LEBEN Jahresrückblick 2022 |
[Banner folgt] Lesedauer: ~7 Minuten Das Jahr ist noch nicht ganz zu Ende und ich schreibe bereits meinen Jahresrückblick - zum einen, um es hinter mich zu bringen, da ich bereits Mitte November mit dem Jahr abgeschlossen habe, zum anderen um es auch sicher bis zum Ende des Jahres fertig zu bekommen. Gibt einfach so Momente im Leben, in denen man mit sich selbst realitisch sein muss, und dass ich in den vergangenen Wochen keinen einzigen meiner geplanten und teils geschriebenen Blogs veröffentlicht habe, spricht da eindeutig für sich. Jedenfalls, lange Rede kurzer Sinn: hier mein Jahresfeedback, geschrieben Ende November, kurz redigiert Ende Dezember. Wer die schöne und tolle Seite meines Lebens sehen möchte, der schaut einfach in meinem Challenge Blog vorbei, dort finden die kleinen Erfolge statt. Auf die Gefahr hin, dass einige sich jetzt denken werden, dass ich vielleicht nicht so ganz ehrlich war - wobei ich wirklich nicht wüsste, wem ich diese Transparenz hier schuldig gewesen wäre - möchte ich die andere Sete meines Lebens auch gerne zusammen tragen. Es ist primär eine kleine Aufgabe für mich; aber ich dachte mir, dass es sicherlich nicht schaden kann, andere daran teilhaben zu lassen. Denn auch wenn ich für gewöhnlich solche Dinge nicht an die große Glocke hänge, ich habe auch nicht die Gewohnheit sie zu verschweigen oder diesbezüglich zu lügen, wenn mich jemand fragt. Dieses Jahr lief bei mir gefühlt nichts nach Plan. Eigentlich sollte ich mein letztes Semester machen. Und das schon seit 3 Semestern. Es geht nicht. Ich habe Probleme in einige Kurse zu gehen, ich komme nicht dazu andere Aufgaben abzugeben. Irgendwas in mir will nicht. Ich sitze an einigen Dingen ewig und es kommt doch nichts zu Stande, was ich irgendwie abgeben kann. Es ist die Fortsetzung der Schwierigkeiten, die sich bereits in den vergangenen zwei Jahren angedeutet haben und nun ist die Maschinerie endlich vollends zum Halten gekommen. Gepaart mit dem Gefühl des absoluten Versagens, kämpfe ich privat mit so einigen Schwierigkeiten. Ich habe das Gefühl so einige Dinge immer noch nicht ganz verarbeitet zu haben und der Stress in meinem Leben führt dazu, dass ich mich bedeutend selbstkritischer mit allem auseinander setze und alles viel schneller schlimmer ist, als nötig. Wie vielleicht den einen oder anderen durch Gespräche im Forum bekannt ist, ist eine gute Freundin Ende 2020 in Mitten des Lockdowns und meiner Isolation in Deutschland gestorben. Rückblickend glaube ich, dass das ganze Erlebnis dezent traumatisch für mich war. Ich hab mich noch nie in meinem Leben so allein, verletzlich und wund, nahezu roh, gespührt. Wie eine Fleischwunde, die nicht mehr blutet, aber auch nicht heilen kann. Seit Mai leide ich - zumindest kann ich es seit Mai bewusst so erkennen - an relativ diffusen Schlafstörungen. Ich bin hundemüde, komme aber nicht zum Schlafen; die Hälfte der Zeit werde ich nachts in einer Panik wach und wenn ich dann irgendwann doch um 4 Uhr morgens die Augen zu kriege, dann schlafe ich nur bis 9 oder 10 und kriege den ganzen Tag nichts gebacken. Meine dauerhafte Müdigkeit und Unfähigkeit mich auf komplexe Dinge zu konzentrieren oder irgendetwas von Substanz fertig zu stellen, frisst mich dabei von innen auf. Und klar, ich bin noch jung, da hat man so einiges an Energie-Reserven. Aber die sind irgendwann aufgebraucht und dann geht es nicht mehr weiter. Dieser Punkt war dann vollends gegen Ende des Sommers erreicht, als ich anfing in meiner Müdigkeit und Desorientierung öfter in Situationen zu kommen, in denen ich mich verletzte. Wohlweislich, keine bewussten Verletzungen - gott, ich hab es eindeutig nicht genossen beim Kaffeemachen den Filter umzustoßen und mir dabei kochendes Wasser über die Hand zu gießen - doch eindeutig vermeidbare Zwischenfälle, wenn ich etwas mehr bei mir gewesen wäre. Die pflanzlichen Schlafmittel, die mir meine Hausärztin empfohlen hatte, wirkten auch absolut nicht, weshalb ich damit aufgehört habe. Meine Angst, dieses beklemmende Gefühl, welches ich bereits im Kindesalter und verstärkt in der Pubertät hatte, ist auch wieder gekommen. Ich glaube ich kann an beiden Händen abzählen, wie oft ich in den vergangenen zwei Monaten die Wohnung verlassen habe. Dank strategischer Einkäufe war irgendwann nicht mal mehr im wöchentlichen Rythmus raus gehen nötig. Diesen Drang in meiner Wohnung sitzen zu bleiben und nichts zu tun, wurde bestärkt durch das immerwährende Gefühl der Angst und den gelegentlichen Panikattacken, wenn ich dann doch mal draußen war. Spontan in die Innenstadt zum Spazieren ging nicht, denn sobald mir Leute entgegen kamen, fing mir an das Herz zu rasen und übel zu werden. Als ich im Sommer noch in Berlin war und auf der Zugfahrt in der komplett überfüllten Regiobahn eine Panikattacke bekommen hatte, da dachte ich noch, es läge einfach nur daran, dass ich seit Corona nicht mehr gewöhnt war so unter Menschen zu sein. Doch selbst ich, Fräulein ich kann mich selbst am Besten anlügen, wenn ich sonst nichts mit mir anzufangen weiß, musste mir eingestehen, dass das nicht mehr normal oder auch nur ansatzweise gesund ist. Ich habe versucht mich zum Spazierengehen zu zwingen und es war toll, wenn ich durch einsame Straßen und Wohnsiedlungen streifte. Doch sobald mich mein Weg zu einem gut besuchten Ort an der Außenalster oder gar der Innenstadt führte, dann war sie wieder da, diese brodelnde Unruhe und der aufflammende Fluchtinstinkt in mir drin. Der letzte Tropfen, bevor selbst ich merkte, dass das so nicht mehr weiter gehen kann, war als ich dann anfing auch während den Einkäufen im Supermarkt Panik zu bekommen. Ich musste in der Schlange an der Kasse Atemübungen machen, um nicht komplett hysterisch zu werden. Also, Wohnung nicht erneuert, Eltern Bescheid gegeben (die mich gleich mal mit ner Angst, ich wäre in die tiefste Depression ever gerutscht, zum Hausarzt geschleppt haben) und zum Ende des Novembers zurück nach Luxemburg gezogen. Dort beginnt dann, auf Empfehlung meines Hausarztes, die Suche nach einem Therapeuten gegen soziale Phobie und notfalls Traumaverarbeitung. Jetzt Ende Dezember hatte ich bereits zwei Termine und wir fangen im neuen Jahr mit der Traumabewältigung an - denn das ist das, was laut ihr mein größtes Problem zu sein scheint. Ein junges Leben voller Erfahrungen, die nur leicht traumatisch waren, sich in der Summe allerdings zu etwas bedeutend größerem hochgeschaukelt haben. Darüber hinaus versuchen wir, dass sich meine leicht agoraphobischen Tendenzen nicht weiter bilden, sondern ich gesündere Methoden finde mit den Stressoren klarzukommen. Ich bin dabei mein Leben etwas umzukrempeln. Ich überdenke so einiges an Wünschen und Plänen, die ich vorher hatte und versuche einen anderen Weg einzuschlagen. Ich versuche auch etwas offener mit meinen Eltern und meinen Brüdern über die Dinge zu kommunizieren. In der Hoffnung, dass ich irgendwann diese absolut deplatzierte Scham vor vermeintlichem Versagen (wirklich deplatziert, ich bin die einzige, die es überhaupt als Versagen ansieht, was Zeichen genug sein sollte, dass es keins ist) nicht mehr fühle und mit mir selbst wieder etwas zufriedener sein. Ich werde etwas ernster anfangen Tagebuch zu führen. Ich fange wieder an mit dem Schreiben - erst mal nur für mich, vielleicht aber teile ich irgendwann mal etwas mit euch, was mir nicht zu persönlich ist. Und ich werde mich zwingen mehr aus mir heraus zu gehen und wieder zu genießen, Dinge zu unternehmen. Die erste Challenge ist heute Abend vielleicht mit meinem Bruder zu Freunden auf eine Silvesterfeier gehen. Noch steht es in den Sternen, da ich ursprünglich nicht mit eingeplant war und wenn kein Platz mehr ist, dann ist es auch gut - innerlich kann ich es kaum erwarten, dass mein Bruder mir sagt, dass kein Platz mehr am Tisch ist. Aber bis dahin heißt es erst mal abwarten. Und im neuen Jahr geh ich zu der Dame aus dem Künstlerverein bei uns im Dorf klingeln und frage, ob ich bei den wöchentlichen Ateliersitzungen mitmachen darf. Ich wünsch euch somit also allen ein frohes neues Jahr und einen guten Rutsch. Auf dass das neue Jahr etwas mehr Leitung und Richtung einschlägt, als ich das letzte habe treiben lassen. |