Ohren, Ohren, Ohren… Ja, richtig gelesen! Dieses Mal hören wir ganz genau hin (ja, dieser Wortwitz musste sein) und stellen das Sinnesorgan Ohr ins Zentrum. Dies ist insofern berechtigt, denn wir hören ständig, das Gehör ist immer da und, unter normalen Umständen, ist es unser täglicher Begleiter...
Ansetzen möchte ich heute allerdings bei einer ganz spannenden These, die zurzeit in der Forschung heiß und kontrovers diskutiert wird. Die Ausgangslage? Das Ohr (und damit ist die Ohrform gemeint) „mache die Musik“. Will man dieser These glauben schenken, so ist also die Form ausschlaggebend dafür, was und wie gehört wird; auch, dass sich die Ohrform im Laufe des Lebens verändere, wirke mit und verändere die Hörwahrnehmung – so weit, so klar.
Auch dieses Mal muss ich euch vorneweg sagen: Ob die These stimmt, darüber vermag ich leider nicht zu urteilen. Aktuelle Studien laufen. Die bereits vorliegenden Ergebnisse sind nicht aussagekräftig genug, um die Aussage gegen Gegenthesen zu stützen. Trotzdem soll auf die Perspektive, die Form der Ohren zum Zentrum der Forschung zu machen, hier verwiesen werden. Außerdem werde ich, lustig wie ich bin, in nächster Zukunft darauf verweisen. Wenn beispielsweise jemand in einer heißen Diskussion meint, mir sagen zu müssen, dass ich leiser sprechen soll, entgegne ich ganz einfach mit: „Hast du ein Problem mit meiner Ohrform!?!?“ Oder auch in der Uni, wenn Kommilitonen darüber sprechen, wie toll es denn ist, absolut zu hören, dass ich aufgrund meiner Ohrform nicht dazu fähig bin. Die eigene Ohrform als Handicap zu betrachten, finde ich irgendwie witzig. Jaaaa, ich liebe Ausreden...
Und was ich auch liebe, sind schöne Übergänge: Absolut hören? Was ist das nochmal? Absoluthörende, das sind Menschen, die Töne sofort ohne Bezug zu Vergleichstönen einordnen können. Sprich: Sie hören einen Ton und können direkt sagen „Das ist ein Cis.“. Ziemlich cool, dieses Absoluthören, und wenn man sich so einige bekannte Musiker ansieht, merkt man auch schnell, irgendwie hängt die Fähigkeit absolut zu hören, mit genialer Musikbegabung zusammen. Immerhin waren the one and only Wolferl (aka W. A. Mozart), Johann Sebastian Bach, Beethoven oder auch Jimi Hendrix Absoluthörende (bzw. geht die Forschung bei einigen genannten Namen davon aus).
Die meisten – und dazu gehörst du mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dazu – hören allerdings nur relativ. Das heißt, die Töne werden im Vergleich anderen Bezugstönen gedeutet. Sofern die Ausgangnote bekannt, ist es möglich die akustisch vernommenen Töne in Relation zu setzen. Diese Fähigkeit kann zweifelsohne trainiert werden, allerdings ist es nicht möglich, sich das Absoluthören im klassischen Sinne anzutrainieren. Also: das eigene Gehör kann, egal ob absolut oder relativ, geschult werden und vielerlei Informationen aufnehmen, allerdings kann kein absolutes Gehör antrainiert werden. Man hat es oder man hat es nicht...
Allerdings und das kann ich von Kollegen bestätigen, ist es nicht immer so nice, absolut zu hören. Falsch notierte Noten (also z.B. transponierte Stücke), oder diese eine Sängerin im Chor, die die Töne einfach etwas zu tief intoniert… – für eine relativ hörende Person werden diese Situationen keine (immensen) Auswirkungen haben, für absolut hörende Personen sind sie allerdings eine Qual.
Bezüglich des Entstehens des Absoluthörens geht man einerseits davon aus, dass Absolut- im Vergleich mit Relativhörenden besondere Strukturen im Hirn haben (hier grüßt herzlich der Hörkortex und das Stirnhirn/genauer: der dorsale Frontalkortex). Diese Strukturen bilden sich in einer frühen Lebensstufe heraus und bedingen die Tonverarbeitung. Töne werden wie Sprachlaute verarbeitet und können daher ähnlich kategorisiert werden. Hier könnte man daraus schließen, dass – falls in dieser frühen Phase die Verarbeitung geschult wird (und davon gehen auch einige Hörpädagogen aus) - dass das Absoluthören doch „gebildet“ wird. Allerdings gibt es auch andere Ansätze: hier sei grundsätzlich die Gedächtnisfunktion schuld, nur wenn eine absolut-effiziente Informationsverarbeitung möglich ist (und das sei angelegt), wäre es möglich, absolut zu hören. Was ich in diesem Kontext ganz besonders cool finde – ebendiese Befunde, die sich im Zusammenhang der Informationsverarbeitung, die bei Absoluthörenden ohnehin nahtlos funktioniert, werden bei älteren Menschen adaptiert, um die Hörleistung im Alter zu trainieren oder auch andere Hörbeeinträchtigungen entgegenzuwirken.
Zum Abschluss würde ich nun wieder gerne den Ball an euch zuspielen und euch fragen, ob es gewisse Geräusche und Gegebenheiten gibt, die ihr auditiv so gar nicht ertragen könnt (wie z.B. die quietschende Kreide an der Tafel)? Könntet ihr euch generell vorstellen, dass die Ohrform ausschlaggebend sein kann, wie und was man hört? Verstecken sich hier online vielleicht ein paar Absoluthörer*innen? Oder hört ihr alle – so wie ich – relativ? Lasst euch doch in den Kommentaren dazu aus. I freu mi.
