Das Durchschnittsalter auf Virtual Popstar steigt und steigt. Damit ist es unweigerlich das immer mehr von uns ihren Schulabschluss erreichen und sich umsehen müssen, was sie denn nach der Schule machen und werden wollen. Hierbei sind vielfältige Möglichkeiten vorhanden. Ein Jahr im Ausland, ein FSJ, eine Ausbildung oder ein Studium. In der Reihe "Meine Zukunft als..." werdet ihr nun ein wenig mehr über die Zukunft und die Pläne einiger anderer VP User kennen lernen. Im
zehnten Teil der Ausgabe geht es um den Umgang mit der Perspektivenlosigkeit. Als Partnerin für dieses Interview hat sich
derMessias bereit erklärt!
Willkommen und vielen Dank für deine Bereitschaft dieses Interview mit mir zu führen! Wärst du so lieb und würdest dich erst einmal vorstellen?
Hi, ich bin Messi, bin 20, fast neu auf VP und wurde für dieses Interview ausgewählt, weil mein zukünftiges Leben keine Perspektive hat und ich anderen Leuten trotzdem gerne Lebensweisheiten aufzwinge.
Vielleicht ist es ja auch das Ziel des Interviews dir eine Perspektive aufzuzwingen, das es doch eine Perspektive gibt? Fangen wir aber erst einmal von vorne an, wie sieht es denn mit dem aktuellen Ausbildungsstand aus?
Na hoffentlich. : D
Momentan studiere ich und hab hoffentlich, wenn alles nach Plan läuft, im Sommer 2021 meinen ersten Bachelorabschluss in Poltik(wissenschaft)-Philosophie-Ökonomie (=VWL) in der Tasche. Das ist so ein neuartiger, interdisziplinärer Studiengang, wo du im Prinzip von allem ein bisschen was kannst, aber nichts so richtig. Meinen ersten Abschluss deshalb, weil ich für zwei weitere Studiengänge - Kommunikationswissenschaft und Philosophie - inskribiert bin und auch vorhabe, beide noch abzuschließen. Im Sommer fülle ich meine freie Zeit seit meinem Studentendasein außerdem mit einem Praktikum, bisher (und thx2corona wahrscheinlich auch im nächsten Jahr) immer im selben Unternehmen und in derselben Branche: Bank- & Versicherungswesen.
Hu, da hast du dir aber wirklich viel vorgenommen! Magst du zu jedem Studiengang, angefangen bei dem ersten Abschluss ein paar Sätze sagen, was darin behandelt wird?
Puh, ich werde versuchen, mich kurzzuhalten:
PPÖ ist, wie gesagt, eine Mischung aus den drei Fächern, d.h., du hast aus allen Bereichen einführende Kurse und hast dann die gleichen, aber natürlich weniger Schwerpunktfächer, als du das bei "vollwertigen" Studien hättest. Bei mir ist das in der Politikwissenschaft z.B. Internationale Politik und Politische Theorie, in Philosophie vor allem in Richtung der Wissenschaftstheorie (also Philosophie der Mathematik, Physik, Ökonomie,,...) und in VWL liegt der Fokus auf public finance. Dabei stehen oft auch generell disziplinübergreifende Themen wie Globalisierung, Migration, Gerechtigkeit und Klimawandel im Mittelpunkt.
Philosophie ergänzt dann im Philosophieteil alles, was dort nicht behandelt wird. Von "Was soll ich tun?" bis "Was kann ich wissen?" ist da alles dabei. Philosophie ist ein großes Thema und beinhaltet so unfassbar viel, dass man den Überblick verlieren würde, wenn ich thematisch mehr ins Detail gehen würde. Im Prinzip gilt: Viel lesen, viele Argumente auf logische Gültigkeit und Wahrheit überprüfen und daraufhin viele Texte mit Kritik und viel besseren Argumenten verfassen. Klingt trocken, bedarf aber eigentlich extrem viel Kreativität und einem unfassbaren Denkvermögen (ich besitze beides nicht, aber psst). Das gute dabei: Große Wahlfreiheit, damit du dich auch fast nur mit Themen befassen musst, die dich wirklich interessieren. Es kommt nämlich nicht selten vor, dass man merkt, dass man von dem Thema eigentlich (noch) gar nichts verstanden hat, obwohl man sich seit ner Woche nur noch damit beschäftigt.
Und Kommunikationswissenschaft ist halt der typische "irgendwas mit Medien"-Studiengang. Auch hier hat man wieder große Wahlfreiheit, einführende Kurse in alles und kann sich dann auf Marketing/Werbung/PR, Journalismus oder wissenschaftliche Forschung spezialisieren. Hinzu kommen ganz viele Wahlkurse, viele davon im Bereich Fotografie/Film/Audio.
Welcher der Studiengänge reizt dich denn am meisten, später auch in ihm zu arbeiten?
Genau da liegt das Problem - in keinem so wirklich. Versteh mich nicht falsch, ich stell mir gerade Forschung - sowohl in Philosophie, als auch in Internationaler Politik und Kommunikationswissenschaft - super spannend vor. Ich schreibe eigentlich gerne Seminararbeiten (zumindest theoretisch), beschäftige mich gerne tiefgehend mit Themen, lese gerne, rede gerne über Themen dieser Art mit anderen, halte gerne Vorträge,... Aber ich kann mir mich einfach nicht die meiste Zeit alleine vor einem Computer sitzend vorstellen. Und sonst wirds mit den Jobaussichten auch schon ein bisschen schwierig: Ich will Leuten nichts andrehen, das sie nicht haben wollen (PR) und ich will auch nicht über den Skandal beim Dorffest in Hintertupfing in den lokalen Nachrichten berichten. Und ab da sind die Jobmöglichkeiten mit meinem Studium auch schon stark begrenzt. Ich bin kein Überflieger, der schon im Alter von 10 Jahren ein Programm für das Bundesministerium programmiert hat, habe keine 20 Ehrenämter und spreche keine 10 Sprachen fließend. Kurz: Es gibt viele Leute, die mir weit überlegen sind und wenn ich nicht arbeitslos sein will, sollte ich mir schleunigst etwas einfallen lassen.
Also generell bei all deinen angestrebten Abschlüssen relativ wenig Auswahl der Berufe, wenn man außerhalb von einem Büro landen möchte... Worum genau geht es denn bei deinem Praktikum? Könntest du dir das vielleicht als deinen Beruf - zumindest übergangsweise - vorstellen?
Meine Praktika sind auch immer Bürojobs, Bank und Versicherung. Die Leute dort sind super lieb, deshalb mach ich das die kurze Zeit immer echt gerne, aber den ganzen Tag vorm Computer zu sitzen kann dauerhaft halt nichts, find ich.
Das kann ich gut verstehen, das sieht dann ja natürlich wirklich eng aus... Aber mit deinen Praktika hättest du ja wenigstens für ein paar Monate eine Übergangslösung, sollte sich vorher nichts finden lassen. Hast du denn im Bereich der vorhin angesprochenen Forschung bereits ein Praktikum gemacht? Vielleicht teilen sich die Zeiten am Computer dort ja doch anders ein, als es dir bisher erscheint?
Leider nicht! Bei uns sind die meisten für Masterstudierende reserviert und wenn dann doch einmal, so wie letztes Jahr, ein Forschungspraktikum für mein Niveau in meinem Fach ausgeschrieben wird, dann am 22. Juni für ein Praktikum, das ab Juli in Vollzeit läuft - da hat man natürlich i.d.R. schon ein Praktikum, das man nicht mehr absagen kann. Aber ich lauere schon in den Startlöchern und wenns wieder eines gibt, werde ich mich dafür bestimmt bewerben - ist halt dann die Frage, ob man genommen wird. Aber ja, ich bin auch optimistisch, dass das eigentlich ganz anders abläuft, als ich mir das vorstelle, sonst wären ja alle Wissenschaftler, die ich kenne, viel zu begeistert von ihrem Job.
Ich drücke dir die Daumen, dass du angenommen wirst, und dir das mal anschauen kannst! Möchtest du denn, nach deinen ganzen Bachelor-Abschlüssen noch in einem oder gar allen dieser Fächer den Master machen?
Vielen Dank!
Ja, ich werd auf jeden Fall noch ein bisschen studieren. Leider hab ich wieder das selbe Problem wie direkt nach dem Abi, dass ich einfach gefühlt alles spannend finde und mich nicht entscheiden kann. Ein Philosophiemaster wäre klasse, oder ein spezieller Politikwissenschaft-Master, der mehr in Richtung internationale Beziehungen geht, oft mit Recht und/oder Wirtschaft. Ich würde mich aber auch super gerne in Richtung Mathe und Statistik weiterbilden, auch vertiefende VWL wäre super interessant - mir kommt ein bisschen vor, ich hab schon gefühlt alles überlegt und schließe eigentlich nichts aus. Noch kann ich solange ich an meiner Uni bleibe gefühlt fast alles im Master studieren, wenn ich auch für manche Studiengänge, wie z.B. Data Science, ein paar Lehrveranstaltungen aus Informatik nachholen müsste, aber dass das überhaupt möglich ist, ist Wahnsinn und ich finde das richtig cool, dass mein Studiengang da so gut in die gesamte Universität eingebettet ist. Generell studiere ich aber super gerne und ein Master oder ein weiterer Bachelor in Mathematik oder Physik schadet sicher nicht. Allerdings wär halt schon das Ziel irgendwann einmal einen ordentlichen Job zu haben, aber ich konnte irgendwie noch nicht herausfinden, wie man sich am besten festlegt. Dementsprechend prophezeie ich: Ich werde meinen Bachelorabschluss machen und dann das erstbeste studieren, das mir gerade in den Sinn kommt (und für das ich angenommen werde). Die Entscheidung fällt dann relativ spontan und ich werde weiterhin darauf hoffen, dass ich irgendwann irgendwie herausfinde, wo ich arbeiten kann - oder zumindest herausfinde, wie ich das herausfinden kann.
Vielleicht hilft ja deine bisherige Vorgehensweise auch dabei schon? Einfach für einige Berufe bewerben und das nehmen, für das du als erstes angenommen wirst. Wenn es nicht das richtige ist, kannst du dich ja noch immer weiter bewerben. Aber damit, das Abschlüsse in sämtlichen Bereichen nicht schaden, hast du natürlich auch recht. Fühlst du dich denn mit deinen drei Studiengängen überfordert, was die Anforderungen und die Mischung aus Uni-Arbeit-Freizeit angeht?
Natürlich, es gibt ja auch Leute, die sich mit Ende 50 noch einmal ganz neu orientieren, also man ist ja nicht für immer in einem einzigen Beruf gefangen. Aber ich denke schon, dass es sinnvoll ist, ein bisschen Struktur reinzubringen - zumindest Ziele, in welche Richtung es ungefähr gehen kann, weil man sich sonst total schnell in den unzähligen Möglichkeiten verliert und nur planlos umherirrt. Dinge ausprobieren ist da bestimmt eine gute Option, um ein bisschen mehr herauszufinden, aber es ist doch sinnvoll, die Auswahl der Dinge die man ausprobiert einzugrenzen, sonst wird man nämlich nie fertig. Man erspart sich einfach vergeudete Zeit, wenn man sich schon vorher Gedanken macht und ein bisschen vorplant, auch wenn dann natürlich immer noch alles anders kommen kann.
Bezüglich Überforderung: Ich habe das Glück, dass ich nebenbei nicht festangestellt arbeiten muss - das wäre, glaube ich, nicht wirklich möglich. Drei Studiengänge sind schon viel Arbeit und ich sag mal, dass ich niemandem empfehlen würde, viel mehr als 60 LP/ECTS im Semester zu sammeln, zumindest in nicht-Coronazeiten und wenn die Zahl der ECTS auch in etwa richtig eingeschätzt wurde. Damit kommt man bei drei Studiengängen natürlich nicht bei allen in Mindeststudienzeit durch, wenn man alle drei gleichzeitig anfängt, aber es ist ein gutes Mittelmaß zwischen kein großartiger Stress und einer produktiven Woche. Für mich persönlich ist alles zwischen einer 45 und 85h Woche Normalität, vor allem abhängig vom Gemütszustand und es kommt auch vor, dass ich manchmal komplett überfordert bin - aber wer ist das nicht manchmal. Ich weiß nicht, ob das eine gute oder schlechte Eigenschaft ist, aber im Zweifel priorisiere ich Hobbys und Freunde und auch notwendige Entspannung immer über Uni. Wenn also nichts mehr geht, steckt die Uni eben zurück. Das funktioniert die meiste Zeit echt gut und da mir vieles an meinem Studium Spaß macht, verbringe ich ja auch gerne Zeit damit. Was auch extrem gut hilft, sind Lerngruppen - man lernt nicht nur leichter, sondern man vereinsamt auch nicht, obwohl man für seine Freunde keine "Extrazeit" einplant. Für das Bedürfnis nach Sozialkontakten ist es außerdem im Endeffekt egal, ob ihr über Ramonas neuen Ex-Lover, der seinen ONS geschwängert hat (true story) oder den Diskurs von Ratzinger und Habermas über die Gefahren der Moderne redet. Mit den richtigen Leuten macht alles Spaß. Als Vergleich: Ich hab mich in meinem Leben noch nie so überfordert gefühlt wie in meinem allerersten Semester an der Uni, ein Studiengang, 24 LP, keine Arbeit und davor 3 Monate Sommerferien ohne irgendetwas zu tun. Ist vor allem Planungs- und Einstellungssache.
Ja das glaube ich dir aufs Wort! Meine nächste Frage dreht sich darum, wie du dein Studium finanzieren kannst und in was für einer Wohnsituation du dich derzeitig befindest?
Ich wohne zu Hause und muss danke @meine Eltern keine Lebenserhaltungskosten zahlen, mein Studium kostet 20€ im Semester. Für alles andere arbeite ich in den Ferien, damit lässts sich eigentlich ganz gut leben.
Huh, das ist dann natürlich praktisch! Aber 20€ erscheint mir schon sehr wenig, im Vergleich zu dem Betrag den ich pro Semester zahlen muss. Hättest du Lust einmal zu erläutern was dieser Betrag beinhaltet?
Nur ein weiteres Semester an der Uni, das ist der Beitrag für die Hochschülerschaft, also politische Repräsentation. Ich zahl für mein Öffi-Jahresticket noch einmal 150€ im Semester. Ansonsten weiß ich gar nicht, wie das in Deutschland ist, was da alles dabei ist. Bin aber immer froh, wenn ich mir was spare. : D
Huh, das geht aber wirklich noch! Ich zahle 266,50€. Eben für das Semester, ein Landesweites Semesterticket und das Studentenwerk, wodurch das Essen in der Mensa dann auch billiger wird. Hast du noch ein abschließendes Wort an die Leser?
Schwierige Frage, das wird jetzt ein bisschen flach... Aber ich glaube, ich plädiere dafür, sich bei jeder (beruflichen) Entscheidung zu fragen, ob man diese Entscheidung trifft, weil man das a) wirklich machen will, b) glaubt, dass das das Einzige ist, was man machen kann (weil man für alles andere zu "schlecht" ist, o.ä.) oder c) weil man damit Eindruck bei anderen Leuten schinden will. Man könnte meinen, dass es nichts Prestigeloseres als ein Philosophiestudium gibt, aber ich ertappe mich selbst (und auch viele andere) immer wieder dabei, Dinge manchmal wegen b) aber vor allem wegen c) zu tun und ich glaube, dass wir das gegen das Urvertrauen, dass schon alles irgendwie klappen wird, austauschen sollten. The end.
Ich hoffe ihr konnten vielleicht den ein oder anderen Tipp für euch und euer Leben aus diesem Interview ziehen. Lasst uns beiden gerne einen Kommentar da, wie euch das Interview gefallen hat, welche weiteren Fragen euch nun noch auf der Seele brennen und welche weiteren Themen euch interessieren würden!