MEINUNG Coming Out |
Eigentlich solltet ihr vor zwei Wochen schon einen neuen Blog bekommen, aber mir ging's scheiße und ich dachte mir, irgendwie muss etwas Unproblematisches und fast schon Leichtfertiges her. Aber weil ich das scheinbar nicht kann, habe ich es gelassen - ich hoffe mir sei verziehen. Neue Rubrik W a s e u c h e r w a r t e t Just for fun beginnen wir heute also mit meiner neuen Rubrik "Meinung". Das ist im Prinzip mein Senf zu aktuellen oder bereits längst verdrängten Themen und Ansprüchen. Manchmal inspiriert durch Videos, manchmal inspiriert durch Diskussionsthreads, quasi immer inspiriert durch meine Dummheit, die glaubt es sei clever sich die eigene Meinung auf die Stirn zu tackern. Wie es bei Meinungen so üblich ist, müsst ihr mir nicht zustimmen. Aber ich fände es richtig toll, wenn wir ganz gleich eurer Meinung (ok, cooler wenn ihr anderer Meinung seid, weil dann kommt mehr dabei raus) in den Kommentaren bisschen darüber quatschen können. P a r t 1 Mein Beef heute ist einer, der schon recht alt ist und ein Problem, das ich seit ich 16 bin mit mir rumtrage. Ganze 8 Jahre voller Pein und Qual. Ok, das war überspitzt. Aber heute geht es um das Coming Out. (Ja man, hot take zu sexuellen Orientierungen, wir sind alle hier für Kontroversen.) Kult oder Kultur? D a s P r o b l e m Jetzt nicht falsch verstehen, ich hab kein Problem damit, wenn Leute unbedingt ein Coming Out haben wollen. Du hast dein Ich tief in deinen Gedankengängen entdeckt, fühlst dich jetzt endlich wohl in deiner Haut und weißt wer du wirklich sein willst und willst das von den Dächern schreien? Ich bin die letzte, die dir den Mund verbietet. Mein Problem ist diese Coming Out Kultur, die sich bereits vor Jahren im Internet verbreitet hat. A k t u e l l e S i t u a t i o n Natürlich, die Nummer ist nicht mehr ganz so aktuell. Die ganzen Coming Out Videos auf Youtube sind im Schnitt etwa 10 Jahre alt und auch auf Tumblr ist es bei Weitem nicht mehr so intensiv. Aber im privaten Raum gibt es den Druck und Drang immer noch und auch im Internet ist er noch lange nicht ausgestorben. W a s m i c h s t ö r t Und das wirft in mir die Frage auf: Warum eigentlich ist das so wichtig? Gefühlt geht es in den Videos und Posts immer nur um das eine: Personen äußern sich zum ersten Mal gegenüber Dritten (oder Zweiten? Ich meine, sich selbst als zweite Person zu bezeichnen ist schon bissl weird) zu ihrer sexuellen Orientierung und auch wenn es um die sexuelle Identität geht, gibt es mittlerweile immer mehr solcher Beiträge. Das ist ja schön und gut. Aber dann kommt die Kommentarfraktion und die teilt sich auf. Auf der einen Seite hast du dann die ganzen anderern Erfahrungsberichte und Erzählungen, auf der anderen die ganzen Kommentare, wie stark und heroisch es doch ist, sich zu seiner Sexualität zu bekennen. Die Hasskommentare lasse ich hier mal weg, weil die haben nix mit der Diskussion zu tun. B e k e n n e n i s t d o c h g u t ? Und ja, es ist gut, dass Leute sich zu sich selbst bekennen. Aber für mich fühlt es sich an, als sei das irgendwie eine Bewegung. Es gibt tatsächlich einen großen Raum in der LGBTQ+ Community, die einen sehr großen Wert darauf legt, ob man jetzt "out" ist oder nicht. Diesen Drang und Druck sich zu sich selbst bekennen zu müssen und dabei vollkommen außer Acht lassen, dass zu sich selbst stehen bei sich anfängt und auch genau dort endet. Als sei man weniger wert in seiner sexuellen Orientierung oder Identität, wenn man es nicht mindestens 100 Leuten gesagt hat. U n d d a n n n o c h d i e L o r b e e r e n Was mich dann noch einen Ticken mehr stört, ist eben die Kommentarfraktion. Oh wow, wie stark von dir, den Mut zu haben, zu dir zu stehen. Jetzt mal ganz platt ausgedrückt, aber zu sich stehen ist etwas, was meiner Ansicht nach einfach so selbstverständlich sein soll, dass wir Leute dafür nicht loben müssen. Und dann dieser ganze Hype, dass es ja fast schon Helden sind, sich offen zu bekennen. Ja, ich weiß ganz genau dass selbst in unser progressiven Gesellschaft ein öffentliches Coming Out oder einfach nur die Tatsache, dass man seinen Partner nicht versteckt, einen immer noch in den gesellschaftlichen Tod reißen kann, man vor Ausschluss, Diskriminierung und Hass nicht verschont ist. Ja, es ist immer noch nicht einfach dazu zu stehen und als die Bewegung begonnen hat war es sogar noch schlimmer und schwieriger für Leute, die alles aber nicht hetero waren. Und ich weiß auch, dass es Teil des Kampfes war, sichtbar zu werden und sichtbar zu sein und den Menschen zu zeigen, dass man existiert und ein valider Mensch ist. M i t w e m h a b i c h d e n n n u n e i n P r o b l e m ? Und ich glaube hier kommt der entscheidene Faktor: Mein Problem ist nicht mit den Menschen, die ein Coming Out haben und es für wichtig empfinden, dieses öffentlich der ganzen Welt vor Augen zu führen. Mein Problem liegt vollkommen bei der Gesellschaft, in ihrer absoluten Scheinheiligkeit. Erst ignorieren wir alle Menschen, die sich nicht mit einem Sternchen in der Menschheitsnotiz versehen und tun, als gäbe es sie nicht. Und dann gehen wir hin und verlangen das auch noch von jedem, als sei es für uns irgendwie relevant zu wissen, mit wem unser Nachbar ins Bett steigt - so lange er nicht mit uns ins Bett steigt, haben wir auch gedanklich nichts in jenem Bett verloren. Und dann haben wir die Dreistigkeit, die Leute zu stigmatisieren, die unserem Wunsch nach öffentlicher Bekennung nachgekommen sind? (Weil ja, auch dieses "oh du bist so stark/mutig/whatever, dass du dich traust zu deiner Sexualität zu stehen" ist ein Stigma und auch wenn positive Diskriminierung ja immer wieder gerne gesehen wird, ist sie wirklich so positiv?) Like holy shit, geht's noch dümmer? U n d w i e s o e i g e n t l i c h d i e g a n z e N u m m e r ? Und dann frage ich mich, woher das heute noch kommt. Klar, dass jeder das Gefühl hat sich ins Leben von Fremden einzumischen ist ein altes Konzept, aber wieso ist uns das heute noch so wichtig? Verlangen wir die Offenlegung aller nicht heterosexuellen Orientierungen, damit wir wissen, wer die anderen sind? Oder wollen wir uns selbst eine Plattform schaffen, auf der wir beweisen können, wie liberal und tolerant wir doch sind? Oder geben wir einfach einen Scheiß auf das Konzept von Privatsphäre, wenn es uns selbst nicht betrifft? Wie Cherry so schön sagte: "Ich hab immer das Gefühl, wenn man "aus der Norm fällt", dass man dann die Obligation hat, das bekannt zu machen." W i e w ä r e e s d e n n m i t F a i r n e s s ? Ich bin ja eigentlich dafür, dass wir diese erzwungenen Coming Outs (und damit meine ich auch, wenn man seine Kinder so lange mit der Frage nach einem Partner und Nachwuchsgedanken nervt, bis ihnen irgendwann der Kragen platzt und sie einem ins Gesicht schreien, dass sie homosexuell sind) einfach abschaffen sollten. Pfoten weg aus dem Leben aller. Aber da wir der Menschheit ja wohl kaum das Recht auf Information über alles und jeden rauben dürfen (ich bin sarkastisch, sollte das gerade nicht auffallen), bin ich dafür, dass ab jetzt auch jede heterosexuelle Person ein Coming Out Statement abgeben muss. Nicht weil es so schön besonders ist (wobei es ja bei der riesen Ansammlung an möglichen sexuellen Orientierungen statistisch gesehen echt verdammt unwahrscheinlich ist, dass die gesamte Mehrheit hetero ist und nur ein winziger Teil der Bevölkerung eine der anderen abertausenden Orientierungen beansprucht), sondern einfach weil dann jeder mit seinen sexuellen Präferenzen auf die Tapete muss. Und wenn wir schon dabei sind, bitte gib an, was deine liebste Wichsvorlage ist. T L ; D R Im Prinzip geht es mir nur darum, dass die Leute mal anfangen darüber nachzudenken, warum sie es so wichtig finden, dass sich jeder, der sich nicht als heterosexuell empfindet, wie ein vom Aussterben bedrohtes Tier auf eine Liste schreiben lassen muss. Ja, die Sichtbarkeit war gut für die Bewegung und für die gesellschaftliche Anerkennung der LGBTQ+ Community. Aber ich habe das Gefühl, dass es anfängt wieder in eine Art Stigmatisierung überzurutschen. Es sind nicht mehr nur diejenigen, die nicht mehr mit ihrer Orientierung hinter'm Berg halten können, die sich öffentlich bekennen. Nein, man verlangt von jedem, dass er doch irgendwie in unmissverständlichen Worten sagen muss, dass man was auch immer für eine sexuelle Orientierung hat. In 99% der Fälle ist die Information aber so verdammt irrelevant für das gesamte Leben all derjeniger, die die Info verlangen. Ich will einfach nur, dass wir es schaffen irgendwann in einer Zeit zu leben, in der man auf die Bekanntmachung des Partners genauso nonchalant reagiert, wie die Verkündung, dass man sich dazu entschieden hat weniger Fleisch zu essen. Wenn wir schon dabei sind, kann bitte auch so eine Nichtigkeit und persönliche Entscheidung bitte endlich mal privat und persönlich bleiben und nicht immer gleich zum Anlass genommen werden, einen Krieg gegen andere Essgewohnheiten loszutreten? Teile, was auch immer du teilen willst, aber nicht jede Entscheidung ist ein Anlass für dich, gleich mit deiner Meinung und dam Anfang einer Diskussion um die Ecke zu kommen. Wer sich mit dir über seine Ernährung/sexuelle Orientierung/politische Einstellung/Glauben/Vorliebe für die Farbe Gelb streiten will, wird es dir schon unmissverstädnlich mitteilen. Willkommen am Ende eines verdammt langen Rants, bei dem ich bestimmt trotz Stichpunktliste die Hälfte meiner Argumente wieder irgendwo auf halber Strecke vergessen habe. Wie seht ihr das? Ist euch der Gedanke auch schon mal gekommen? Juckt es euch eigentlich groß - entweder ob es jetzt ein Thema ist oder generell die Coming Outs? Ich freu mich, euch in den Kommentaren zu begrüßen. (Btw, der Blog zu den "Wunderkindern" ist fast fertig und ich hoffe ihr mögt Märchen, weil ich hab mir mal ein bisschen Spaß bei der ganzen Sache erlaubt.) |