China und die olympischen Winterspiele
In zwei Wochen ist es soweit - das Eröffnungsfeuer der olympischen Winterspiele 2022 in Beijing (Peking), oder auch bekannt als einer der momentan am umstrittensten Sportveranstaltungen, wird entfacht. Trotz Omikron-Welle und großer Kritik besonders an der Menschenrechtspolitik des Austragungslandes sollen auch dieses Jahr die besten Athleten und Athletinnen der Welt gegeneinander antreten und ihre Bestleistungen erbringen. Aber bevor ich jetzt zu weit vorgreife, lass uns doch mal genauer anschauen, wieso diesjährigen olympischen Spiele für so viel Aufruhr sorgen.
Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit
Nachdem dort 2008 die Sommerspiele stattgefunden haben, wurde sich dazu entschieden, auch alte Austragungsorte dieses Jahr wiederzuverwenden - der Nachhaltigkeit zuliebe. Laut chinesischer Staatsführung sollen diese außerdem mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden, wodurch man im Jahr 12,8 Mio. Tonnen CO2 einsparen könne. Aber stimmt das überhaupt? Unabhängig überprüfen lässt es sich jedenfalls nicht und viele Experten vertreten die Meinung, dass die Winterspiele definitiv nicht umweltfreundlich und nachhaltig seien.
Man sollte meinen, für Winterspiele würde ein Ort Sinn machen, an dem es kalt ist und viel Schnee liegt. In der Region um Peking herum wird es zwar kalt, aber weiß in der Regel nicht. Die Skipiste wurde deshalb in den Berg gebaut und mit Kunstschnee bedeckt. Diese Schneeproduktion benötigt aber total viel Wasser, welches aus dem Tal durch ein riesiges Rohrsystem auf den Berg gepumpt wird. Grundsätzlich schon eine fragwürdige Angelegenheit, aber besonders problematisch wird's, wenn man bedenkt, dass Peking mit den rund 20 Mio. Einwohnern unter extremer Wasserknappheit leidet. China versichert aber, dass das Wasser aus Flüssen, Seen und Reservoirs komme, das Grundwasser bleibe also unangetastet. Und der geschmolzene Kunstschnee solle dann unter wieder aufgefangen werden. Aber wie viel davon stimmt auch wirklich?
Über die Nachhaltigkeit solcher Veranstaltungen im Allgemeinen, für die neue Arenen, Autobahnen, Hotels und Skigebiete gebaut werden, lässt sich natürlich aber auch generell streiten.
Chinas Politik und Menschenrechtsverletzungen
Nach außen hin will sich das Land als eine Gesellschaft zeigen, die die Rechte und Freiheiten aller ethnischen Gruppen nach den gesetzlichen Vorgaben schützt und verbreitet Videos, in denen gemeinsam getanzt und musiziert wird. In der Realität sieht das aber ganz anders aus.
Zwangslager waren ein grausames Instrument zur Unterdrückung gesellschaftlicher Minderheiten der nationalsozialistischen Diktatur unter Hitler und gehören mittlerweile der Vergangenheit an. Oder etwa doch nicht? Auch in China gibt es seit 2014 sogenannte "Umerziehungslager", in die in erster Linie Minderheiten wie die Tibeter und Uiguren geschickt werden. Laut Tagesschau finden dort unteranderem Zwangssterilisationen, Abtreibungen, erzwungene Organentnahmen und Folter statt. In der Regel verbleiben die Menschen dort 3 Monate, ohne die Möglichkeit, sich rechtlich dagegen zu wehren, werden militärisch gedrillt und dann "beruflich weitergebildet". Menschenrechtsorganisationen und einige westliche Regierungen sprechen direkt von Völkermord. Chinas Staatschef ist aber der Ansicht, seine Minderheitenpolitik sei sehr erfolgreich und er sorge damit für langfristigen Frieden und Stabilität in der Gesellschaft.
Abgesehen davon herrschen in China auch keine Meinungs- und Pressefreiheit. In der Sonderverwaltungszone Hongkong kämpft deren Demokratiebewegung seit etlichen Jahren gegen den zunehmenden Einfluss Chinas und deren massive Einschränkungen. Doch nur wenige trauen sich überhaupt, ihre Meinung zu äußern.
Wichtig zu erwähnen ist auch der Fall der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai, welche nach ihren Vorwürfen wegen sexuellem Missbrauch durch einen chinesischen Politiker wie vom Erdboden verschluckt scheint. Ihr Social-Media-Beitrag zu diesem Thema wurde sofort gelöscht und auch weitere Diskussionen darüber werden durch die chinesische Regierung zensiert. Ende letzten Jahres kam dann ein (inszenierter) Video-Auftritt, bei dem sie von einer "privaten Angelegenheit" und "Missverständnissen" redete. Ob sie in Zukunft noch ins Ausland reisen darf und ob dies das Ende ihrer Karriere bedeuten könnte, bleibt weiterhin unklar.
Das Thema, das auch in der Debatte um die Fußballweltmeisterschaft in Katar hoch diskutiert ist, ist die politische Neutralität im Sport. Das Internationale Olympische Komitee sei laut Vizepräsident "keine Weltregierung, das die Länder in Gut und Böse einteilt". Die chinesische Regierung spricht selbst von einer "Verhöhnung des olympischen Geistes, eine[r] politischen Provokation und ein[em] Angriff auf 1,4 Milliarden Chinesen". Den Angriff auf die rund 10 Millionen Uiguren seitens der Volksrepublik mal beiseitegelegt, ne?
Aber ist eine politische Neutralität bei weltweiten Sportveranstaltungen wie den olympischen Spielen überhaupt realistisch? Die Austragung solcher Spiele ermöglichen doch durch die internationale Verbreitung etliche Möglichkeiten zur politischen Selbstdarstellung. Und ich bin definitiv der Meinung, dass gerade China die olympischen Spiele dazu nutzt, politische Propaganda zu verbreiten.
Einige Länder wie die USA, Australien, Kanada, Großbritannien, die Niederlande und Japan haben mittlerweile angekündigt, keine Regierungsvertreter nach Peking zu schicken. Es handelt sich hierbei also um einen diplomatischen Boykott. Im sportlichen Bereich gibt einen solchen jedoch nicht, jedes Teilnahmeland schickt Athlet*innen zu den Spielen. Laut des Sprechers des Außenministeriums in Peking werden diese Länder "unweigerlich den Preis für ihr Fehlverhalten zahlen". Soviel zu politischer Neutralität.
Corona und die Omikron-Variante
Okay, gehen wir mal davon aus, wir können Sport und Politik komplett voneinander trennen. Sollte so eine Großveranstaltung mit Anreisenden aus aller Welt wirklich jetzt stattfinden, inmitten einer globalen Pandemie? Nachdem die Sommerspiele 2020 um ein Jahr nach hinten verschoben wurden und unter strengen Auflagen stattgefunden haben, stellt sich auch jetzt wieder die Frage, ob es wirklich notwendig ist, dieses Risiko einzugehen.
Nach dem Ausbruch der Covid-19-Viruses in China fährt die Regierung eine strikte "Null-Covid-Strategie". Um Ausbrüche zu verhindern, wird bei jedem kleinsten Virusausbruch maximal reagiert. Es kommt kaum jemand ins Land, innerhalb zu reisen ist unglaublich schwierig und wenn du Glück hast, darfst du dein Haus verlassen. Seit Anfang der Pandemie sind Städte voneinander getrennt und man kann nur mit Ausnahmegenehmigung und drei Wochen Quarantäne zwischen ihnen passieren. In riesigen Quarantänezentren wird das Essen von Robotern serviert und Propaganda-Videos sollen zeigen, wie professionell die chinesische Regierung mit der Bekämpfung des Virus im Gegensatz zu den USA umgeht.
Und ja, zahlenmäßig steht China gut da mit ihren insgesamt rund 110 000 Fällen und einer Impfquote von 75%. Doch trotz der "Null-Covid-Strategie", der kompletten Lockdowns und der noch niedrigen Corona-Zahlen ist aber auch die Omikron-Variante schon längt in China angekommen. Es ist weiterhin unklar, ob sie vor den Spielen die Situation besonders in den Großstädten Shanghai und Peking in den Griff bekommen, gerade auch, weil die in China genutzten Impfstoffe anscheinend kaum vor einer Ansteckung mit der Omikron-Variante schützen sollen. Und inwiefern die Zahlen und die Situation in China der Realität entspricht, ist unklar, denn unabhängige Journalisten werden sofort von der Polizei entfernt.
Die Spiele sollen deshalb in einer Bubble und somit komplett abgeschottet vom Rest des Landes stattfinden. Es darf also keiner die Gebiete um die Hotels, das Olympische Dorf und die Trainings- und Wettkampfstätten verlassen. Dazu gehört auch das Verbot vom freien Verkauf der Eintrittskarten, es sollen nur bestimmte Zuschauergruppen eingeladen werden. Um wen es sich da aber handelt, ist unklar.
Ohne vollständige Impfung müssen die Sportler*innen sich erstmal verständlicherweise in eine dreiwöchige Quarantäne begeben. Für geimpfte Teilnehmer*innen müssen drei Tests in bestimmten Zeitabständen alle negativ sein, für alle gilt dann noch tägliche PCR-Testpflicht und FFP2-Maskenpflicht. Für positiv getestete Teilnehmende gibt es Quarantänehotels und alle müssen das Land 48 Stunden nach ihrem letzten Wettkampf verlassen. Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, was für einen psychischen Druck diese Umstände auf die Athlet*innen ausüben.
Natürlich sind die Winterspiele eine große Chance für Athlet*innen, ihre Leistungen unter Beweis zu stellen - aber ist das wirklich eine Repräsentation "der Besten", wenn aufgrund von Quarantäneregeln, Einschränkungen und Ansteckungsrisiko Sportler*innen für sich selbst und Verbände für sie sich gegen eine Teilnahme entscheiden oder aufgrund von eigenen Corona-Erkrankungen gar nicht teilnehmen dürfen?
Und ab welchem Grad der Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen der Meinungsfreiheit kann man noch davon ausgehen, dass die Olympischen Spiele zur sogenannten "Völkerverständigung" beitragen?