MEINUNG Trends für die Umwelt - Gedankentagebuch |
Dies ist der vierte und letzte Teil einer vor Ewigkeiten begonnenen Reihe. Den dritten Teil rund um Tiny Living findet ihr hier. ___________________________________________________ Ich bin mir wohl bewusst, dass der beste Begriff für die Dichotomie in meinem Leben - meiner Idee dessen, was richtig ist und wie ich in meinem Denken und Handeln entsprechend sein muss - pure Hypokritie ist. Objektiv betrachtet ist das die einzige Möglichkeit. Ich predige und handle nach zwei unterschiedlichen Vorsätzen und verlange von allen anderen, dass sie das getrennt voneinander bewerten. Ich nehme mir den Luxus heraus Moralpostel zu spielen, ohne mich selber je zur Rechenschaft zu ziehen. Auf der einen Seite scheint das furchtbar arrogant, auf der anderen unehrlich und falsch. Von oben herab über etwas zu entscheiden und reden, was einen nicht betrifft, und Regeln aufzusetzen, die für mich selbst nicht gelten … Ich bin nicht besser, als all jene, über die ich mich so aufrege. Ich bin ein erstklassiger Hypokrit! Mein Problem ist, dass ich nicht weiß, wie ich das Leben und meine Vorstellungen richtig navigieren soll und kann. Ich muss mich bereits in meinem Gewusel an Erwartungen, meiner Möglichkeiten und Grenzen, sowie meiner gesellschaftlichen und sozialen Verpflichtungen - sowohl von außen auferlegt als auch von abstrakten Institutionen wie der Politik vorgeschrieben - zurecht finden. Jeder muss diese Welt bestreiten und darf sich darin selbst nicht verlieren und ich bin in meiner Verwirrung und Planlosigkeit nicht alleine. Der einzige Unterschied zwischen mir und allen anderen, ist wo jeder von uns seine eigenen Prioritäten festlegt. Und wenn ich eines nicht kann, dann ist es mit absoluter Sicherheit sagen, was ich will; mich fest dafür zu entscheiden nicht alles gleichzeitig und sofort zu wollen, sondern eine Wahl zu treffen, worauf ich im Notfall verzichten kann. Ich weiß nicht, was ich eigentlich will. Ich weiß immer nur, was ich definitiv nicht möchte - und das lässt immer noch unendlich viele Möglichkeiten offen. Doch wie glaubwürdig ist jemand, der außer “nein” und “das muss besser” nichts weiter zur Diskussion beizutragen hat? Um es auf den Punkt zu bringen: Auch ich habe Träume, Ideen und idealisierte Visionen und Hoffnungen. Und damit kommen nun mal leider immer auch absolut unrealistische Erwartungen einher. Erwartungen, die ich nicht nur anderen gegenüber habe, sondern auch an mich selbst. Und nichts macht mich wütender, als mich selbst zu enttäuschen. Diese Enttäuschung und Wut kommt schnell, nicht nur durch meine unrealistische Erwartungshaltung, sondern auch dadurch, dass ich mir meiner eigenen Einschränkungen und Limits nur schmerzlich bewusst bin. Vielleicht liegt da der Hund begraben. Ich selbst will “besser” sein und kann dieses Ideal nie erreichen. “Besser” für mich und die anderen, in der naiven Hoffnung, dass “besser” auch wirklich ein universell anwendbarer Begriff ist. Dass das “besser” für mich auch automatisch “besser” für die anderen bedeutet. Eine überaus romantische Vision, welche aufgrund meiner mangelnden Lebenserfahrung noch nicht genügend Risse hat, als dass ich die Sache entspannt mit Gleichgültigkeit angehen könnte. Ich bin einfach noch nicht bereit einzusehen, dass Apathie und ein Schulterzucken wirklich das “beste” ist, was wir machen können. Wenn ich an all diese Sachen denke, die ich anders machen müsste, um “besser” sein zu können, dann frage ich mich stets, ob andere um mich herum das auch machen könnten. Bin ich alleine in der Macht oder haben andere sie nicht vielleicht auch und wissen es nur nicht? Oder wollen vielleicht nicht mehr, weil sie an Resignationangekommen sind. Ich weiß, dass ich bei Leibe nicht alles weiß und kann. Vor allem weiß ich, dass ich es nicht besser weiß oder kann, als andere. Aber ich weigere einfach die Diskussion auf einem “weil das so ist” und einem “das war schon immer so, glaub mir” beruhen zu lassen. Denn das sind keine Gründe, wieso es nicht geht. Das sind Gründe, wieso es nicht bequem ist, etwas zu ändern. Ich will wissen, wieso etwas nicht geht und verstehen warum. Ich bilde mir nicht ein die Lösung auf alle Probleme zu haben, aber so manches Problem lässt sich durch ein neues Paar Augen lösen. Wieso dann nicht auch einige von den wirklich großen? Ich weigere mich außerdem zu akzeptieren, dass “am einfachsten” und “am schnellsten” sowie “am billigsten” automatisch auch “am besten” heißt. Wenn dem so wäre, dann wäre das ja wohl auch der Nenner. Ich weiß, dass es keine allgemein gültige Wahrheit ob des wirklich “besten” gibt, aber man kann sich vielleicht etwas näher aneignen, als “schnell” und “billig”. Vielleicht gibt es eine Art der Lösung, die weniger Leute benachteiligt, für mehr zugänglich ist. Aber es wird nichts daran ändern, dass so oder so jemand auf der Strecke zurück bleiben wird. Und auch ich bin nur menschlich, auch ich habe Angst, dass dieser jemand ich sein könnte. Meine Angst treibt mich aber nicht in den Glauben, dass ich mich deshalb aus der Gleichung rausnehmen sollte. Frei nach dem anderen “andere müssen tun und einstecken, ich bin nur hier um zu leben”. Und mich selbst als Referenzwert zu nehmen wäre nicht nur grausam arrogant, sondern auch von Grund auf falsch. Ich kann bei mir beginnen, aber ich bin nicht das Ende, das Maximalausmaß oder der Richtwert des Ideals. Ich kann nur mein eigener Anfang sein. Und ich muss alles daran setzen, dass nach meinem Steinchen, noch ein weiteres in der Dominokette umfällt. Ich denke, das eigentlich Problem ist gleichermaßen die Abwesenheit wie auch erdrückende Präsenz aller Verantwortungen. Wir alle haben eine Verantwortung es besser zu machen, für eine gemeinsame Zukunft. Aber niemand hält uns daran fest. Jeder muss für sich selbst diese Verantwortung und Bestimmung übernehmen, sich daran zu halten. Es gibt keine Macht von oben, die es uns allen gleichermaßen vorschreibt. Es ist ein universelles Bedürfnis, aber ohne universelle Verpflichtung. Ich muss für mich entscheiden, dass etwas nicht gut genug ist. Und ich muss daraufhin selber die Sache in die Hand nehmen. Wenn ich es nicht tue, dann tut es keiner für mich. Oder vielleicht doch, aber ich kann mich nicht darauf verlassen. Ich kann nicht zu Hause sitzen und hoffen, dass jemand die gleichen Bedürfnisse sieht und erkennt wie ich und für mich mit die Arbeit übernimmt. Wenn wir uns alle darauf einigen, dass wir nur dann den Anspruch darauf haben dürfen, uns etwas besseres zu wünschen, wenn wir auch selber absolut alles tun, dass dies möglich wird, dann können wir an niemanden mehr einen Anspruch stellen. Wenn alle anderen immer nur weniger tun können und dürfen als man selbst, dann geht jegliche Ambition verloren und nichts wird passieren. Jeder trägt die alleinige Verantwortung der Verbesserung und wir können nicht mehr auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Und das sollte doch das eigentliche Ziel sein: eine gemeinsame Zukunft. Ich weiß, ich muss bei mir selbst beginnen. Aber ich bin nicht nur ich in Isolation. Mein Umfeld gehört indirekt zu mir, wird durch mich geprägt und beeinflusst, wie es auch mich prägt und beeinflusst. Und wenn ich mit Denkanstößen und Ideen etwas bewirken kann, wofür ich materiell oder finanziell die Mittel nicht habe, dann habe ich meinen Teil dazu beigetragen. Wir können Erfolg nicht nur daran messen, wie viel jeder selbst beigesteuert hat. Manche können mit den Ideen aufwarten, andere mit dem Geld. Wieder andere haben die Geduld und das Durchhaltevermögen, etwas bei allen zu bewirken. Wir brauchen alles davon und niemand kann alles gleichzeitig. Warum also tun wir so, als wäre eines allein nicht gut genug? |