REZENSION Phantom der Oper |
(Lesezeit: ca. 20 Minuten) Oder: Gerard, du bist einfach zu heiß für die Nummer Angespornt durch meine Unterhaltung mit Dacia vor einiger Zeit und dem Youtube-Algorithmus, dank dem ich Musicals und vor allem dem Phantom der Oper nun nicht mehr entkommen kann, hier meine kleine Rezension zu der Umsetzung. Ich werde versuchen einen Vergleich zwischen dem Buch von Gaston Leroux und dem Musical von Andrew Lloyd Webber und der dazugehörigen Verfilmung von 2004 zu ziehen. Mal sehen, was dabei rauskommt. Ich warne hier gleich alle Lesefaulen: Es ist verdammt viel Text, vor allem weil ich eine kommentierte Zusammenfassung zu Buch UND Musical/Film gebe. Wenn du den Plot kennst und auf die Kommentare verzichten willst, dann kannst du das gerne überspringen. Es beginnt mit einem Kommentar zu Filmadaptionen, einer Geschichte zu dem Phantom, meine persönliche Geschichte mit dem Phantom, die beiden Zusammenfassungen und mein Fazit. D a s P r o b l e m m i t d e n F i l m a d a p t i o n e n Wir alle wissen, dass Bücher und ihre Filmadaptionen selten Hand in Hand gehen. Logisch, die wenigsten Autoren haben eine Verfilmung im Sinn, wenn sie das Buch schreiben. Das Storybuilding in Filmen und Büchern läuft vollkommen anders ab, ebenso das Worldbuilding. Nicht verwunderlich also, dass alles anders ausfällt, als wir es in Erinnerung hatten. Filme und Bücher sind selten 1:1 das Gleich - es sie denn, ihr kauft euch das Buch zum Film. Ich sage also nichts dazu, dass das Phantom der Oper, wie die meisten von uns es kennen, grundlegend anders ist, als das Buch. Ok, ich tue es schon, aber nicht aus Kritik an der Umsetzung, sondern weil Webber die großartige Idee hatte die Nummer derart zu über romantisieren, dass wirklich alles komplett anders wurde. Vor allem tue ich mich verdammt schwer damit, dass wir einfach mal die wichtigsten und elementarsten Dinge des Buches aus Leroux' Feder ignorieren, damit wir die Damen ins Theater kriegen. D a s P h a n t o m i m L a u f e d e r Z e i t Fangen wir ganz vorne an. Die Geschichte des Phantoms beginnt 1909 als Feuilletonroman vom französischen Schriftsteller und Journalisten Gaston Leroux. Die Nummer ist populär und es dauert nicht lange, bis es die ersten Adaptionen gibt. Entgegen der allgemeinen Meinung gibt es nämlich nicht nur zwei Filme und ein Musical, sondern eine Vielzahl an unterschiedlichen Film- und Bühnenfassungen. Die Deutschen waren 1916 die ersten, die den Stoff auf die Leinwand brachten. Doch auch in China war die Geschichte ein Hit, es gibt mehrere englisch-sprachige Versionen und eine italienisch-ungarische Co-Produktion. Witzigerweise sind die meisten Adaptionen Horrorfilme. Was heißt witzigerweise, es ist das Einzige, was Sinn macht. Wieso genau erfährt man, indem man sich die Originalgeschichte genauer anschaut. Die heute wohl bekannteste Fassung hat ihren Ursprung im Jahr 1986, in dem das Musical von Andrew Lloyd Webber uraufgeführt wurde. Dieser Fassung folgten mehrere Bühnenproduktionen - alle unter den ungefähr gleichen Auflagen - und 2004 erschien dann ganz Hollywoodtauglich ein Film mit Gerard Butler und Emmy Rossum in den Hauptrollen. Der Schinken war bei den Oscars und den Golden Globes dreifach nominiert und heute kennt fast jeder die Geschichte der großen Dreiecksliebe zwischen Raoul, Christine und dem Phantom - oder eben Erik, wenn ihr das Buch gelesen habt. D i e w a h r e G e s c h i c h t e Aber, kennen wir eigentlich alle die wahre Geschichte? Es ist offen gestanden schon so einige Jahre her, dass ich den Roman gelesen habe, aber Wiki sei Dank bekommt die Nummer wieder Gestalt. Ich muss zu meiner Schande auch gestehen, dass ich nicht das Original, sondern die ins Deutsch übersetzte Version gelesen hab. Das Ganze im zarten Alter von 11 Jahren, als mein Vater mich mit der CD und dem Musical vertraut machte. Ich verknallte mich irrsinnig in die Stimme von Michael Crawford (ich nehme hier also die Minute um zu erklären, woher meine Faszination für Stimmen und meine scheinbar perverse Begeisterung für ältere Männer herrührt - da fragt sich, ob all unsere geheimen Kinks nur ein Überbleibsel aus der Jugend sind) und konnte von dem gesamten Franchise nicht genug bekommen. Ich kaufte mir also in dem Sommer das Buch aus dem Arena-Verlag und begann zu lesen. Und boy oh boy, hatte ich eine gute Zeit. Es war fast schon ein Mystery-Thriller mit einer Prise Spuk Ende des 19. Jahrhunderts. Now let me tell you, die Nummer geht wie folgt: L e r o u x ' P h a n t o m Wir befinden uns in den 1880ern in der Opéra Garnier in Paris. Das Gebäude steht wegen eines kleinen Abwasserproblems auf einem Grundwasserbecken und der gesamte Keller des Gebäudes ähnelt einem tiefen und geheimnisvollen, wenngleich wahnsinnig feucht und stellenweise klitschnassem, Labyrinth. Das ist nicht nur architektonisch wahr und interessant, sondern auch relevant für den weiteren Verlauf der Geschichte. Die Story beginnt in eher ungünstigen Zeiten. Die alljährliche Gala steht an, der ehemalige Direktor verlässt das sinkende Schiff, welches die Oper und seine Vielzahl an Mysterien ist, und die neuen Direktoren haben vom Tuten und Blasen keine Ahnung. Ungünstig, wenn man bedenkt wie Musik in einer Oper doch den Ton angibt. Vor allem im Corps de Ballet, zu dem die junge Christine gehört, herrscht die Angst vor dem Operngeist. Geschürt wird diese Angst durch die Erzählungen des Bühnenmeister Joseph Buquet - dessen Ableben die Geschichte einläutet. Der junge Vicomte Raoul de Chagny kommt mit seinem Bruder Philippe um die Ecke. Tja-ha, Raoul ist nicht dieser jugendliche Hotshot, der hier das Mäzenatentum einer mit dem Untergang kämpfenden Oper an sich reißt und die Bude rettet. Er ist der kleine Bruder von dem eigentlichen Hotshot. Aber er kennt Christine noch von früher, denn als Kind hat er Geigenunterricht von ihrem Vater, dem brillanten Geiger Gustav Daaé, bekommen und die beiden hatten eine Art Sandkastenliebe. Raoul möchte der lieblichen Christine, welche als Gesangstalent entdeckt wurde nachdem die Primadonna sich weigerte wegen der neuen Rektoren oder dem Geist (etwas von beidem ist immer Schuld wenn man die Carlotta fragt, manchmal sogar beides zugleich) aufzutreten, einen Besuch abstatten und hört durch die Tür ihrer Garderobe eine Männerstimme zu ihr sprechen. Die neuen Direktoren bekommen auch ihre Anweisungen vom Operngeist (20.000 Franc im Monat, Loge 5 immer freilassen, alle zwei Monate eine Jungfrau opfern für ... oh, falsche Notizen) und halten dies natürlich für einen schlechten Scherz. Sie vermieten die Loge Nr. 5 und siehe da, die Logenschließerin Madame Giri hatte wohl doch Recht. Wer den Operngeist verärgert, muss mit einer sabotierten Vorstellung rechnen, denn in der Loge hört man während der Vorstellung die Stimme des Geistes. Derweil Szenenwechsel nach Perros-Guirec (Nordfrankreich, Küste), dem Urlaubsort der Daaés und wo der Vater beigesetzt worden war. Christine in ihrer jugendlichen Naivität schreibt Raoul von dem Engel der Musik, eine Märchengestalt aus ihrer gemeinsamen Kindheit, welcher ihr versprach am Grab ihres Vaters Geige zu spielen. Raoul findet das komisch, folgt Christine, hört eine Geige und wird niedergeschlagen, bevor er weiß wie ihm geschieht. Zurück in Paris; hier gehen schräge Dinge vor. Ein Pferd verschwindet, der Geist hat noch mehr skurrile Forderungen und als die Primadonna statt der Christine (wie der Geist verlangte) in der Hauptrolle zu Faust singt, fängt sie an zu röhren wie eine Kröte, verliert ihre Stimme gänzlich, ein Lacher erfüllt das Opernhaus und der Lüster kracht in den Zuhörerraum und tötet eine Concierge. Christine ist dann erst mal für zwei Wochen ab. Urlaub in der Karibik aufgrund des Stresses? Eher nicht. Sie schreibt Raoul, dass sie ihn zum Maskenball wiedersehen wird, und die Ziehmutter Giri ist ganz begeistert davon, dass Christine vom Engel der Musik besucht wurde. Philippe hat auch Neuigkeiten: Er sah Christine an dem verhängnisvollen Abend zu einem fremden, verhüllten Mann in eine Kutsche steigen. Raoul ist jetzt bissl sad, aber so ist die Liebe nun mal. Auf dem Ball treffen die beiden sich dann wieder und Christine gesteht Raoul ihre Liebe (Wait, what? Ich dachte sie wäre zu sehr mit dem Engel beschäftigt gewesen?) und rät ihm, sich aus allen Geist-bezogenen Angelegenheiten rauszuhalten. An dem Abend beobachtet Raoul durch das Schlüsselloch der Garderobe, wie Christine Erik durch den Spiegel folgt und verschwindet und erkennt die Stimme vom Anfang wieder. (Was er da am Türknauf so zu polieren hatte hinterfragen wir mal nicht, oder wie?) Am Tag darauf reden die beiden und Raoul stellt die ängstliche Christine zur Rede - doch sie will nicht. Es folgen einige Wochen in denen die beiden in der Oper anbändeln, sich heimlich verloben und es kommt zu der dramatischen Szene auf dem Dach (genau die Szene!), bei der Christine Raoul von allem erzählt. Sie ist sich nämlich sicher, dass aus ihrer Heirat eh nix würde, weil Vizegrafen um gegen Ende der 1880er wohl zu Polarexpeditionen aufbrechen, während ihre großen Brüder sich um den Verfall einer Oper kümmern. Well guess what, als Christine für zwei Wochen weg war, da war sie nicht krank, sondern befand sich im Labyrinth des Phantoms, welches versprach ein Engel zu sein und sich am Ende als gewöhnlichen Mann mit Maske entpuppte. (War sie darüber jetzt enttäuscht oder wütend? We'll never know... Und sind wir mal ehrlich, dass das Mädel mit Kerl Nummer zwei unterwegs war, war uns allen irgendwie klar.) Sie erzählt von dem Reich des Phantoms, 5 Stockwerke unter der Oper, in dem sie gefangen war. Erik gestand ihr seine Liebe, doch das Mädel konnte Neugierde nicht sein lassen und riss dem Mann die Maske vom Gesicht. Sie beschreibt Erik als furchtbar entstellt, mit vier Löchern im Gesicht für Augen, Nase und Mund mit glänzenden Augen. Erik ist nun wütend (ich verstehe ihn, so benimmt man sich nun mal nicht als Gast) und droht Christine sie nie wieder gehen zu lassen (was vielleicht doch dezent übertrieben ist). Doch sie beweist sich als erstklassige Schauspielerin und gaukelt dem Kerl vor keine Angst vor ihm zu haben und erschwindelt sich so ihre Freiheit. Raoul und Christine hören ein Seufzen und bemerken, dass sie nicht alleine sind. Gemeinsam mit "dem Perser" (der tauchte irgendwann in der Oper auf und kein Schwein wusste, wer er war oder wo er herkam - also, jetzt bis auf "aus dem persischen Reich" ) gelingt ihnen die Flucht vom Dach. Die beiden versprechen sich Paris zu verlassen. Doch am Tag darauf wird Christine bei ihrem letzten Auftritt durch die Bühne entführt (wie im Film, nur ohne Phantom) und Raoul macht sich auf die große Rettungsmission. Stellt sich heraus, dass der Perser ein ehemaliger Freund von Erik ist und er hilft Raoul in das Reich des Phantoms vorzudringen. Doch die beiden laufen in eine Falle und irgendwo unterwegs ertrinkt Philippe, einfach für die Spannung, im Grundwasser. Die Falle des Phantoms ist ein Spiegelkabinett, welches die Gefangenen in den Wahnsinn und schlussendlich den Tod treiben soll. Erik stellt Christine vor eine Wahl: sie muss sich zwischen dem Skorpion und somit einem Leben mit ihm und der Heuschrecke, dem Auslöser für eine riesige Explosion (weil irgendwer hat es geschafft Schwarzpulver im komplett durchnässten Keller der Oper zu lagern, go figure) entscheiden. Sie wählt aus Liebe zu Raoul den Skorpion und triggert damit unwillentlich die Flutung der Folterkammer. Doch sie schafft es Erik zu überzeugen die beiden Männer gehen zu lassen. Raoul kommt in der Wohnung von Erik zu sich und sieht, wie Christine auf nichts mehr außer dem Phantom reagiert. Er kann flüchten und kurz darauf lässt das Phantom auch Christine laufen. Erik stirbt an gebrochenem Herzen während Christine und Raoul sich in den Zug nach Norden setzen. Im Laufe der Geschichte erfahren wir auch noch, dass Erik in seiner Wohnung ein Schlafzimmer hat, welches komplett mit schwarzem Samt behängt ist und auf dem mit weißen Perlen die Noten eines unvollständigen Requiems gestickt sind. Hierbei handelt es sich um das Lebenswerk des Phantoms (im Film beim Maskenball eine Oper, die den Direktoren vor die Füße geknallt wird). Erik verspricht Christine sich das Leben zu nehmen, sobald sein Meisterwerk vollbracht ist und um sich an die Nummer nach dem Tod zu gewöhnen, schläft er deshalb auch in einem offenen Sarg (Dracula and the Emo-kids approve, wobei ich nach wie vor nicht verstehe, wieso er Christine von seinem meisterhaften Plan und der Idee sie als ewige Braut mitzunehmen erzählte). Vom Perser erfahren wir auch, dass Erik wohl in vergangener Zeit für die Unterhaltung eines Scheichs zuständig war (von da kennen die beiden sich), für den Erik lauter Apparaturen zur Folterung und Tötung baute, was somit auch seine perverse Faszination für Tötungskammern erklärt. Falls also jemals ein weiterer Saw Film rauskommt: Erik ist ein potenzieller Killer. W e b b e r s P h a n t o m Zum Vergleich jetzt die romantische Musikversion. Ihr erinnert euch an das Musical oder den Film? Ja..., wilder Ritt durch die chronologische Reihenfolge der Geschehnisse, nicht wahr? Nehmen wir den Film als Richtwert, er ist 1:1 das Musical, nur bildlich etwas ausgeschmückter. Hier wird die Oper an Schrotthändler übergeben, Vicomte Raoul wird Mäzen und findet Christine wieder. Diese folgt nach einer glorreichen Vorstellung dem Phantom (namenlos!) durch den Spiegel und gelangt in sein Reich, wo er ihr seine Liebe gesteht und sie ihn demaskiert. Bravo an die Maskenbildner, Gerard Butler schaut immer noch halbwegs ok aus und erinnert eher an ein Brandopfer, als ein Totenschädel mit Pergamenthaut. Sie darf nach nur einem Tag wieder zurück, es folgen Briefe über Briefe und Briefe. Wirklich, das Musical ist ein Briefroman und keiner hat es geschnallt. Dann soll Christine in der Hauptrolle auftreten, aber die Carlotta findet das nicht geil, also Sabotage vom Phantom und Buquet baumelt wie eine Piñata von der Decke. Raoul und Christine haben ihre 10 Minuten auf dem Dach und planen zu fliehen. Daraufhin der Maskenball, die beiden sind jetzt verlobt (wieviel Zeit verging, was passierte? keiner hat nen Plan...) Doch Christine kann das nicht, ohne Abschied von ihrem Vater zu nehmen, welchen sie auf dem Pariser Friedhof besucht und dort mit dem Phantom konfrontiert wird. Sie glaubt immer noch an den Engel der Musik, trotz dass sie das Phantom bereits zu Hause besucht hat und er ihr gesagt hat, dass er der Engel ist und nicht der Geist ihres Vaters, wie sie ursprünglich annahm. (Im Buch verstehe ich es ja noch, da wird laufend darauf angespielt, dass Christine allerhöchstens 19 ist. Aber oh meine Fresse, wie dumm kann ein einziger Mensch sein? Ich verstehe, warum so viele Menschen und vor allem auch Musicaldarsteller die Rolle der Christine hassen und sie so bescheuert finden.) Raoul und das Phantom liefern sich einen kleinen Kampf und die beiden Liebenden können fliehen. Es folgt eine letzte Vorstellung, denn Raoul ist ein good boy und will mithilfe der Gendarmerie den Operngeist fangen und Christine ist immer noch brainwashed und kann nicht gehen, ohne vom Engel der Musik (wirklich Mädel, wirklich?!?) Abschied zu nehmen (sie wehrt sich zwar leicht und hat Angst, aber sind wir mal ehrlich, wenn das Phantom sagt spring, dann sucht die sich doch freiwillig die höchste Brücke...). Sie stellen dem Phantom eine Falle und es geht natürlich nach hinten los. Lüster kaputt, Christine weg, noch ein Mann tot, die Nummer mit dem Lasso gibt es aus dem Buch, aber die ist da eher Nebensache. Raoul folgt den beiden alleine, nachdem Giri ihn zum Keller führt und ist für ganze 3 Sekunden in dem Spiegellabyrinth, entkommt und erreicht das Reich des Phantoms, in dem Christine bereits ein Brautkleid trägt. Das Phantom fesselt Raoul, verspricht ihn zu töten, wenn Christine nicht mit ihm kommt. Also sagt sie aus Liebe zu Raoul zum Phantom ja und der merkt nun: das war eine richtige Milchmädchenrechnung. Sie küsst ihn und er lässt die beiden frei und verschwindet dann selbst spurlos. Ende. What the ...? Ich hoffe ihr fühlt euch genauso verwirrt, wie ich damals, als ich den Film das erste Mal sah. Nicht falsch verstehen, ich mochte den Film und war wirklich begeistert von der Gesangsleistung der Schauspieler (was einfach so ein mega dickmove von Webber war), aber im Vergleich zu der Story im Buch doch wahnsinnig flach. Ich bin nach wie vor enorm enttäuscht darüber, dass die Geschichte des Phantoms so schräg dargestellt wurde. Im Film heißt es sogar, Madame Giri hätte zur Zeit ihrer Ausbildung zur Ballerina den Jungen in einem Käfig auf dem Markt gefunden, ihn befreit und dann geholfen sich in der Oper zu verstecken. Die Hintergrundstory von der Killermaschine aus dem Orient find ich persönlich aber bedeutend spannender. Auch wird im Buch deutlicher, dass das Phantom Christine eigentlich nur mag, weil es sonst nichts kennt und sich anhand ihrer Stimme und seinem eigenen Drang zur Musik enorm verbunden fühlt. Das Phantom ist im Buch auch bedeutend vielschichtiger, was sich erst am Ende rausstellt. Dort rettet Christine die Welt nicht mit einem Kuss, sondern Erik merkt selbst, wie falsch das alles ist und lässt sie trotz seines gebrochenen Herzens gehen. Ich weiß, dass die Szene mit Meg, wo sie am Ende die Maske findet, helfen soll etwas Mitleid für das Phantom aufkommen zu lassen, so wie es durch die Erzählweise im Buch automatisch passiert. Aber irgendwie wirkt es mehr nach einem Cliffhanger und der Möglichkeit eine Fortsetzung dranzuhängen (which they did!), als irgendetwas anderes. Und die Sache mit dem Skorpion und der Heuschrecke? Ja, die vermiss ich im Film am Meisten. Tatschlich habe ich eine Neuinszenierung des Musicals gesehen, die sich mehr nach dem Buch richtete und dort wurde die Szene wirklich ausführlich dargestellt. Dennoch, auch hier gab es einiges an ... nennen wir es künstlerischen Freiheiten, die mehr an die Version von Webber erinnerten, als die von Leroux. Sprich ... was ist eine Zeitlinie und so. M e i n F a z i t Es ist nach wie vor eine meiner liebsten Geschichten und als eigenständige Werke kann ich beide absolut vertreten und empfehlen. Aber zu glauben, dass sie die gleiche Geschichte erzählen und man anstatt das Buch zu lesen auch einfach den Film schauen kann, könnte in dem Fall hier wirklich tödlich enden. Ich liebe das Vermächtnis, welches Webber mit seinem Musical für das Phantom geschaffen hat und bin auch nicht wirklich wütend darüber, dass Liebesgeschichten sich auf der Bühne nun mal besser in Musik verpacken lassen, als ein Splatter (ja, es gibt eine Splatterversion des Phantoms, fragt nicht - darüber hinaus kenne ich einen Splatter, der als Bühnenstück seinen Ursprung feierte, oh well). Aber das heißt noch lange nicht, dass ich nicht ein bisschen frustriert darüber bin, dass die eigentlich spannenden Teile des Buches so offensichtlich für seichte Romantik (und sind wir mal ehrlich, eine Frau entführen, als Geisel halten und sie unter Androhung der Ermordung des eigentlichen Verlobten zwingen einen zu heiraten ist meiner Ansicht nach nicht wirklich ein Paradebeispiel für Romantik) ausgetauscht worden sind. Immerhin habe ich in der Neuinszenierung ja sehen können, dass man den Horror- und Thriller-Aspekt mit Leichtigkeit in das Musical hätte packen können. Allerdings war das auch eher ein humoristisches Werk und wir wissen alle, dass Webber zu versteift und eingebildet ist, um ein Musical je mit Humor zu nehmen. Wen es interessiert: Es gibt eine Fortsetzung zum Phantom und oh man, die Nummer ist fast genauso gut, wie die erste hier. Ein Hoch auf Webber, der es nicht lassen kann, Geschichten anders zu schreiben. |