LEBEN Die Sache mit den Eierstöcken |
Ich erzähle euch heute eine kleine Geschichte. Viele kennen sie schon zum Teil, einige werden sich fragen w a r u m ? . Die Antwort ist ganz einfach: Einige Erfahrungen können für andere von Vorteil sein, da sie aus der Geschichte lernen und die Problematik eine größere öffentliche Aufmerksamkeit bekommt. D a s P r o b l e m m i t d e n H o r m o n e n Immer öfter gibt es in medizinischen Zeitschriften Artikel über Frauen mit Zysten jeglicher Art. Mir ist unklar, ob das heißt, dass es mehr Frauen gibt, die Zysten an ihren Eierstöcken und Gebärmuttern haben oder ob sich die Medizin nun mehr mit der Thematik beschäftigt. Fest steht: Zysten werden immer mehr und auch immer schneller entdeckt. Die Medizin ist sich noch uneinig darüber, ob unser Lebensstil und die zusätzlichen Hormone in unserer Umwelt Schuld daran sind, ob unsere Genetik uns verlässt oder ob das die Langzeitnachwirkungen vieler hormoneller Verhütungsmittel sind. Zu jeder Zystenart gibt es eigene Theorien und eigene Forschungen. (linker Eierstock mit Eierstockzyste; keine Sorge, so groß sind die wenigsten Zysten im Verhältnis zum Eierstock) Ich möchte euch nicht mit den vielen Fakten langweilien, nur kurz ein Umriss der Situation: • Es gibt sogenannte f u n k t i o n e l l e Z y s t e n , welche sich hormonell einstellen und regulieren lassen. Diese entstehen oft im Laufe des Zyklus und verschwinden wieder. In den seltensten Fällen sorgen sie für Probleme und werden oft eher zufällig bei einer Untersuchung entdeckt. In den seltensten Fällen sorgen diese Zysten für Probleme. • Dann gibt es n i c h t f u n k t i o n e l l e n Z y s t e n , welche eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten mit sich führen. Wir haben die Retentionszysten, welche aus verstopften Drüsen entstehen. Diese werden operativ entfernt und haben keinen großen Einfluss auf den Patienten. Daneben gibt es noch die Teer-/Schokoladenzysten, welche durch eine Endometrioseerkrankung entstehen. Auch diese müssen ab einem gewissen Punkt operativ entfernt werden. Dann gibt es unter anderem noch die muzinösen Zystadenome, kleine Schleimbeutel, die unaufhörlich wachsen. • Eine Kategorie für sich sind alle T u m o r e , hierbei wird nicht zwischen gut- oder bösartig unterschieden. Einige nicht funktionelle Zysten können zu den benignen (also gutartigen) Tumoren gezählt werden, wie beispielsweise das muzinöse Zystadenom. Diese werden bei Entdeckung sofort entfernt, da sich selbst gutartige Tumore irgendwann in bösartige verwandeln können. • Eine etwas abgesonderte Form von funktionellen Zysten ist das sogenannte P o l y z y s t i s c h e O v a r i a l s y n d r o m , kurz auch PCOS. Das ist eine Hormonstörung, bei der übermäßig männliche Geschlechtshormone produziert werden, was mit Veränderungen des Stoffwechsels, des Körpers und folglich auch der Hormonentwicklung mit sich bringt. Diese Zysten werden nicht entfernt; sie verschwinden von selbst, wenn das Syndrom hormonell behandelt wird. W i e e r k e n n e i c h Z y s t e n ? Nachdem ich jetzt groß aufgeschrieben hab, was es alles an Zysten gibt, ist es natürlich berechtigt sich die Frage zu stellen, wie man erkennt, ob man eine Zyste hat oder nicht. Keine Sorge, die Antwort ist ganz einfach: Im Regelfall ist das nicht eure Sorge. Die meisten Zysten werden bei Routineuntersuchungen beim Frauenarzt entdeckt und dabei bleibt es dann auch. Zysten werden beobachtet, da Wachstum generell ein schlechtes Zeichen ist, doch anders werdet ihr auch selbst nicht groß was merken. Kniffliger ist es bei nicht funktionellen Zysten, welche nicht kommen und gehen, wie die Hormone gerade lustig sind, sondern bleiben und größer werden. Auch diese werden oft bei Routineuntersuchungen entdeckt, da Zysten für gewöhnlich nicht so ganz schnell wachsen. Meist entdeckt der Arzt sie auf dem Ultraschall, doch ab einer bestimmten Größe lassen sie sich auch durch den Bauchraum ertasten. In dem Fall habt ihr aber schon längst bemerkt, dass euer Körper ein paar Mucken macht. Die Symptome sind breit gefächert und erinnern dummerweise sehr an PMS. Ihr habt oft Rücken- und Bauchschmerzen, ein Druckgefühl im Unterleib. Dies führt dazu, dass ihr manchmal nur schwer auf Toilette könnt oder plötzlich ganz dringend muss. Viele Bewegungen sind plötzlich mit Schmerz verbunden, den ihr eigentlich sonst eher mit eurer Periode in Verbindung bringt - obwohl keine Periode da ist. Wenn dies länger anhält, sollte man den Arzt zu einer Vorsorgeuntersuchung aufsuchen. Wenn du weißt, dass du Zysten hast, und du hast plötzliche reißende Schmerzen im Unterleib, dir geht der Schweiß aus und du verlierst sogar das Bewusstsein, dann besteht die Möglichkeit, dass die Zyste geplatzt ist (so lange es keine durchblutete Zyste war ist das nur schmerzhaft, aber kein Drama) oder du eine Stildrehung am Eierstock hast. Suche sofort eine Notaufnahme auf und lass dich untersuchen, eine Eileitertorsion kann zu Blutvergiftung und dem Verlust des Eierstocks führen. M e i n e E r f a h r u n g m i t d e n Z y s t e n I c h w e i ß , d e r T e x t i s t t i e r i s c h l a n g , a b e r e s w a r a m E n d e a u c h e i n e z i e m l i c h e S c h e i ß e r e i , d i e s i c h b i s j e t z t ü b e r m e h r e r e J a h r e z o g . Begonnen hat bei mir alles bereits in der Pubertät. Ich hatte seit ich ungefähr 16 bin immer stärkere Regelblutungen, tierische Schmerzen und Unterleibskrämpfe, die sich so weit zogen, dass man mir im Stehen die Spasmen im Bauch angesehen hat. Ich hatte durchschnittlich 11 Tage Blutungen, hab 5mal während dem Tag Maxipads wechseln müssen, weil sie innerhalb von nur 2 - 3 Stunden so vollgesaugt waren, dass ich öfters kleine "Unfälle" hatte. Da meine Mutter auch immer extreme Blutungen hatte, dachten wir es sei halbwegs normal. Ihr Frauenarzt verschrieb mir Muskelrelaxantien, die nach nur wenigen Monaten nicht mehr wirkten. Ich war mittlerweile 17, hatte Stress in der Schule und im Leben und wollte nicht zusätzlich noch mehrere Tage im Monat Schmerzmittel schlucken wie Bonbons. Ich hatte also meinen ersten Termin beim Frauenarzt. Obwohl es bei uns in der Familie bereits eine Vorgeschichte mit Eierstockzysten gibt (meine Großmutter bekam zwei Zysten im Alter von 42, weshalb man zu einer Kastration griff - es war eine Vorsichtsmaßnahme), hat der Arzt nicht weiter viel drauf gegeben. Ich bekam die Pille verschrieben, in der Hoffnung, dass eine hormonelle Umstellung mir bei den Schmerzen helfen sollte. Es tat sich wenig. Zusätzlich zu den regelmäßigen Unterleibsschmerzen, auch außerhalb der Periode, kamen Verdauungsbeschwerden. An vielen Tagen konnte ich kaum etwas essen, ohne dass ich danach von schmerzhaften Verstopfungen geplagt war. Gelegentlich musste ich mehrmals hintereinander auf die Toilette, weil sich meine Blase nicht gänzlich leeren ließ und Bewegung dazwischen notwendig war, damit es ging. Es waren Veränderungen, die ich unbewusst durchging und die uns zwar seltsam vorkamen, aber nicht absonderlich genug, um groß etwas darauf zu geben. An meinem 19. Geburtstag (24.03.2015) hatte ich dann endlich wieder einen Termin bei meinem Gynäkologen. Meine vorherigen Termine wurden immer wieder nach hinten verschoben und meine Mutter mit den Worten abgespeist "Wenn Ihre Tochter tatsächlich so schlimme Leiden hat, dann fahren Sie mit ihr in die Notaufnahme.". Wir organisierten uns also parallel einen neuen Arzt, da ich keine Lust hatte, mich weiter so abspeisen zu lassen. Bei der Untersuchung selbst stellte der Arzt zwar Druckempfindlichkeit im Unterleib fest, empfand das aber als normal und schickte mich mit einem neuen Pillenrezept heim. In der Woche vom 13. April hatte ich dann meinen ersten Termin bei meiner jetztigen Frauenärztin. Sie hört sich die Geschichte an, fragt nach den genauen Umständen meiner Großmutter. Sie überzeugt mich davon, einen vaginalen Ultraschall zu machen, da ihr die Sache seltsam vorkommt und sie Zweifel daran hat, dass da tatsächlich nichts ist. Das Endresultat: zwei Ovarialzysten, einmal 4,6 cm und einmal 6,3. Ich bin am heulen, meine Mutter dezent überfordert, meine Ärztin die Empathie in Person. Sie erklärt, dass Zysten ab 4cm Größe leider durch das Gewicht eine Gefahr für den Eierstock darstellen und überweist uns an den Chirurgen, mit dem sie zusammen arbeitet. Dieser ist zu dem Zeitpunkt leider im Urlaub, weshalb ich erst zwei Wochen später einen Termin bei ihm hab. Er schaut sich die Zyste auch nochmal an und sagt gleich, dass ich die Woche darauf montags operiert werden muss - so schnell wie möglich, das Risiko für mich soll so gering wie möglich gehalten werden. Ich bin nicht zufrieden, doch meine Familie versucht mich aufzumuntern. Der Termin steht fest: am 4. Mai kommen die Zysten raus. Mein Bruder hat an dem Tag Geburtstag und meint nur, dass es ja nur gut werden kann, immerhin passieren am 4. Mai die Besten Dinge. (Ironischerweise stell ich nur ein paar Monate darauf fest, dass das auch Willows Geburtstag ist und irgendwie hat der kleine Recht. ) Ich werde also operiert, der Arzt versucht so viel wie möglich vom Eierstock zu erhalten. Auf der linken Seite ist er sich unsicher, ob er alles erwischt hat - das würden wir dann in zwei Monaten sehen, wenn keine weitere neue Zyste entsteht. Es kommen 6-monatliche Ultraschalluntersuchungen auf mich zu. Ich muss die Pille weiter nehmen, in der Hoffnung, dass keine erneuten Zysten entstehen. Das Labor bestätigt: muzinöses Zystadenom. Durch das Halten des Hormonlevels auf einem gleichmäßigen Niveau erhoffen sich meine Ärzte, dass ich keine weiteren Zysten bekomme. Die Diagnose vom Chirurgen: Vom Eierstock ist nicht mehr viel übrig; wenn er nochmal ran muss, dann wird wahrscheinlich nichts mehr übrig bleiben. Ich bin einfach nur froh, dass ich endlich wieder schmerzfrei pinkeln kann. Und mit meiner Regel bin ich auch zufriedener. 2016, mein Abijahr, und meine Hormone spinnen wieder rum. Ich beginne die Pille extrem schlecht zu vertragen, habe quasi laufen Aggressionsprobleme und Übelkeit. Ich soll die Pille absetzen. Mein Abi und meine Gesundheit stressen mich. Ich nehme etwas zu (das habe ich seit 2014 kontinuierlich, ich nutzte Essen als Flucht und Glücksersatz). Meine Tage bleiben über 4 Monate aus. Mit Freunden mache ich Witze darüber, dass ich wohl irgendwie an Zeus geraten sein muss, oder wir uns alle dem Christentum bekennen müssten. Sorgen mache ich mir dennoch. Ultraschall: lauter kleine Zysten. Meine Blutanalyse zeigt einen extrem hohen Anteil an männlichen Sexualhormonen auf. Der Verdacht auf PCOS liegt nahe und man schickt mich zu einer Endokrynologin. Diese schimpft mich erst mal eine Lügnerin, als ich ihr sage, dass ich weder rauche, noch trinke. Dann sagt sie mir, ich müsse mindestens 10kg abnehmen, damit es meiner Gesundheit besser geht. Ich tue es. Die Zysten sind weg, ziemlich wahrscheinlich nur funktionelle Zysten. 2017 finden wir wieder bei einer Routineuntersuchung zwei Zysten: eine von 4 cm, eine von 2, irgendwas. Wir versuchen es Medikamentiv, mit Magnetfeldtherapie und Akkupunktur. Der Gedanke, bevor weiter rumgeschnipselt wird auch noch andere Alternativen auszuprobieren, beruhigt etwas. Die kleine Zyste verschwindet, die große wächst kontinuierlich weiter. Im Sommer habe ich dann meinen Bandscheibenvorfall, die OP am Rücken und eine Zyste von 6,3 cm. Ich hab ein ziemliches Tief, mein Leben läuft gelinde gesagt scheiße zu dem Zeitpunkt und die Diagnose kommt denkbar schlecht. Es wird entschieden die Zyste so sein zu lassen wie sie ist, aus Angst, den Rücken zusätzlich zu schädigen, wenn nach der OP gleich wieder operiert werden soll. Ich habe 3 Monate später einen Kontrolltermin in Hamburg. Ich bin zu der Zeit im Praxissemester, beziehunsgweise war es. Aus gesundheitlichen Gründen musste ich dieses abbrechen. Die Frauenärztin in Hamburg (da ich nur in Ausnahmefällen im Ausland operiert werden darf) schaut sich das Bild an und fragt gleich mal, wie schnell ich nach Hause fahren kann. Sollte ich nicht innerhalb der nächsten zwei Tage nach Hause können, würde für die Krankenkasse ein Notfall vorgetäuscht - meine Zyste hat 8,2 cm Durchmesser. Ich kaufe mir auf dem Nachhauseweg ein Zucktiecket - es ist Mittwoch und am Freitag komme ich zu Hause an. Montags habe ich gleich meinen Termin bei meiner Frauenärztin. Ihr geht es ebenso beschissen wie mir - wahrscheinlich weniger, aber ihre Anteilnahme ist groß und sie bespricht mit mir die Optionen. Ich frage sie nach einer kompletten Ovarektomie - sie empfiehlt erst das Gespräch mit dem Chirurgen abzuwarten, sagt aber, dass eine prophylaktische Entfernung nicht zwingend die Lösung ist, da solche Zysten für gewöhnlich nicht zurück kommen. Ich bekomme gleich für Dienstag einen Termin beim Chirurgen - die Praxishilfe schimpft gleich mal etwas mit mir, weil wir uns beim ersten Mal versprochen haben, uns so bald nicht wieder zu sehen. Der Arzt sagt, er versucht so viel zu erhalten wie möglich. Ich sage ihm, er solle kurzen Prozess machen. Wenn er den Eierstock mitentfernt und das weniger Zeit dauert, dann soll er das so machen und sich danach nen Kaffee gönnen. Er stimmt zu - und erklärt, dass bei einer älteren Frau bereits nach der ersten Zyste die Eierstöcke entfern worden wären. Muzinöse Zystadenome haben eine 75% Chance zu entarten und zu Eierstockkrebs zu werden. Fun fact: Eierstockkrebs in den 20ern ist ein Todesurteil. Die Woche darauf werde ich wieder operiert. Fast hätten sie mich noch Donnerstag in der Vorwoche eingeschoben, aber da sie eine Patientin hatten, bei der wahrscheinlich ein Kaiserschnitt anstünde, hat man mich lieber auf Montag gepackt. Fand ich umso besser - musste mich mental darauf vorbereiten. Die Krankenschwestern waren übrigens alle ziemlich geschockt, wenn sie in die Akte gesehen haben. Ich hab versucht so gut es ging Witze zu reißen. Nach der OP die Nachricht: die Zyste war größer als gedacht und der Eierstock musste mit entfernt werden. Die Laborberichte ergaben wieder muzinöses Zystadenom. Mir werden meine nach wie vor guten Chancen Kinder zu bekommen ausgerechnet - vorausgesetzt, das passiert in den nächsten zwei Jahren. Darüber hinaus ... sagen wir so: Von meinem verbleibenden Eierstock ist dank der ersten Zystentfernung nicht mehr so viel übrig. Die Wahrscheinlichkeit auf gute Eizellen ist gering. Deshalb bin ich seitdem quasi durchgehen hormonell eingestellt. Dadurch, dass ich die Pille durchnehme, schlafen meine Eierstöcke sozusagen und produzieren keine weiteren fruchtbaren Eizellen. Es soll mir Zeit gewinnen. Dass ich wahrscheinlich nie Kinder haben werden kann ist mir egal. Wenn ich am Ende doch entscheiden sollte, dass Kinder wichtig für mich sind, dann kann ich ein Kind durch Adoption oder Pflege glücklich machen und brauch dafür nicht mein eigenes. Mich frustriert mehr die Frage, ob ich wirklich bereit dazu bin, noch vor 30 in die Wechseljahre zu kommen. Aber das kann nur die Zeit zeigen. |