Der Öl-Unternehmer Jean Paul Getty spielte in einer Liga mit den superreichen Rockefellers. Doch als Mafiosis 1973 seinen Enkelsohn entführte, weigerte er sich monatelang das Lösegeld zu zahlen. Für den Teenager bedeutete das den Anfang vom Ende seines jungen Lebens als Milliardärs-Erbe...
John Paul Getty III, meist nur „Paul“ genannt, war Enkel und Erbe des amerikanischen Öl-Milliardärs Jean Paul Getty, welcher seit den 1950er-Jahren zeitweise den Titel des reichsten Mannes der Welt trug. Seine Kindheit und Jugend verbrachte Paul in Rom, wo sein Vater, John Paul Getty II, den italienischen Zweig des Familienunternehmens Getty Oil leiten sollte. Dieser konnte den hohen Erwartungen an seine Position jedoch nicht gerecht werden, verließ schon bald seine Familie und verfiel schließlich den Drogen.
In der Obhut seiner alleinerziehenden Mutter Abigail Harris, die sich nach der Scheidung weitestgehend vom Getty-Clan distanziert hatte, wuchs Paul zu einem rebellischen Freigeist mit Promi-Status heran. Bereits im Alter von nur 15 Jahren lebte er gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau Gisela Schmidt in einer kommuneartigen Wohngemeinschaft mitten in Rom, wo er zudem ein ausschweifendes Nachtleben führte. In der Boulevardpresse war der Junge mit den kupfernen Locken auch als „der goldene Hippie“ oder „der Öl-Prinz“ bekannt.
Als der damals 16-jährige Paul in der Nacht auf den 10. Juli 1973 mal wieder alleine durch die Straßen Roms zog, wurde er von einer Gruppe italienischer Mobster in einen Van gezerrt und verschleppt. Zwei Tage später kontaktierten die Entführer seine Mutter und forderten ein Lösegeld in Höhe von 17 Millionen Dollar (das entspricht heute ca. 110 Millionen Dollar) – eine Summe, die weder sie noch ihr suchtkranker Ex-Mann aufbringen konnten. Für Pauls milliardenschweren Großvater war dieser Betrag hingegen eine Kleinigkeit. Doch Jean Paul Getty weigerte sich, das Lösegeld zu zahlen. Dazu erklärte er gegenüber der Presse: „Ich habe 14 Enkelkinder und wenn ich jetzt auch nur einen Penny zahle, werde ich 14 entführte Enkelkinder haben“ (im Original: „I have 14 grandchildren, and if pay one penny now, I will have 14 kidnapped grandchildren“).
Jean Paul Getty missbilligte es zutiefst, dass einige seiner Nachkommen sich an seinem Vermögen bereicherten, nur um ein ausschweifendes Leben geprägt von Alkohol- und Drogenexzessen zu führen. Kaum eines seiner Kinder oder Enkelkinder soll er für gewissenhaft genug gehalten haben, das Familienunternehmen eines Tages zu leiten – auch nicht seinen einstigen Lieblingsenkel, den cleveren Paul. Dem traute er es zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich zu, seine Entführung des Geldes wegen selbst inszeniert zu haben. Es war aber nicht nur die bloße Enttäuschung seiner Sippe gegenüber, die den Großindustriellen davon abhielt, für das Lösegeld aufzukommen. Der strenge Patriarch galt gemeinhin als Geizhals, der für seine Gäste sogar Münztelefone auf seinem Anwesen installierte.
Allen Rückschlägen zum Trotz ließ Abigail Harris keine Bemühungen unversucht, um sich mit der italienischen Mafia und ihrem sturen Ex-Schwiegervater auf eine angemessene Lösegeldsumme zu einigen. Doch nach fünf Monaten ohne erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen riss den Entführern der Geduldsfaden. Um Druck auf die Familie auszuüben, schnitten sie Paul kurzerhand das rechte Ohr ab und verschickten es samt Beweisfoto an die italienische Presse, die den Vorfall veröffentlichte. Für die Täter war dieser Schritt ein voller Erfolg, denn Jean Paul Getty willigt endlich ein, zumindest 3 Millionen (das entspricht heute ca. 19 Millionen Dollar) der ursprünglich geforderten 17 Millionen Dollar für die Freilassung seines Enkels zu leisten. Tatsächlich zahlte er davon aber nur 2,2 Millionen Dollar selbst, da dies der maximale Betrag war, den er von Steuer absetzten konnte. Die restlichen 800.000 Dollar lieh er seinem Sohn, dem Vater des Jungen, unter der Bedingung, ihm die Summe inkl. Zinsen zurückzuzahlen.
Am 15. Dezember 1973 fand man Paul stark abgemagert, aber lebend auf der Autobahnstrecke zwischen Rom und Neapel, nachdem das Lösegeld zuvor auf der selben Route platziert wurde. Das traumatische Erlebnis konnte der Milliardärs-Erbe jedoch nie richtig verarbeiten. Er wurde stark abhängig und verabreichte sich im Alter von 25 Jahren einen Drogencocktail mit verheerenden Folgen. Durch einen ausgelösten Schlaganfall bliebt Paul bis zu seinem Lebensende pflegebedürftig. Er war größtenteils paralysiert, fast blind und konnte nicht mehr sprechen. Am 11. Mai 2011 starb er schließlich und hinterließ dabei zwei erwachsene Kinder, die er gemeinsam mit seiner Ex-Frau Gisela hatte.
Zu seinem Großvater, der schon 1976 verstarb, soll Paul den Kontakt abgebrochen haben. Zudem ließ die Familie Getty Oil nach dem Tod ihres Patriarchen Stück für Stück von anderen Industriellen aufkaufen. Aus diesem Grund wird der Name Getty nur noch selten mit der Öl-Branche assoziiert. Viel geläufiger ist heute wohl Getty Images – eines der größten Bildarchive im Internet. Das Unternehmen wurde 1995 von Pauls jüngerem Bruder, Mark Getty, gegründet.
Neben der Geschichte rund um Paul machten die Gettys im Laufe der Jahre immer wieder mit tragischen Todesfällen auf sich aufmerksam, sodass man in der Presse mittlerweile von einem „Familien-Fluch“ spricht oder den Clan als „die traurigsten Milliardäre der Welt“ bezeichnet. Geld allein macht eben nicht glücklich.
en nicht glücklich.