Dass das offene Meer das ein oder andere Geheimnis verbirgt und die Tiefsee und ihre Lebewesen ziemlich gruselig sein können, ist keine neue Erkenntnis. Trotzdem soll es heute um ein weiteres Geheimnis der Tiefsee gehen, welches aber glücklicherweise nicht allzu erschreckend ist.
Je tiefer man in das Meer geht, desto seltsamer werden die Lebewesen. Das ist uns allen schon aufgefallen. Meeresbewohner wie Krabben und Asseln, die normalerweise in flachen Gewässern zu finden sind, haben eigentlich eine normale Größe, aber ihre Artgenossen, die in den tiefen dunklen Gewässern zu finden sind, nehmen ungewöhnliche und erschreckend riesige Maße an. Aber was steckt dahinter?
Eigentlich würde man vermuten, dass besonders in der Tiefsee, wo es kaum Licht & Nahrungsangebot gibt, die Tiere eher kleiner als größer ausfallen, auch wegen dem Druck der dort herrscht. Aber der Druck ist überhaupt kein Problem, da die Kreaturen selbst größtenteils aus Wasser bestehen und Wasser schließlich kaum komprimierbar ist. Eigentlich ist es der Auftrieb und die eher glibberige Konsistenz der Tiere, die es ihnen ermöglicht, so groß zu werden, denn sie müssen da unten nicht gegen die Schwerkraft ankämpfen.
Schutz vor Fressfeinden bzw. reduzierter Raubdruck
Ein möglicher Einfluss ist der verringerte Raubdruck in tieferen Gewässern. Eine Untersuchung von Brachiopoden ergab, dass Raubtiere in den größten Tiefen eine Größenordnung weniger häufig waren als in flachen Gewässern. Daraus lässt sich schließen, dass in den Tiefen des Meeres weniger Räuber vorkommen und die Tiere, die normalerweise die Beute sind, können sich in Ruhe fortpflanzen und haben viel Zeit zu dieser enormen Größe heranzuwachsen.
Ein weiterer Punkt in dieser Kategorie ist die Dunkelheit und die damit verminderte Wahrnehmbarkeit durch Fressfeinde. Natürlich sind die Tiere, die so tief im Meer leben an die Dunkelheit angepasst und können sich trotzdem orientieren, aber eben weniger als näher an der Oberfläche. So kann es durchaus vorkommen, dass die Beute in dieser Dunkelheit Schutz findet und die Sehschwäche der Räuber als Vorteil nutzt.
Bergmann Regel
Die Bergmannsche Regel besagt, dass gleichwarme Tiere in kälteren Regionen größer sind als ihre nah verwandten Arten in wärmeren Regionen. Ergibt Sinn, schließlich sinkt die Temperatur mit steigender Tiefe und die Tiere da unten leben in eisiger Kälte. Begründet wird das ganze so: Wenn sich die Körpergröße verdoppelt, dann verdoppelt sich die Körperoberfläche und es verdreifacht sich das Körpervolumen.
Je größer die Körperoberfläche, desto mehr Wärme verliert das Tier & je größer das Volumen, desto mehr Wärme kann das Tier herstellen. Also verlieren die Lebewesen da unten zwar viel Wärme durch ihre Oberfläche, da ihr Volumen im Verhältnis aber dreifach so groß ist kann es viel mehr Wärme wiederherstellen als es verliert. Dadurch können sie in kälteren Regionen besser überleben.
Niedrige Umgebungstemperaturen bringen außerdem gleichzeitig ein langsameres Wachstum und höhere Lebenserwartung mit sich.
Erhöhter gelöster Sauerstoff
Der Gehalt an gelöstem Sauerstoff ist auch ein Faktor. Eine Studie von 1999 über benthische Amphipodenkrebstiere ergab, dass die max. Größe des Organismus mit einem erhöhten Gehalt an gelöstem Sauerstoff in tieferen Gewässern korreliert. Dazu ist bekannt, dass gelöster Sauerstoff in den Ozeanen mit zunehmendem Druck, abnehmendem Salzgehalt und sinkender Temperatur in der Tiefe zunimmt. Um also mehr gelösten Sauerstoff aufzunehmen und eine ausreichende Atmung zu ermöglichen, werden die Tiere größer.
Kleibersches Gesetz
Kleibers Gesetz beschreibt den Zusammenhang zwischen Masse und Stoffwechsel von Tieren. Demnach wird der Stoffwechsel umso effizienter, je größer ein Tier wird.
Tiere, die in den Tiefen der Ozeane schwimmen, sind darauf angewiesen, dass die Nahrung von oben herabfällt, und da die Nahrung oft knapp ist, haben sie einen großen Anreiz, effizienter zu werden und deshalb größer. Dieses Gesetz ist aber relativ komplex und nicht so einfach zu verstehen, aber ich wollte es trotzdem einmal erwähnen.
Bathynomus giganteus (Riesenassel)
Isopoden sind Krebstiere, die entfernt mit Garnelen und Krabben verwandt sind. Sie sind in den kalten, tiefen Gewässern des Atlantiks, des Pazifiks und des Indischen Ozeans in einer Tiefe von 310-2330 Metern zuhause.
Gewöhnliche Asseln werden 8-15cm groß, die Bathynomus giganteus wird aber ungefähr 76cm groß und bis zu 1,7kg schwer und ist somit das perfekte Beispiel für Tiefsee Gigantismus.
Japanische Seespinne
Die Japanische Seespinne, ist die größte Krebsart auf unserem Planeten. Sie wiegt zwar "nur" 20 Kilo, kann aber bis zu 4m lang werden. Normale Krabbenarten werden nur cm groß. Ihr Körper ist im Vergleich zu den bis zu 1m langen Beinen recht klein, daher auch "Seespinne". Die japanische Seespinne kann im pazifischen Ozean um Japan in bis zu 300m Tiefe gefunden werden. Sie kann bis zu 100 Jahre leben. Das besondere hierbei ist, dass es ein lebendes Exemplar in der Singapore Underwater World in Sentosa gibt. Ein nicht lebendes Exemplar gibt es sogar bei uns, im Meeresmuseum Stralsund.
Koloss Kalmar
Koloss-Kalmare leben in 1-2 Kilometern Tiefe vor allem in den Gewässern der Antarktis. Er kann bis zu 13 Meter lang und bis zu 500kg schwer werden. Abgesehen davon, dass er riesig war, hat der größte bisher gefundene Koloss-Kalmar übrigens noch einen anderen Rekord aufgestellt: Er hatte
die größten Augen von allen bekannten Tieren der Welt. Sie hatten einen Durchmesser von fast 30cm (größer als ein Basketball). Bisher sind allerdings kaum welche gefangen oder gesichtet worden.
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Das wars auch wieder! Ich hoffe der Beitrag war für Nicht-Meeresbiologie-Nerds auch interessant und ich habe euch nicht allzu viel Angst eingejagt. Jedenfalls bezweifle ich, dass ihr in 300m Tiefe baden geht.
Habt ihr schon einmal was vom Tiefsee Gigantismus gehört? Kennt ihr vielleicht noch andere Beispiele?