Die Ideologie der Nationalsozialisten lässt sich in 5 Säulen einteilen, auf denen ihre politischen Entscheidungen und Gräueltaten fußten. Darunter fallen der Sozialdarwinismus, der Führerkult, Nationalismus, die Volksgemeinschaft und der Anspruch auf Lebensraum im Osten. Etwas weniger oft genannt wird die Germanenideologie bzw. der Germanenkult. Um diesen zu verstehen, schauen wir uns zuerst die Germanen genauer an.
Über die Germanen Aussagen zu treffen, ist sehr schwierig, da der Begriff nie selbstbezeichnend verwendet wurde und die betroffenen Volksstämme lange keine Schrift besaßen. Viele alte Zeugnisse sind daher Fremdzeugnisse und müssen kritisch gelesen werden.
Der Begriff Germanen tauchte im 1. Jh. v. Chr. erstmals bei den Römern und Griechen auf und bezeichnete die damals in Nord- und Mitteleuropa lebenden Stämme, die weder der römischen noch der griechischen Kultur angehörig waren. Die Stämme selbst identifizierten sich eher als Stamm selbst und im Laufe der Zeit verschwanden einige, entstanden neue oder vermischten sich Stämme.
Eine einheitliche Kultur der Germanen gab es nicht. Es gibt wenige Gemeinsamkeiten, diese bestanden im Leben in Siedlungen und im Leben von Ackerbau und Viehzucht. Sie verfügten außerdem über Handwerkskünste und betrieben Handel mit den Römern. Die Stämme besaßen eine patriarchalische und hierarchische Ordnung und unterhielten Volks- und Gerichtsversammlungen. Ihre Sprachen werden heute unter der indogermanischen Sprachfamilie zusammengefasst, waren aber auch nicht einheitlich. Erst im 1. Jh. n. Chr. wurde die Runenschrift auf Grundlage anderer Schriften (vermutlich der lateinischen) entwickelt. Runen wurden jedoch nie zu einer Alltagsschrift und wirklich als Möglichkeit, Wissen aufzuschreiben, genutzt. Meist wurden sie für Inschriften, Weihgaben, Besitzerangaben und Geschenke verwendet. Nur eine kleine Elite war der Schrift mächtig. Kommunikationsmittel blieb die gesprochene Sprache.
Die Religion der Stämme war ebenfalls nicht einheitlich, heute würden wir sie als den Glauben an die nordische Mythologie mit ihren Sagen und Mythen bezeichnen. Erst im 13. Jh. n. Chr. wurden diese in der Edda niedergeschrieben. Als polytheistische Religion gab es viele Götter, die sich teils mit den römischen mischten und sich von Zeit zu Zeit auch unterschieden. Bekannte germanische Stämme sind u.a. die Alemannen, die Franken, die Goten und die Sachsen.
Allgemein wird unter Germanenideologie die Idealisierung des Germanischen bezeichnet, oft verbunden mit einer nationalen Idee. Im Zuge des Nationalsozialismus geht dies auch mit einer Verklärung der Germanen einher. Erst um 1500 wurde das Fundament dieser Ideologie gelegt. Damals hat man die „Germania“ von Tacitus entdeckt, in der der Römer die Germanen beschrieb. Oft klischeebeladen, wenig objektiv und vermutlich wenig wahrheitsgetreu, da die Germania auch dazu diente, ein Gegenbild zu der von ihm kritisierten römischen Gesellschaft zu entwerfen. Damals kannte man die Germanen noch nicht als Vorfahren der Deutschen (wobei es diesen Begriff auch noch nicht gab). Erst ab 1871, als es zum ersten Mal einen „deutschen“ Nationalstaat gab, erlangten germanische Sagen Popularität. Arminius, der in der Schlacht am Teutoburger Wald zum Sieg über die Römer verhalf, wurde zum Befreier Germaniens und als Identifikationsfigur idealisiert. In vielen Schriften seit 1500, u.a. bei Luther und Ulrich von Hutten wurde er als Widerstandskämpfer gegen Rom, als Vaterlandsverteidiger und Retter der Deutschen bezeichnet. Statt Arminius wird oft auch der Name Herrmann („Heer-Mann“) verwendet. Wichtig dabei ist, dass es stets um den Sieg über einen Gegner ging und nie um Völkerverständigung, sondern um die Abgrenzung von anderen. So wurde er zum Bild für deutsch-nationales Bewusstsein, Vaterlandsliebe, Freiheit und Einheit. Mit einem neu aufkommenden Nationalbewusstsein im 19. Jahrhundert wurde ihm mit dem Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald ein Denkmal gesetzt. Das Aufkommen des Nationalstaates bestärkte zudem den Wunsch, sich mit der Herkunft des eigenen Volkes zu beschäftigen. Es entstand eine völkische Bewegung, die den Anspruch hatte, sich auf die germanische Vergangenheit und Kultur zu stützen.
Daraus entwickelte sich später die Germanenideologie des 19./20. Jahrhunderts, die vor allem durch die Nationalsozialisten vertreten wurde. Ein Beispiel für die Verherrlichung des Germanischen stellt Richard Wagner dar, dessen Opern wie „Der Ring der Nibelungen“ sich auf germanische und „deutsche“ Sagen berufen und neue „deutsche“ Tugenden präsentieren. Von ihm stammen nicht nur Opern sondern auch rassenideologische Schriften, die das Deutsche über andere Völker und auch das Judentum als verfremdend für die deutsche Kultur erklärt.
Dies zeigt auch, dass sich die neue deutsche Vaterlandsliebe im 19. Jh. zunehmend in eine rassenideologische Richtung entwickelte. Man berief sich auf die vermeintliche germanische Vergangenheit (auf dem Gebiet des Deutschen Reiches siedelten allerdings auch andere Völker wie Römer und Kelten) und verband dies explizit mit rassistischen und auch antisemitischen Tendenzen.
Zusätzlich dazu kam auch der Sozialdarwinismus auf. Verbunden mit dem Nationalismus und der Rassentheorie wurden diese oft als wissenschaftlich und sogar als Heilslehre aufgefasst. Arthur de Gobineau unterteilte die Menschen in „Die Ungleichheit der Menschenrassen“ (1853 – 1855) erstmals nach Hautfarben ein in schwarz, gelb und weiß. Letztere nannte er Arier und rief sie als zum Herrschen bestimmt aus. Juden galten zudem als eigenständige Rasse, die die deutsche in den Augen sogenannter Rassentheoretiker gefährdete. Nur die deutsche Rasse sollte als stärkste und gesündeste überleben.
Mit der Niederlage des ersten Weltkrieges und dem Versailler Vertrag ließ sich eine weitere Radikalisierung des Nationalismus beobachten. Dabei wurden auch Österreicher und andere deutschsprachige Minderheiten als Teil des deutschen Volkes gesehen, allerdings nicht die Juden. Es ging um eine rücksichtslose Durchsetzung der Interessen des Deutschen Volkes, internationale Bestrebungen wie der Marxismus und sogar die katholische Kirche wurden abgelehnt. Das Bedürfnis nach privatem Glück wurde ignoriert.
Was bis 1933 vor allem Theorien waren, wurde unter Hitler Praxis. Dieser setzte die Deutschen mit den Germanen gleich und setzte die Reinhaltung der deutschen/arischen Rasse als höchstes Ziel. Diese nannte er Herrenrasse und wies ihnen wie damals schon Tacitus die Merkmale blaue Augen, blondes Haar und groß zu. 1934 wurde im Arierparagraphen festgelegt, wer als Arier galt und dies wurde die Grundlage der Arisierung Deutschlands, im Zuge derer Juden aus der Wirtschaft und dem Berufsleben ausgeschlossen wurden. Die Nürnberger Rassengesetze von 1935 ergänzten den Paragraphen und proklamierten Maßnahmen, die das „deutsche Blut“ und die deutsche Ehre schützen sollten. Zusätzlich wurde 1934 das Rassenpolitische Amt gegründet, aber auch das Reichsgesundheitsamt besaß eine „Rassenhygienische und Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle“.
Da dieses Thema zur Zeit des Nationalsozialismus jedoch so umfangreich ist und ich es aufgrund der schwerwiegenden Folgen nicht stark zusammenfassen will, sprengt es ein bisschen den Rahmen eines einzelnen NT Beitrags. Daher wird in den nächsten Wochen ein zweiter Beitrag folgen.
Zum Ende möchte ich nochmal klarstellen, dass keine der „Theorien“ sogenannter Rassentheoretiker wissenschaftlich fundiert ist und sehr vieles, was über die Germanen von diesen und anderen Menschen verbreitet wurde (und wird) weder Hand noch Fuß hat. Germanen wurden stets romantisiert und verklärt und das völkische Bild war eher ein Wunschbild.