Und da steh' ich nun, über eine Thematik grübelnd, die in der heutigen Zeit legitimer ist, als jemals zu vor. Und dennoch bin ich mir nicht bewusst, wie ich meinen nächsten Schritt, mein Outing meistern soll:
Hallo und herzlich Willkommen zu meinem aller ersten Blogeintrag, der euch sehr wahrscheinlich viel über mich preisgeben wird. Anhand meiner direkt auf den Punkt gebrachten Überschrift und meiner kurzen Einleitung, sollte sich jedermann bewusst sein, womit ich vorhabe diesen Eintrag zu füllen.
Verunsicherung, teilweise Verzweiflung und auch Angst begleiten mich seit einigen Monaten, denn ich mag tatsächlich den Schritt ins Ungewisse wagen. Für die Einen ist es ein kleiner Sprung, für Andere ein großer und für wiederum andere nicht einmal ein kleiner Schritt, der als erwähnenswert gilt. Für mich ist es... nichts und doch irgendwie alles.
Meine Familie ist toll; meine Eltern perfekt und meine drei Geschwister tun es ihnen gleich (auch wenn kleine Streitereien nicht ausbleiben). Wir sind Perfektion in Unperfektion, aber für uns sind wir perfekt.
Nichtsdestotrotz kann ich nicht leugnen, dass mir das Sprechen schwer fällt. Es liegt lang zurück, als ich mein Herz von allein vor meinen Eltern oder Geschwistern ausgeschüttet habe, denn bei Gott: es fällt mir schwer meine Gedanken und Gefühle preis zu geben und das trifft nicht nur auf meine Familie zu. Bei den einzigen Personen, bei denen es ansatzweise möglich ist mich zu öffnen, die sind hier, im weiten Internet vorzufinden und ich kann mir nicht einmal selbst erklären, warum das der Fall ist. So bin ich und ich denke nicht, dass sich dies all zu schnell ändern wird.
Dies wäre bloß ein Punkt, der mich zurück hält nicht direkt zu ihnen zu rennen und zu schreien: „Mama, Papa? Ich bin lesbisch!“ Desweiteren habe ich ein unwohles Gefühl dabei, meine Gedanken vor meinem Vater laut auszusprechen. Er würde es akzeptieren, keine Frage. Doch aus gewissen Situationen weiß ich, dass er so etwas bloß sehr ungern hätte, eine lesbische Tochter. Versteht das bitte nicht falsch: Er würde es akzeptieren und er ist wirklich einer der letzten Personen, die mir da vor den Kopf stoßen würden, doch da ich einige abfällige Bemerkungen seinerseits zu dem Thema gleichgeschlechtliche Liebe hören musste, existiert eine gewisse Angst oder besser gesagt Unsicherheit. Dennoch: Liebe ist Liebe und das sieht mein Vater auch so.
Wahrscheinlich spielt tatsächlich der erste Grund eine größere Rolle, sodass es mir schwer fällt ihnen nicht einfach mitzuteilen wie ich fühle und denke. Sätze wie „langsam wird es aber Zeit, nicht?“, „Was ist denn mit Yannick, der ist doch ein toller!“ oder „XY hat jetzt auch schon ein Freund.“ gehen mir dezent auf die Nerven und lassen meine Gedanken ihnen mitteilen zu wollen was tatsächlich mit mir los ist größer werden. Warum müssen Eltern manchmal so nervig sein? Kann mir das einer verraten???? Aber ist ok, ich liebe sie trotzdem, genug aufgeregt.
Meiner Mama hatte ich in einem sehr ernsten Gespräch unter Tränen schon einmal von diesem Gedanken erzählt und ich nehme an, dass sie diesen im Hinterkopf behalten hat. Ich muss herausfinden wie ich fühle, waren ihre Worte, allerdings nicht in genauem Wortlaut.
Die Zeit verging und ich habe versucht heraus zu finden wie ich ticke, was ich will und wie zum Teufel noch mal ich fühle. Hetero- oder Bisexuell? Vielleicht doch Lesbisch, wenn nicht sogar Asexuell? Hergott, wie viele sexuelle Orientierungen gibt es überhaupt??? Zu viele, meiner Meinung nach. Wie soll man sich da entscheiden?
Inzwischen bin ich mir relativ sicher mindestens bisexuell gestimmt zu sein, wenn nicht sogar lesbisch, da ich tendenziell von dem weiblichen Geschlecht stärker angezogen werde. Tatsächlich habe ich einige Erfahrungen gesammelt, die meine jetzigen Gedanken positiv bestärkt haben. Das Schlafen bei einem Jungen, der wirklich einer der nettesten ist, den ich kenne und das Schlafen bei einer guten Freundin, die mit ihrer Ex schluss gemacht hat, hat mir die Augen geöffnet. Nicht zu vergessen ist das Herummachen mit meiner anderen Freundin, die mir zeigen wollte wie es ist, etwas mit einem weiblichen Wesen zu haben...
Alles in einem fühl ich mich auf der sicheren Seite, wenn ich von mir behaupte: Hey, du bist lesbisch. Doch wie teile ich das meiner Familie mit? Für mich ist dieser Schritt... nichts und doch irgendwie alles.
Hat einer von euch diesen Schritt gewagt, ein Outing (vollkommen gleich welcher Art)? Und wenn ja, könnt ihr mir davon erzählen, wie es war und wie ihr diesen Schritt gemeistert habt? Über Tipps und Zusprechungen würde ich mich freuen, — los, gebt mir Selbstbewusstsein!
Sobald ich mein Outing hinter mir habe, wird er in einem Blogeintrag festgehalten (vielleicht interessiert es ja jemanden). |