Das Schmerzgedächtnis kann aufgrund von anhaltenden Schmerzen entstehen, allerdings kann es selbst auch länger anhaltende Schmerzen bis hin zu chronischen Schmerzen hervorrufen.
Besteht ein Schmerz über längere Zeiträume oder wird nicht richtig behandelt, verändert er das Nervensystem, dessen Zellen infolge des Schmerzreizes ihre Funktion und sogar Struktur verändern. Ebenfalls können sich das Gehirn und das Rückenmark in diesem Fall verändern. Als Folge tritt eine höhere Schmerzempfindlichkeit auf und die Erfahrung bezüglich eines bestimmten Schmerzreizes bleibt bestehen, auch wenn der ursprüngliche Auslöser nicht mehr existiert oder nur in leichter Form, beispielsweise durch eine Berührung.
Leider greifen bestimmte Lernmechanismen bei dieser Art von Reizen nicht an, was sich nachteilig auswirkt. Wenn wir beispielsweise das Ticken einer Uhr hören, so können wir durch Habituation bzw. Gewöhnung dieses Geräusch ausblenden und unsere Aufmerksamkeit anderen Dingen widmen. Auch die Adaption bzw. Anpassung greift hier nicht, damit reguliert beispielsweise das Auge beim Übergang von hell zu dunkel die wahrgenommene Helligkeit.
Das diese Prozesse hier nicht wirken, ist es nicht möglich, sich an Schmerzen zu gewöhnen und sie daher besser zu ertragen. Langanhaltender Schmerz bewirkt so einen noch stärkeren und länger anhaltenden Schmerz, Schmerzen sollten daher nicht „ausgehalten“ werden.
Besonders häufig wird ein Schmerzgedächtnis bei neuropathischen Schmerzen ausgebildet, also durch eine Schädigung des Nervensystems verursachte Schmerzen. Ein Beispiel hierfür ist beispielsweise folgender Sachverhalt
„Schmerzsignale können dann zum Bespiel in den Nerven in Armen und Beinen entstehen und permanent in Richtung Rückenmark feuern. Das Rückenmark wird dadurch überempfindlich und leitet die Schmerzsignale verstärkt weiter.
Diese Signale werden dann wiederum im Hirn verarbeitet und zusätzlich verstärkt. Letztlich führt dies alles dann zu einer viel stärkeren Schmerzwahrnehmung.“
https://www.mdr.de/ratgeber/gesundheit/schmerzen-chronisch-schmerzgedaechntnis-106.html
Ja.
Grundsätzlich gilt das für Menschen, die beispielsweise einen schweren Unfall hatten, der starke, wiederkehrende Schmerzen nach sich zieht. Es gibt aber auch Hinweise, die darauf hindeuten, dass Menschen, die im Säuglingsalter Schmerzen ausgesetzt waren, später empfindlicher auf Schmerzen reagieren. Auch psychische Traumata in der Kindheit können chronische Schmerzen in einem späteren Lebensabschnitt fördern.
Generell neigen wohl Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Ängsten stärker dazu, ein Schmerzgedächtnis auszubilden. Auch das familiäre oder soziale Umfeld kann die Anfälligkeit beeinflussen. Schließlich spielen auch genetische Einflüsse eine Rolle.
Es gibt Fälle, in denen Menschen nach jahrelangen Schmerzen vollständig von diesen befreit wurden. Dies ist aber nur möglich, wenn die Ursache selbst beseitigt werden kann. Das ist leider nicht in allen Fällen möglich. Eine andere Möglichkeit ist hier, die Überempfindlichkeit der Nerven zu senken. Dabei werden Therapiemaßnahmen angewandt, die die gesteigerte Empfindlichkeit zurücknehmen und so gezielt gegenwirken. Diese Behandlungsmaßnahme heißt auch „Gegenirritation“.
Bei langanhaltenden, chronischen Schmerzen wird neben medikamentösen Behandlungsverfahren die sogenannte multimodale Schmerztherapie angewandt. Das heißt, dass körperliche und psychische Schmerzkomponenten identifiziert werden und die Behandlung interdisziplinär erfolgt. Dazu zählen Ärzte der Orthopädie, Neurologie, Rheumatologie und Schmerztherapie, aber auch Physio- und Ergotherapie können wirksam sein, genauso wie eine Verhaltens- oder Psychotherapie. Letztere können helfen, die Schmerzverarbeitung von Patienten zu verändern. Ebenso können auch autogenes Training oder Entspannungstechniken helfen, die Beschwerden zu lindern. Es kann also ein ganzes Therapeutenteam brauchen, um dem Schmerzgedächtnis auf den Grund zu gehen und die Ursachen zu behandeln.
In vielen Fällen geht es auch darum zu lernen, mit den Schmerzen besser umzugehen und zu identifizieren, welche Aktivitäten sich negativ oder positiv auf die Schmerzen auswirken, beispielsweise mithilfe von Schmerztagebüchern. Auch die Bereitschaft von Patienten, bei der Therapie gut mitzuarbeiten, wirkt sich in vielen Fällen besser auf den Behandlungserfolg aus. Es sollte jedoch klar geworden sein, dass die Behandlung sehr aufwendig sein kann, was insbesondere auch aufgrund des Gesundheitssystems extrem anstrengend für Patienten werden kann und entmutigen kann. Dennoch kann es schwerere Folgen haben, wenn man den Schmerz versucht auszusitzen. Am besten ist es, die Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses so gut es geht gar nicht erst zu fördern und bei wiederkehrenden Schmerzen einen Arzt aufzusuchen, der sich dem Problem annimmt.