Vor kurzem bin ich in einem Secondhand-Shop auf das Buch „Wo geht’s denn hier zum Glück?“ gestoßen, welches die Reise der Autorin durch die 13 glücklichsten Länder der Welt dokumentiert. Bei dieser Reise hat sie sich im wahrsten Sinne des Wortes auf die Suche nach dem Ursprung des Glücks gemacht. So wurde neben den Reisen durch die glücklichsten Länder, wie beispielsweise Island, Panama, Dänemark oder Kanada, immer wieder der Bezug zu Deutschland hergestellt, da Deutschland im weltweiten Ranking, wenn es ums Glücklichsein geht, nicht allzu gut abschneidet. Dabei fiel des Öfteren der Begriff „German Angst“, was einen Ansatz darstellt, warum Deutschland eben so „unglücklich“ sein könnte.
Als German Angst wird grundsätzlich typisch deutsches Verhalten bezeichnet bzw. die (meist unbegründete) Furcht, materielle Besitztümer oder Ressourcen zu verlieren, aber auch die Angst vor Krankheiten oder Umweltkatastrophen. Diese Sorgen oder Ängste werden scheinbar mit keinem anderen Land so stark assoziiert, wie mit Deutschland, sodass sich der Begriff German Angst mittlerweile weltweit verbreitet hat.
Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstitut GfK waren im Jahr 2015 über die Hälfte der Deutschen, nämlich 55%, mit Angst erfüllt; sei es Angst vor dem Verlust materieller Dinge oder Ressourcen oder in Bezug auf das (fehlende) Vertrauen in die Mitmenschen. Wo es im Jahr 2013 „nur“ 28% waren, waren es im Jahr darauf bereits 31% und im folgenden Jahr wurde ein noch größerer Anstieg auf eben 55% gemessen. Dieser immense Anstieg wurde auf die Angst vor der Verschlechterung der Wirtschaft zurückgeführt, welche laut Experten und Beobachtern aber völlig unbegründet ist.
Die German Angst hat auch Sigmund Freud beobachtet:
„Personen, die von dieser Art Angst geplagt werden, sehen von allen Möglichkeiten immer die schrecklichste voraus, deuten jeden Zufall als Anzeige eines Unheils, nützen jede Unsicherheit im schlimmen Sinne aus. Die Neigung zu solcher Unheilerwartung findet sich als Charakterzug bei vielen Menschen.“
Ist Deutschland also eine von Grund auf pessimistische Nation? Laut anderen Nationen ja; pessimistisch, überängstlich oder hysterisch sind nur einige der Eigenschaften, die mit dem Lebensstil der deutschen assoziiert werden. Doch werden in Deutschland tatsächlich Kernreaktorunglücke, wie es damals in Fukushima passierte, oder ein Zusammenbruch der Wirtschaft gefürchtet? Wohl eher ist dieses Schwarzmalen möglicher zukünftiger Ereignisse die Reaktion auf unbewusste Verdrängungen, die noch vom zweiten Weltkrieg herrühren. All diese vergangenen, negativen Geschehnisse, die Deutschland durchmachen musste, liegen nur wenige Generationen zurück, und schenkt man den Forschern glauben, so schlagen sich diese Traumata im Erbgut nieder und wurden dementsprechend bis in unsere heutige Generation weitervererbt. Doch so negativ das Ganze auch klingen mag, der Philosoph Martin Heidegger kann der German Angst auch Positives abgewinnen. Laut ihm ist die German Angst keineswegs nur negativ behaftet – während andere Nationen nach dem Laissez-faire Prinzip leben, Rohstoffe verschwendet werden und gehandelt wird, bevor nachgedacht wurde, lebt der Deutsche effizient und in Relation nachhaltig. Auch das bekannte Pflichtbewusstsein, die Gewissenhaftigkeit oder die Pünktlichkeit der Deutschen lässt sich in gewisser Weise auf die German Angst zurückführen.
Doch wie seht ihr diese Thematik? Empfindet ihr Deutschland tatsächlich als ein Land voller Angst, oder ist es in euren Augen nur ein Klischee, das sich in den letzten Jahren unberechtigterweise verbreitet hat und ihr seht das Ganze eher wie Martin Heidegger, also in positivem Licht?