Zahlreiche Schritte hallen durch die Gänge, Geschirr klirrt, und der Geruch frisch angezündeter Kerzen zieht bereits in die Nebenräume. Das Social-Media-Team arbeitet noch im Akkord, um die Location fertigzustellen und den letzten Feinschliff vorzunehmen. Aus der Küche rumpelt es, immer wieder kommt jemand heraus, mehlbedeckt, ruft kurz in den Flur und verschwindet wieder.
Nur die Mods sitzen regungslos herum und starren seit Stunden nervös auf die Tür, fast unbeweglich. Zwischenzeitlich ist nicht einmal klar, ob sie überhaupt noch atmen. Das News-Team hingegen ist völlig entspannt. Da sie ihre Arbeit schon im Vorfeld erledigt haben, düsen sie auf Rollbrettern durch die Halle. Das endet darin, dass Libelullinae über eine Stange rollt und mit einem Schlag auf dem Gesicht landet. Sie blutet ein wenig, woraufhin Mucen sofort in Ohnmacht fällt.
Doch Lele kümmert sich aufopferungsvoll um die Verletzte und sorgt dafür, dass der Notarzt weiterhin wirklich wichtigen Aufgaben nachgehen kann. Und so vergehen die letzten Stunden der Vorbereitung, bis sich nach und nach alle Teammitglieder zurückziehen, um sich in Schale zu werfen. Jeder für sich, jeder undercover, jeder in seinem Kostüm für den Maskenball.⸻„Okay, okay, ab hier übernehme ich!“, ruft MsSuicideSheep, reißt sich die Erzählerperspektive an sich und winkt wild. Sooooooo. Der Maskenball, Leute. Hammer! Endlich geht das große Spektakel los, auf das wir uns so lange vorbereitet haben. Ich glaube ja fast, dass wir viel aufgeregter sind als unsere Gäste. Ich frage mich bloß, ob überhaupt jemand kommt, wo wir Mods doch die Einladungen so herrlich verkackt haben. Ich werfe noch einen letzten Blick in den Spiegel, bevor ich die Haustür hinter mir schließe. Ein Taxi bringt mich bis zum Schloss. Es ist bereits dunkel, die Sterne funkeln am Himmel, und es ist gar nicht so kalt wie an den Tagen zuvor. Ein angenehmer Herbstabend. Als das Taxi anhält, traue ich meinen Augen nicht. Minuten vor Einlassbeginn steht bereits eine riesige Menge vor dem Tor des Schlosses.
Alle tragen prachtvolle Kleider, kunstvolle Frisuren und die verrücktesten Masken. So anonym, wie wir die Einladungen verschickt haben, sehen unsere Gäste auch aus. Ich erkenne wirklich niemanden. Ich steige aus und versuche, mich etwas vorzutasten, als ich ein Gespräch aufschnappe. „Wenn du jetzt dein neues Bett auf 666vipbett kaufst…“Meine Alarmglocken schrillen. „Hey! Hörst du wohl auf, Leute anzuwerben?“, rufe ich und stürme auf die Person zu, die bereits ein „Hey, I’m…“-Sticker trägt. In krakeliger Schrift lese ich 666vipbett und atme auf. Falscher Alarm. Chill mal, alte, denke ich und grinse breit, während ich mich der Unterhaltung anschließe. Ihr Gegenüber steht eine Person mit dem Namensschild cheeeeese. Der Name ist Programm: gelbes Kleid, Käsemaske und kleine Käsewürfel im Haar. Irgendwie eklig, aber praktisch. Abendsnack immer dabei. Eigentlich smart.
Plötzlich öffnen sich die Tore vollautomatisch, und die Menschentraube watschelt hinein. Auch der Vordereingang ist zauberhaft geschmückt. Man könnte meinen, das CT-Team habe keine Kosten und Mühen gescheut. Dabei haben sie bloß Voldemort gefragt, ob sie ihren Keller ausmisten dürfen. Was sich da alles ansammelt, mein lieber Herr Gesangsverein! Mit dieser Sammlung könnte man locker zehn solcher Feste gleichzeitig feiern. Einige Gäste bleiben stehen, um Fotos zu schießen, doch ich bin zu aufgeregt. Ich bleibe doch nicht mitten im Weg stehen, wenn vor mir dieses unglaubliche Schloss liegt. Also laufe ich weiter, bis ich kurz vor der Tür stehe. Zwei Bedienstete in schwarz-weißer Kleidung öffnen sie zeitgleich. Das Funkeln und Leuchten des Saals blendet fast wie Sonnenlicht und ist doch wunderschön. Wie eine Motte vom Licht angezogen, trete ich ein. Ein betörender Duft legt sich um meine Nase, erste Klänge von Instrumenten erklingen. Kellner eilen mit Tabletts voller Sekt durch den Raum, und ich mache große Schritte, um mir gleich zwei Gläser zu schnappen.
Doch jemand folgt mir wie ein Schatten, ohne Namensschild. „Kein Grund, mich zu stalken, man!“ Ich drehe mich um und erkenne sie sofort: Palelilac. Sie greift ebenfalls nach einem Glas. „Du hast Brokkoli zwischen den Zähnen, sheep. Sieht man aus Kilometern“, sagt sie gelangweilt. „Verdammt.“ Ich murmele und fummle mir mit dem Finger im Mund herum. „Hast du Risa gesehen? Sie soll endlich Fotos von mir machen.“ Pale schaut über den noch recht leeren Saal. Ich rolle mit den Augen. Typisch. Trotzdem, eine gute Frage. Ich habe bisher kaum jemanden erkannt.Als sich der Saal langsam füllt, entdecke ich erste bekannte Gesichter. Besonders Libelullinae fällt auf, mit Nasengips. Aber hey, so viel Investment in eine Maske hat wohl niemand sonst. Sie hat sogar Flügel darauf gemalt. Wenig später betritt Bluemoon die Bühne, unschwer zu erkennen an ihrem komplett blauen Outfit und dem Haarreif mit kleinen Monden. „Schönen guten Abend, liebe Gäste! Wir bedanken uns herzlich für euer zahlreiches Erscheinen. Um den Abend gebührend zu starten, beginnt nun das Flying Buffet, organisiert vom BT. Wir wünschen guten Appetit und hinterlasst uns gerne euer Feedback in der Empfangshalle!“, ruft sie. Die Menge tobt. Applaus und Jubel füllen den Raum. Die Lichter dimmen, Partymusik erklingt.
Kellner strömen aus allen Türen, Tabletts voller Köstlichkeiten im Arm. Das BT hat ganze Arbeit geleistet. Allerdings sehe ich, wie jemand versucht, ein ganzes Tablett allein zu verdrücken. „Hey! Lass auch was für die Gäste übrig!“ rufe ich empört. Die Person blickt auf, böse Augen funkeln. Laut Namensschild heißt sie Vater. Und tatsächlich: Sie isst einfach weiter. Plötzlich schiebt sich jemand dazwischen. „Bruder, chill, okay? Gibt noch genug andere geile Snacks, vertrau.“ Diese Stimme! Das muss Taubsi sein. Natürlich. Wer sonst kennt das Buffet so gut? „Hey! Das sieht großartig aus!“ Ich laufe zu ihr und drücke sie fest. Sie erschrickt so sehr, dass sie sich verschluckt. Meine Umarmung hilft da wenig. „Oh mein Gott, tut mir leid!“ Ich lasse los und klopfe ihr auf den Rücken, bis ein Käsewürfel aus ihrem Hals fliegt. Sind das nicht die von cheeeeese, denke ich. „Iss sie nicht“, krächzt taubsi und taumelt davon.Ich starre auf den kleinen Würfel am Boden, stupse ihn mit dem Schuh an. Gummi. Kein Snack. Kein Wunder, dass es fast schiefging. Lele hat inzwischen eine kleine Erste-Hilfe-Station eröffnet. Sechs weitere Gäste sitzen dort, alle leicht bläulich um die Nase.
„Vielleicht schaust du auch mal nach Taubsi. Die sieht so aus wie die da drüben.“ „Man, ich hab ihr doch gesagt, iss nix vom Boden!“, ruft Lele und verschwindet in der Menge, um Taubsi zu retten. Ich schleiche mich rückwärts davon und widme mich endlich dem Buffet. Alles schmeckt fantastisch, ein wahres Wunderwerk für den Gaumen. Leider bin ich bald so satt, dass ich gar nicht mehr alles probieren kann.Da sehe ich wieder 666vipbett, die versucht, Gäste anzuwerben. „Hier hätten wir zum Beispiel 666vipabführmittel.de, damit ihr mehr essen könnt!“ ruft sie und öffnet ihre Weste wie ein Dealer. Darin: ein QR-Code.Ich rufe schnell Honey an. „Wo bist du? Ich brauch hier Verstärkung!“ Ich halte das Handy ans Ohr, höre aber nur den Lärm der Menge.„Ich hab’s genommen… steck fest…“, höre ich mit Mühe. Nicht ihr Ernst. Ich renne auf die Toiletten, klopfe an jede Tür.„Alles gut, ich hab’s im Blick“, sagt Samsmith beruhigend und zieht mich zurück in den Flur. „Geh du mal weiterfeiern… äh, wer bist du eigentlich?“ Ich starre sie an. „Wie, du erkennst mich nicht?“„Na, du hast ja nicht mal dein Namensschild ausgefüllt.“
Sie drückt mir einen Stift in die Hand. Stimmt. Ganz vergessen. Gerade will ich meinen Namen spiegelverkehrt draufschreiben, da dröhnt plötzlich laute Technomusik. Ich ahne Böses und renne hinaus. Die Menge tanzt, Blitze zucken durch den Raum. Risa! Sie macht Fotos. Ich will auch eins. Ich bahne mir den Weg durch die Menge, und dann passiert, was immer passiert: Ich stolpere und fliege volle Kanne aufs Gesicht. Als ich wieder zu mir komme, sitze ich neben Lele, die auf einem Stuhl eingeschlafen ist, wie auch immer das bei der Lautstärke möglich ist. Sie muss sich um mich gekümmert haben, ohne meine Maske abzunehmen. Ich bin also weiterhin undercover. Mittlerweile ist es wohl drei Uhr nachts. Der Saal ist noch immer gut gefüllt, die Stimmung ausgelassen. Die Fotostände sind belagert, das Buffet geplündert. Doch die Luft ist stickig, also gehe ich hinaus. Draußen sitzen einige Personen auf den Stufen. Es sind Leute aus dem Team: Honey, Pale, Shurima, Risa und Mucen. Sie genießen die frische Luft und die Ruhe.„Na, habt ihr gut gefeiert?“ frage ich.
Alle nicken, aber keiner spricht. Sie blicken in die Sterne, träumen vor sich hin. Mucen scheint sogar eingeschlafen zu sein. „Hat eigentlich jemand mojito gesehen?“ frage ich. „Die musste passen, ihr Hamster hatte wohl einen Schlaganfall oder so“, murmelt Shurima. „Sie hat einen Hamster? Ich dachte, sie hat eine Tierhaarallergie?“ „Was weiß ich, wer bist du überhaupt?“ Shurima klingt leicht genervt. Da fällt es mir wieder ein. Mein Namensschild.„ Ach stimmt ja. Habt ihr einen Stift?“ Honey reicht mir einen durch die Runde. Ich öffne ihn, halte kurz inne. Der ganze Abend läuft vor meinem inneren Auge ab, chaotisch, laut, schön. Ich glaube, alle sind auf ihre Kosten gekommen. Die Teams haben wirklich alles gegeben, um diesen Abend zu etwas Besonderem zu machen. Ich lächle, setze den Stift an und schreibe meinen Namen: …