sehr offen
und wir reden auch über unsere Wünsche für die Zukunft nach unserem Tod
mit wir mein ich aber eher meine Mutter und meine Brüder. meine Oma hat panische Angst, dass sie nicht in den Himmel kommt (zu Recht) und mein Vater verdrängt alles lieber
meine Brüder, meine Mutter und ich haben alle eine Art Abkommen
wir wissen, was die anderen sich - im Rahmen der Möglichkeit - als Beerdigung wünschen. Wir wollen alle verbrannt werden, meine Mutter verstreut, meine Brüder lassen die Zukunft ihre Asche frei in den Händen der Verbliebenen und ich liebäugel mit einer Seebestattung, aber nur sofern das Geld es zulässt, ansonsten ist es eben das, was die Verbliebenen wollen. Ich brauch kein Grab für mich. Ich brauch kein Grab für meine Familie. Ich kann auch ohne Grab trauern und einen Ort dazu finden.
Wir alle sind inoffiziell Organspender - sollte es sich anbieten wissen die anderen, dass sie sofort ihre Einverständnis geben dürfen.
Meine Brüder und ich haben alle abgeklärt, was wir wollen, was mit unseren Sachen, unserem Geld und so passiert, wenn wir sterben, bevor es an unseren Eltern ist. (Ich hab meiner Mutter mal gesagt, wenn ich sterben sollte bevor sie gehen, dass sie bitte eine Spende an das Tierheim tätigen soll, eine an einen Verein, den ich sehr gerne mag und den Rest auf meine Brüder aufteilen. Meine Klamotten und Sachen soll sie behalten, was sie braucht (sie ist auch kein materieller Trauernder) und meinen Brüdern und meinem Vater auch die Möglichkeit geben. Dann soll sie bei meinen Freunden nachfragen, ob jemand was davon will. Versandkosten würden auch von meinem Geld abgehen. Und den Rest soll sie spenden, verschenken, verkaufen oder verbrennen, was auch immer sie will.)
Finde ich eine sehr gesunde Einstellung und hilft einem auch sehr. Habt ihr auch über alle Eventualitäten was den gesundheitlichen Zustand betrifft gesprochen? Also mein Konflikt war vor allem: Soll ich sie nochmal besuchen, komme ich selbst mit dem unschönen Bild sie so zu sehen klar oder würde sie das nicht wollen. Im Endeffekt habe ich das schwierige Thema mit jemanden besprochen, der diesen Menschen wohl am besten kannte und mir die Entscheidung abnehmen lassen. Weil ich konnte die Entscheidung damals nicht treffen. Aber bei uns in der Familie wird sowas eher leider weniger besprochen.
Ich glaube, zu wissen was die Personen wollen würden, hilft den verbliebenen sehr. Sich nicht die Frage stellen zu müssen, was die Person gewollt hätte. Von meinen Eltern weiß ich nur, dass beide glaube ich nicht verbrannt werden wollen, aber so detailliert haben wir noch nicht drüber gesprochen.
Materielles brauche ich glaube auch nicht umbedingt, kommt aber bei mir auch immer auf den Menschen drauf an. Von meiner Uroma hätte ich gerne zwei Dinge: ein von ihr gestricktes Bild (sie hat davon soo viele gemacht) und ihre Märchenbücher. Da hatte sie selbst zu mir als Kind immer gesagt, dass ich die irgendwann erben soll, wenn sie nicht mehr ist. Einfach weil uns beide die Leidenschaft zum Lesen verbunden hat.
Es ist halt echt schade und erschwert vermutlich vieles, dass der Tod so ein Tabuthema ist. Ich glaube der Umgang der Familie damit, bestimmt ein Stück weit wie man später selbst damit umgeht oder klarkommt.
Generall ja. Also wir wissen, was halt die Möglichkeiten sind. Like ... wir haben wieder vermehrt über das Thema geredet, als ich meine beiden OPs hatte - nicht weil wir dachten, dass ich safe sterben könnte, die Chance dafür war klein. Aber die Chance auf Krebs oder ein Leben im Rollstuhl war halt verdammt groß und naja, man will dann halt auch darauf vorbereitet sein.
Also, ich glaub das näheste an der Situation hatte ich mit meinem Opa. Er wusste, dass er am Sterben lag, deshalb hat er meine Cousine und mich an einem Wochenende zu sich gerufen. Ich weiß noch, ich fand es damals super schräg, weil er wirklich schlecht gelaunt war die ganze Zeit (er hatte halt tierisch Schmerzen, Knochenkrebs, das ist nicht bequem) und wollte nicht high auf Morphium sein, als wir bei ihm waren. Meine brüder und mein Cousin haben ihn die Woche darauf Freitag gesehen beim Mittagessen (sie sind aus irgendeinem Grund da gewesen zum Essen). Und die Woche darauf ist mein Opa Sonntagmorgen gestorben. Da er daheim gestorben ist und wir auf den Arzt warten mussten, haben meine Tante und meine Mutter (die über Nacht da waren) jeweils daheim angerufen und wir sind alle da hin. Meine Brüder und mein Cousin hatten echt null Scheu, die haben ihm die Wange gedrückt und am Ohrläppchen gezogen und mit den Händen gespielt, total fasziniert davon, wie lange es doch dauert, dass die Totenstarre einsetzt. Ich wusste nicht, ob ich nochmal rein sollte um ihn zu sehen und meine Cousine hat auch gezögert. Meine Mutter und meine Tante sagten dann beide, dass er in den letzten zwei Wochen, die wir ihn nicht gesehen hatten, nochmal arg abgenommen hatte. Er hatte ein richtig eingefallenes Gesicht und Verfärbungen am ganzen Körper durch die schlechte Wundheilung und die Medikamente. Wir entschieden beide, dass wir ihn nicht noch einmal sehen wollten. Ich hab das Foto, das wir an dem Tag, als wir ihn das letzte Mal sahen, immer noch. Ich seh auf dem Foto ein bisschen verschreckt aus, weil er mich einfach erschrocken hat, weil er so herrisch meine Oma anschrie, dass sie das Foto machen soll und dass sie sich Mühe geben soll, dass es ordentlich ist und zu merken, wie sehr es ihm wehgetan hat sich im Sessel aufzurichten, damit er uns beiden eine Hand auf die Schulter legen konnte, während wir neben dem Sessel saßen. Wir mussten super aufpassen, dass wir nicht gegen ihn stießen, weil jede Berührung Pein war und es war grausam. Rückblickend - er wusste, dass er sterben würde. Er wollte es uns aber nicht sagen, weil er uns keine Angst machen wollte. Mit seinem Benehmen hat er mir mehr Angst gemacht, als es je sein Plan war. Es ist nicht mein Lieblingsfoto mit ihm und es ist auch bei Leibe nicht die beste Erinnerung. Aber es ist so, wie ich seine letzten Tage im Kopf behalte - diese Verbissenheit, dass er sich von jedem verabschieden wollte, koste es was es wolle.
Ich finde auch, dass wir viel zu vermeidend als Kultur mit dem Tod umgehen. Wie gesagt, ich liebe die barocke Sicht auf das Thema und das Leben insgesamt. Einer der Gründe, weshalb schon so einige Witze darüber gemacht haben, ich sei Goth im Herzen. Ich fidne wir sollten alle mehr darüber reden. Und insgesamt sollten wir mehr Platz in unserer Kultur lassen für Dinge, die nicht "nur" schön sind. Wir denken zu sehr schwarz und weiß, wir denken zu sehr in Absoluten. Der Tod ist, was das Leben lebenswert macht. Der Tod ist, was uns Grund gibt das Meiste aus unserem Leben herauszuholen. Die Endlichkeit allen Seins ist der Grund, wieso wir in der Lage sind Dinge zu schätzen. Ohne Böse gäbe es kein Gut. Ohne Krankheit keine Gesundheit. Ohne Schmerz kein Glück. Wir können nicht über das Leben reden und außer Acht lassen was für ein prägender Impakt der Tod auf das Leben hat. Was er Gutes mit sich bringt. Was ihn unerträglich macht. Manchmal glaube ich, dass wir nie gelernt haben "negative" Gefühle richtig zu verstehen und zu deuten. Wenn wir um Tote trauern, dann trauern wir um den vermeintlichen Verlust von Möglichkeiten. Wir beachten gar nicht, wie das leben für den Verstorbenen war. Wir sehen es aus unserer Sicht. Wir bereuen unsere versäumten Momente, wir bereuen unsere Worte und unsere Taten. Wir bereuen selten das Leben der anderen. Selbst im Tod denken wir an den negativen Impakt, den es auf uns hinterlässt. Der Tod hat nichts mit uns zu tun, wieso sollten wir ihn Teil unseres Lebens machen. Warum fokussieren wir uns nicht darauf, wie die Person Teil unseres Lebens war und nehmen all unsere Reue und Schuldgefühle und setzen was dran, dass wir zufrieden in den Tod gehen können, statt zu befürchten, dass wir Dinge versäumt haben. Denn dann haben wir lediglich uns selbst enttäuscht und hätten es in der Macht gehabt es zu ändern.
Das finde ich total gut, man möchte eben auf alles vorbereitet sein und leider weiß ja niemand vorher wie es kommt.